Monatsaktionen statt Saisonbedarf

Ratiopharm ohne Winterbevorratung

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Berlin -

Wegen der sich abzeichnenden Lieferengpässe hatte Ratiopharm im vergangenen Jahr seine Winterbevorratung abgesagt und alle Aufträge storniert. Da sich die Lage nicht entspannt hat, ist der Konzern in diesem Jahr noch vorsichtiger: Anstelle einer Großbestellung wird es verschiedene kleinere Aktionen geben.

Die Absage der Winterbevorratung im vergangenen Juli war ein Fanal für den Markt. Zwar hatte es auch davor schon Lieferengpässe gegeben. Dass aber die Nummer 1 erst beim Nasenspray und dann auch noch bei den Fiebersäften kapitulieren musste, war ein unübersehbares Zeichen, dass etwas nicht stimmt. Für die Apotheken war die Sache doppelt ärgerlich, denn sie mussten sich nun nach anderen Lieferanten umsehen, was Aufwand verursachte und auch Konditionen kostete.

Seitdem hat sich die Lage keineswegs entspannt, vielmehr haben sich die Probleme massiv ausgeweitet. Aktuell fehlen vor allem Antibiotikasäfte. Während das Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz (ALBVVG) auf sich warten lässt, spielen Politik und Kassen das Problem schon wieder herunter: Die Nachfrage sei im vergangenen Winter einfach überraschend hoch gewesen, sodass auch mehr Geld keine gescheite Lösung sein könne.

Laut den Herstellerverbänden liegen die Probleme viel tiefer, daher sind auch die Unternehmen vorsichtiger geworden. Platzhirsch Ratiopharm will in diesem Jahr nicht wieder in die Verlegenheit kommen, eingesammelte Großaufträge absagen zu müssen, und versucht daher, ohne die übliche Winterbevorratung auszukommen.

Monatsaktionen mit Liefergarantie

„Wir erleben nach wie vor eine angespannte Situation bei der Warenverfügbarkeit. Um unseren Kunden dennoch hohe Planungssicherheit zu bieten, haben wir die klassische Winterbevorratung in mehrere Monatsaktionen aufgesplittet“, erklärt eine Sprecherin auf Nachfrage. „So gewährleisten wir jeden Monat aktuelle Angebote und eine zuverlässige Verfügbarkeit der bestellten Ware. Damit stellen wir sicher, dass wir alle Aufträge, die über unseren Außendienst getätigt werden, bedienen können und sich die Situation des Vorjahres im Sinne unserer Kunden nicht wiederholt.“

Zuvor hatten sich Kunden schon bei ihrem Außendienst erkundigt, was denn mit der Winterbevorratung in diesem Jahr sei. In den vergangenen Jahren wurden die Angebote nämlich stets im April verschickt, doch in den vergangenen Wochen gab es auf Nachfrage dazu wohl zunächst keine Informationen: Vertriebsmitarbeiter verwiesen laut Berichten aus Apotheken erst auf eine Tagung, der Kundenservice konnte keine Auskunft geben, verwies wiederum auf den Außendienst.

Erste Liefertermine nutzen

Andere Hersteller haben die Winterbevorratung nicht abgesagt: Hexal, Hermes, Berlin-Chemie und Engelhard etwa haben Vorbestellungen aus Apotheken eingesammelt. Allerdings wurde den Apotheken vom Außendienst teilweise unter der Hand geraten, gleich den ersten Liefertermin zu nutzen – weil später vielleicht dann doch wieder keine Ware mehr da sein könnte.

Produktion nur kostendeckend

Schon im vergangenen Sommer hatte Ratiopharm-Chef Andreas Burkhardt erklärt, dass die Bevorratung bei seinem Unternehmen zur Disposition stehe: „Wir überlegen derzeit, wie wir mit der traditionellen Winteraktion umgehen“, sagte er im Interview mit APOTHEKE ADHOC. „Es bringt ja nichts, wenn in solchen Zeiten die Auslieferung über Konditionen gesteuert wird oder dadurch, dass jemand ein großes Lager hat.“

Um die Verluste zu begrenzen, hatte Ratiopharm im Herbst die Preise für seinen Fiebersaft angepasst, sodass den Eltern Aufzahlungen drohten. Die Kassen sahen sich gezwungen, die Mehrkosten zu übernehmen. Die befristete Aussetzung der Festbeträge läuft am Wochenende aus, sodass erneut Zusatzkosten drohen.

Laut Burkhardt ist die Herstellung trotz der Anpassung aufgrund der Kostensteigerungen bestenfalls kostendeckend. „Wir steigen nicht aus, wenn es einen Ansturm auf Fiebersäfte gibt, das ist eine Frage des Anstands“, sagte er in der vergangenen Woche. Aber wenn dann an allen Ecken und Ende dieselben Probleme auftreten und die Mischkalkulation wegfällt, überlege man sich als Hersteller, ob man langfristig nicht doch den Stecker ziehe. Jedenfalls dürfe man nicht damit rechnen, dass neue Hersteller einsteigen, wenn sie gerade so mit einer schwarzen Null rechnen könnten – und auch dies nur für den Zeitraum von zwei Jahren, von denen neun Monate im Durchschnitt für die Vorbereitungen draufgingen.

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