Inhaberin organisiert Obdachlosenhilfe

Übernahme, Pandemie, Umbau – und trotzdem Zeit für Obdachlose

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Berlin -

Trang Luu-Frieling hat eigentlich wahrlich genug um die Ohren: Die 30-jährige Pharmazeutin hat Anfang des Jahres mit der Cäcilien-Apotheke einen Traditionsbetrieb übernommen – mitten im Corona-Chaos zwischen Masken, Tests und Impfstoffverteilung. Und dann baut sie es auch noch samt neuem Kommissionierer um. Als wäre das nicht schon genug Stress, engagiert sie sich auch noch sozial: Für Apotheker ohne Grenzen (AoG) fungiert sie derzeit als Drehkreuz zur Verteilung von gespendeten Hygieneartikeln an Obdachlose – und hat die auch selbst schon verteilt.

Obdachlose gehören zu den besonders von der Corona-Pandemie betroffenen Gruppen, die oftmals vergessen werden. Durch Lockdowns und sonstige Beschränkungen gab es weniger ehrenamtliche Hilfsangebote; mit leeren Fußgängerzonen bricht für viele, die um Geld bitten, die einzige Einnahmequelle ein. Und selbst wenn sie Plätze in Notunterkünften erhalten, ist es meist außerordentlich schwierig, dort Hygiene- und vor allem Abstandsregeln einzuhalten. Hinzu kommt: Wer täglich von der Hand in den Mund leben muss, für den sind ein paar Euro für Atemschutzmasken oder Desinfektionsmittel ein weit größeres Problem als für Normalverdiener.

Umgekehrt wurde auch die Arbeit von AoG durch Corona-Pandemie und Reisebeschränkungen erheblich erschwert. Der einzige Auslandseinsatz der Hilfsorganisation im Moment ist die Arbeit von Dr. Carina Vetye, die seit Beginn der Pandemie fast durchgehend in Argentinien die Stellung hält und dort hilft, die extreme Situation in den Armutsvierteln von Buenos Aires zumindest etwas abzumildern. „Weil durch Corona fast alles im Ausland wegfällt, haben wir überlegt, wie wir hierzulande helfen können“, erklärt Luu-Frieling. Aus Gesprächen mit der AoG-Geschäftsstelle in München und der Regionalgruppe Rhein-Main entstand so die Idee, eine bundesweite Hilfsaktion für Obdachlose aufzuziehen.

„Bedürftige Menschen in aller Welt mit pharmazeutischer Kompetenz und sicheren Arzneimitteln besser zu versorgen und nachhaltige Gesundheitsstrukturen aufzubauen – das bleibt das Kernziel unseres Vereins“, erklärt Kira Morandin, Referentin für Fundraising und Koordinatorin der Obdachlosen-Aktion. „Doch nicht nur die Menschen in Nepal, Kongo oder Mexiko brauchen unsere Hilfe. Wir wollen auch in Deutschland ein Zeichen setzen und während der Corona-Pandemie möglichst viele obdachlose Menschen mit einer Tüte Alltagshygiene versorgen.“

Deren Inhalt – unter anderem OP- und FFP2-Masken, Desinfektionstücher, Seife, Pflaster, Taschentücher und Zahnpasta – hat AoG von Spenden aus Apotheken und Unternehmen erhalten. Insgesamt kamen so rund 10.000 Hygienetüten für Obdachlose zusammen, die zentral in Mainz gesammelt und dann dort von ehrenamtlichen Mitgliedern sortiert, abgepackt und verschickt wurden. Die Verteilung der Tüten übernehmen dann die ehrenamtlichen Mitglieder der 15 Regionalgruppen, die wiederum mit lokalen Hilfseinrichtungen kooperieren. In Berlin gibt es dazu schon Strukturen, weil AoG seit Jahren die Ambulanz der Berliner Stadtmission mit Medikamenten ausstattet und pharmazeutisch betreut.

So landeten 40 Kisten mit Hygienetüten in Luu-Frielings Apotheke – während dort bereits Wände eingerissen wurden, um einen Kommissionierer einzubauen. „Es wurden dann Apotheken zur weiteren Verteilung gesucht, da habe ich gesagt, dass ich die Organisation übernehme“, erzählt die Inhaberin. „Das ist zwar nochmal zusätzlicher Stress, aber das war mir egal, weil AoG mein Herzensprojekt ist.“ Die Hälfte der Kisten ist bereits weggegangen, zum Teil an die Berliner Stadtmission, die sie dann in ärztlichen Sprechstunden oder aber bei Essensausgaben verteilt hat.

Den anderen Teil hat Luu-Frieling selbst mit verteilt, nämlich vor etwas mehr als einer Woche bei einer Suppenküche der Katholischen Gemeinde St. Marien Liebfrauen in Kreuzberg. „Wir haben da einen Stand aufgebaut und jeder, der sich ein Essen abgeholt hat, konnte eine Tüte mitnehmen“, erklärt sie. „Die Leute waren wirklich sehr dankbar, denn wenn alles knapp wird, konzentriert man sich nicht in erster Linie auf Hygiene. Das ist genau der Punkt, an dem wir mithelfen können.“ 20 Kisten stehen nun noch in im Keller von Luu-Frielings Apotheke – sie hofft weiter auf hilfswillige Apotheken, die ihr welche abnehmen können.

 

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