Umsatzverlust durch Lieferengpässe

Leerstand nach Schließung: „Stadtteil im Stich gelassen“

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Berlin -

Im Duisburger Stadtteil Untermeiderich gibt es seit dem 12. Januar keine Apotheke mehr. Die letzte Apotheke vor Ort konnte sich in dem industriell geprägten Umfeld nicht mehr halten. Inhaberin Stefanie Heckhoff zog in ihrem 30. Jahr die Reißleine und startet ungewollt mit bald 60 Jahren beruflich noch einmal neu. Der Abschied fiel auch ihren Kundinnen und Kunden schwer.

Eigentliche hätte Heckhoff gerne bis zur Rente die Adler-Apotheke aus Familienhand weitergeführt. Aus wirtschaftlicher Sicht habe sie sich damit keine goldene Nase verdient, aber ihr Auskommen. „Ich hab auch immer gewusst, dass das für mich ausreicht, sich aber nicht zum Verkauf eignet.“ Und so kam es nun einige Jahre früher als gedacht, dass die Apotheke für immer schließen musste. Das sei einfach eine zu unschöne Lage, vor allem mit Industrie rundherum.

Für Heckhoff waren es vor allem die vielen Lieferengpässe, die ihr zunehmend zusetzten. In der Ecke sei die Kaufkraft nicht gerade stark. Fast 90 Prozent des Umsatzes hing für die Apotheke also an Rezepten. „Zuletzt ging jedes zweite bis dritte Rezept wegen Lieferengpässen zurück“, so die ehemalige Inhaberin. Mangelnde OTC-Umsätze und die ausbleibende Honoraranpassung gaben hier den Rest. Zusätzlich habe sie zu spät reagiert, als sie sich dann im Oktober vergangenen Jahres mit ihrem Steuerberater auseinandergesetzt und ihrem Apotheker gekündigt hatte. Sie hätte mit der Hälfte der Belegschaft weitermachen und viel mehr allein stemmen müssen – „das hätte ich körperlich nicht geschafft“.

Schlussstrich nach knapp 30 Jahren

Auch ihr Mann sah die steigende Belastung. „Er meinte auch: ‚Wenn du so weiter machst, verspielst du Haus und Hof.‘ Dann hatte ich eine Woche Zeit, mir darüber klar zu werden.“ In der Hoffnung, noch das Erkältungs-Geschäft mitzunehmen, setzte Heckhoff dann den 12. Januar als Schlussdatum. Danach hatte sie noch zwei Wochen, um die Apotheke im Mietobjekt zu räumen. Mit 150.000 Euro Minus aus dem Privatvermögen ist das Kapitel „eigene Apotheke“ damit Geschichte.

Diesen Weg wollte Heckhoff eigentlich gar nicht einschlagen. „Ich hab den Job an sich nicht ungern gemacht“, sagt sie. Doch eigentlich hätte sie gerne Jura studiert wie ihr Vater. Doch der habe sie nicht in dem Bereich gesehen. Ihre Mutter, die bis zur Geburt der Kinder als Vorexaminierte arbeitete, schlug dann das Pharmaziestudium vor. Bereits ihr Urgroßvater hatte die Adler-Apotheke 1894 gegründet, die danach in der Familie weitergegeben wurde. Zwischenzeitlich zog die Apotheke um und bekam vor Heckhoff einen familienfremden Pächter, der mit der Übergabe wartete, bis sie mit dem Studium fertig war.

Neuanfang als Freiberuflerin

Und nun? Apothekerinnen werden zum Glück gesucht, auch für ältere Kolleginnen findet sich ohne Probleme eine Neuanstellung. Doch Heckhoff entschied sich für einen anderen Weg und gründete den Adler-Vertretungsservice. Sie arbeitet nun freiberuflich und ist für ausgewählte, nette Kolleg:innen im Einsatz. Sie habe seit dem Studium auch immer wieder mit unangenehmen Berufsvertreter:innen zu tun gehabt und freut sich, auf ihrem neuen Karriereweg aussuchen zu können, mit wem sie arbeitet. „Ich bin jetzt jeden Tag in einer anderen Apotheke und werde überall sehr, sehr nett aufgenommen.“ So hilft sie nun zum Beispiel einer ehemaligen Studienkollegin oder ist auch schon früheren Angestellten wiederbegegnet. Auch ihre Angestellten hat sie besten Gewissens an gut bekannte Kolleg:innen vermittelt. „Sie haben alle nette Chefs bekommen.“

Trotzdem sitzt Heckhoff die Schließung noch in den Knochen: „Ich bin nicht unglücklich. Aber ich habe mich mit der Schließung schwergetan.“ Auch dass der Stadtteil nun keine Apotheke mehr hat, findet sie sehr schade. „Die Kunden waren geschockt, wir hatten Tränen in den Augen.“ Neben Tränen auf beiden Seiten gab es sehr viel Zuspruch für Heckhoff, kleine Geschenke und Blumen. Familie und Freunde waren für sie da und haben sie auf den letzten Metern unterstützt. Auch auf ihr Team konnte sie sich bis zuletzt verlassen. Die Schließung macht sie aber immer noch traurig: „Ich habe das Gefühl, ich habe den Stadtteil im Stich gelassen.“

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