90 Prozent des Rx-Umsatz über Präsenzapotheken

DocMorris: Marktplatz verzichtet auf Rx-Boni

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Berlin -

DocMorris will für seine Plattform ausgerechnet die Vor-Ort-Apotheken ins Boot holen. Mit seinem Marktplatz will der Primus unter den Holland-Versendern die Einführung des E-Rezepts flankieren, um seinen Marktanteil noch weiter auszubauen. DocMorris-CEO Olaf Heinrich und Marktplatz-Gechäftsführer Dr. Malte Dous haben deshalb Kreide gefressen: In einem Interview mit dem Handelsblatt umwerben sie die Vor-Ort-Apotheken und kündigen an, auf Rx-Boni zu verzichten. Den Präsenzapotheken Honig ums Maul zu schmieren, folgt einer einfachen Logik: DocMorris erwartet, 90 Prozent seines Rx-Umsatzes über sie abzuwickeln. Einen Seitenhieb auf die Branche gönnt sich Heinrich dennoch.

„Beim E-Rezept, welches über den Marktplatz kommt, verzichten wir auf den Bonus auf verschreibungspflichtige Arzneimittel“, kündigte Heinrich am Montag im Handelsblatt an. Er hat allen Grund, den Apotheken vor Ort zu schmeicheln: Einer Apscope-Umfrage zufolge würde sich gerade einmal jeder zehnte Apotheker der Plattform anschließen. Marktplatz-Chef Dous zeigt sich angesichts des geringen Zuspruchs aber gelassen. „Die angesprochenen 10 Prozent in Relation zu allen 19.300 stationären Apotheken in Deutschland wären schon eine gute Zahl“, sagt der ehemalige Manager des Möbelversenders Wayfair.

Sein Chef macht unterdessen keinen Hehl daraus, was aus den restlichen Apotheken werden könnte: „Manche Schätzungen in der Branche gehen davon aus, dass man für eine flächendeckende Versorgung mit rezeptpflichtigen Medikamenten gerade einmal 1120 Apotheken braucht“, so Heinrich. „Das sind die Apotheken, die im Rahmen des täglichen Nacht- und Notdienstes durchschnittlich Dienstbereitschaft haben.“ Er gehe davon aus, dass er eine vierstellige Zahl an Vor-ort-Apotheken braucht, um Patienten überall eine Vor-Ort-Versorgung zu ermöglichen.

Dass eine Flächendeckung notwendig ist, beschreiben Dous und Heinrich als Erkenntnis der Marktforschung und Voraussetzung, um den Rx-Marktanteil spürbar zu erhöhen: „Dass der Kunde das will, sehen wir schon jetzt“, so Heinrich. „Wir haben viele chronisch kranke Patienten bei DocMorris, die lösen nur rund 60 Prozent ihrer Rezepte bei uns und alle anderen in der Vor-Ort-Apotheke ein.“ Der Grund dafür ist in einem Wort zusammengefasst: Beratung. „Das brauchen wir uns als DocMorris gar nicht verstecken“, erwidert Heinrich. Mit Einwilligung der Kunden habe der Konzern Daten gesammelt, die es ihm ermöglichen würden, eine umfassende pharmazeutische Beratung online oder per Telefon anzubieten. Die Marktplatz-Plattform werde dieses Angebot noch erweitern: Der Patient könne sich dann dort eine Apotheke aussuchen, in der er gern beraten werden möchte.

Und das werde auch dank des E-Rezepts bedeutend leichter für den Apotheker: „Der große Vorteil unserer Plattform ist auch, dass der Vor-Ort-Apotheker dank des weitergeleiteten E-Rezepts dann schon weiß, welcher Patient kommt. Da bleibt dann mehr Zeit für die Beratung“, so Heinrich. Die Vor-Ort-Apotheken wollen Heinrich und Dous aber nicht nur als Beratungsdienstleister dastehen lassen. Sie geben sich gleich zu Beginn Mühe, sich statt als Konkurrent als geläuterte Partner darzustellen: „Sicherlich, wir waren anfangs aufgrund der Marktsituation eher auf Konfrontation mit den Apothekern ausgerichtet und haben dabei auch Fehler gemacht“, zeigt sich Heinrich reuig. „Aber wir haben uns verändert.“

Mit der Plattform wolle DocMorris „eine partnerschaftliche Zusammenarbeit erreichen, die für stationäre Apotheken ein großer Gewinn sein kann“. Umgekehrt könnten die Präsenzapotheken aber ein noch größerer Gewinn für DocMorris werden, schließlich erhofft sich der Konzern vom E-Rezept ein erhebliches Plus beim Rx-Markanteil. „Ich erwarte, dass der Umsatz mit elektronischen Rezepten auf unserer Plattform zu 90 Prozent über die stationären Apotheken laufen wird und nur zu 10 Prozent über unseren Versandhandel“, so Heinrich.

Damit gar nicht erst der Eindruck entsteht, es gäbe ein Kosten-Nutzen-Gefälle, betont Dous postwenden, dass eine Hand die andere wasche – und die Vor-Ort-Apotheken auch umgekehrt auf den Versender angewiesen seien: „Stationäre Apotheken müssen sich im digitalisierenden Gesundheitsmarkt zunehmend die Frage stellen, welche Rolle sie künftig spielen wollen. Durch unser Know-how kommen wir gemeinsam schneller voran als jeder allein.“ Die Apotheken können demnach über den Marktplatz am Wachstum teilhaben, das sich online und vor allem durch das E-Rezept bietet. Das DocMorris ist nicht allzu ferner Zukunft selbst von Jäger zum Gejagten werden könnte, scheint beiden dabei bewusst: Amazon steht vor der Tür, befürchten nicht nur die Vor-Ort-Apotheker. Dass DocMorris das Trittbrett für den Markteinstieg des Riesenkonzerns sein könnte, bestreitet Heinrich nicht – und auch nicht, dass sich DocMorris nicht wehren würde: „Unsere Aktien sind für jeden handelbar. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen.“

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