Ganz Schluss machen will sie nicht

Nach 8 Jahren 80-Stunden-Woche: Vorstadt-Apotheke geschlossen

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Berlin -

Die Türen sind mittlerweile geschlossen: Weil Ruth Oberste-Brink keinen Nachfolger finden konnte, schloss sie ihre Neumünder Apotheke in Niedersachsen Ende Februar. Ans Aufhören denkt die 61-Jährige deshalb noch lange nicht.

„Die jungen Apotheker suchen Apotheken mit Größenordnungen, die ich hier als kleine Vorstadtapotheke nicht bieten kann“, weiß Inhaberin Ruth Oberste-Brink. Zwar sei ihre die einzige Apotheke im Ortsteil, „Wir haben hier aber keine Einkaufsstraße. Es ist einfach nicht zu vergleichen mit einer Innenstadtlage, in der zur Stammkundschaft noch entsprechende Laufkundschaft dazu kommt“. Zwar genoss ihre Apotheke stets den Zuspruch der Kundinnen und Kunden und sei bis zum Ende gut gelaufen. „Aber nicht in dem Maße, dass sie für eine Neugründung attraktiv wäre“.

Nachfolgersuche bleibt erfolglos

Nachdem Oberste-Brink drei Jahre lang über Inserate nach einer Nachfolge gesucht hatte, beauftragte sie schließlich eine Agentur. „Nachdem keine Resonanz kam, dachte ich, ich bemühe einfach mal die Leute, die sich mit Vermittlung auskennen“, erklärt sie. „Die haben sofort abgelehnt. Es hätte keinen Zweck; meine Umsatzgröße sei zwar gut, aber eben nicht gut genug“.

Seit acht Jahren ist die Inhaberin die einzige Apothekerin der Neumünder Apotheke. „Ich suche seitdem einen angestellten Apotheker. Ich habe alle Register gezogen und niemanden gefunden“. Ihrer Meinung nach haben junge Pharmazeuten ein anderes Verständnis vom Beruf. „Für sie steht die Work-Life-Balance an oberster Stelle. Als Selbstständige wird man die ganz sicher nicht immer optimal erreichen“, so die Inhaberin.

Letzten Endes blieb ihr nichts anderes übrig, als ihre Apotheke zu Ende Februar zu schließen. „Dabei wollte ich nur den Erlös für das Warenlager haben. Die Apotheke ist zertifiziert, präqualifiziert, alle Geräte sind auf dem neusten Stand, ich habe neue Werbeschilder und moderne Klimageräte angeschafft, was ich sagen will: Man hätte hier absolut keinen Investitionsstau gehabt.“ Die Versorgung in Hannoversch Münden ist weiterhin gesichert: „Es gibt mehrere Apotheken in der Innenstadt, ich war die Einzige, die außerhalb saß“.

Versöhnliches Ende

„Meine beiden Angestellten sind gut untergekommen“, berichtet Oberste-Brink. „Wir sind hier ja sehr ländlich. Ich habe Kunden versorgt, die teilweise gar nicht in die Stadt kommen. Wir hatten dadurch einen angepassten Botendienst.“ Die Fahrerin ist bei einem Kollegen in der Innenstadt untergekommen und fährt ihre Route weiter. „Ich bin froh, dass ich meine Angestellten alle gut unterbringen konnte“. Da Einrichtung und Geräte noch sehr neu sind, hatten Kolleginnen und Kollegen bereits Bedarf angemeldet. „Natürlich erziele ich damit jetzt keine Unsummen, aber es ist besser als wegwerfen“, findet die Apothekerin.

Von 80 auf 0

„Ich werde meinen Beruf in jedem Fall vermissen“, weiß Oberste-Brink. „Ich bin seit letztem Jahr in Rente, hatte aber bis zuletzt eine 80-Stunden-Woche“, erklärt die 61-jährige Apothekerin. Das ging über acht Jahre so; den letzten Urlaub hat sie vor über fünf Jahren gemacht. In ihrem Notdienstkreis stand darüber hinaus ein wöchentlicher Notdienst für die Inhaberin an. „Das ging so nicht mehr weiter. Ich habe dann gesagt, gut, ich werde schließen, schweren Herzens“.

Der Apothekerberuf habe immer Spaß gemacht, „auch, wenn es sehr beschwerlich geworden ist. Für die Menschen hier ist die Apotheke ein Kummerkasten. Die sind schon verzweifelt, dass wir geschlossen haben.“ Oberste-Brink identifiziert sich auch nach der Schließung noch mit ihrem Beruf. „Apothekerin zu sein ist einfach meine Aufgabe gewesen und das wird sie auch immer sein. Solange ich körperlich und geistig fit bin, werde ich meinen Kollegen im Ort meine Dienste für Vertretungen anbieten. So ganz runterschrauben auf 0 – von 80 auf 0 sozusagen – das wird bei mir nicht funktionieren“, kommentiert Oberste-Brink lachend. Als nächstes stehe erst einmal ein Urlaub an.

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