„Wir kochen vor Wut“

Nullretax: Paracetamol-Zäpfchen als Rezeptur

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Berlin -

Im Herbst vergangenen Jahres verschlimmerten sich die Lieferengpässe dramatisch. Banale Fiebermittel für Kinder wie Paracetamolsaft oder -zäpfchen waren entweder nur schwer oder gar nicht mehr zu bekommen. Um die kleinsten Patient:innen dennoch versorgen zu können, stellte das Team der Adler-Apotheke im baden-württembergischen Ellwangen/Jagst den dringend benötigten Fiebersaft selbst her. Inhaber Richard Krombholz erhielt für diese zeitaufwendige Rezeptur nun kürzlich von der IKK classic „eine knallende Ohrfeige“ in Form einer Nullretax.

Der Bedarf an Fiebermitteln für die kleinsten Patient:innen ist in Krombholz’ Apotheke groß, denn in der Nähe hat seine Schwägerin ihre Kinderarztpraxis: „Säuglinge und Kleinkinder reagieren nach einer Impfung oder auch bei Infekten häufig mit Fieber, da sind adäquate Fiebermittel essenziell und werden als akut benötigte Medikamente abgegeben“, so Krombholz. „Seit die ersten Engpässe der Fiebermittel auftraten, ging hier in der Apotheke sowieso alles drunter und drüber. Neben der heftigen Erkältungswelle hatten wir also auch alle Hände voll zu tun, um die Lieferengpässe irgendwie abzupuffern.“

„21 Euro sind ein Witz“

Auch weil es nur zwei Hersteller gab, die überhaupt Paracetamol-Zäpfchen in der Stärke zu 75 mg produzierten, fiel es etlichen Apotheken schwer, an Ware zu kommen. „Ich habe dann eine PTA abgestellt, die nachmittagsweise in der Rezeptur stand und etliche Zäpfchen und Fiebersaft hergestellt hat. Allein für diesen Arbeitsaufwand nur etwa 21 Euro abrechnen zu können, ist ein Witz“, ärgert sich Krombholz. Dabei sei die Herstellung an sich eigentlich eine gute Sache: „Wir sind auch Ausbildungsapotheke, und unsere Praktikanten können in der Rezepturherstellung erfahren, was der Beruf auch handwerklich zu bieten hat.“

„Wir kochen vor Wut“

Gerade das Engagement in der Eigenherstellung wurde nun kürzlich aufgrund zwei fehlender Buchstaben auf dem Rezept knallhart abgestraft: „Wir bekamen eine Nullretax auf ein solches Rezept wegen der fehlenden Dosierangabe seitens der Praxis. Die Begründung lautet: ‚Nicht korrekt beliefert‘. Wir kochen vor Wut“, ärgert sich der Inhaber. „Schließlich war die Herstellung aufwändig und schon allein nicht kostendeckend. Zudem sind solche Zäpfchen und der Saft nicht verschreibungspflichtig, und bei der Abgabe geben wir selbstständig Hinweise zur Anwendung und Dosierung, das ist unser Job.“

Für den Apotheker ist dieses Vorgehen ganz klar eine knallende Ohrfeige: „Diese Abzocke nach hohem Einsatz zugunsten der Patienten ist so niederträchtig. Kein Wort dazu vom Bundesgesundheitsministerium (BMG) und seinem erratischen Minister. Einfach nur die Information zur Nullretax.“ Nach all dem enttäuschenden Verhalten der Retaxstelle, die offensichtlich regelrecht auf der Suche nach solchen Formfehlern sei, steht für Krombholz fest: „Das ist natürlich mehr als schäbig, da wir unserem Versorgungsauftrag nachgekommen sind, einen hohen Aufwand betrieben und jetzt den Schaden haben.“

Etliche Zäpfchen

„Seit vergangenem November, bis zum Ende des Lieferengpasses, haben wir insgesamt 41-mal Zäpfchen gegossen. Pro Gussvorgang kommt eine Form mit 50 Stück zum Einsatz, das ist nicht gerade wenig. Auch der Paracetamolsaft für Kinder war äußerst begehrt. Diese Rezeptur haben wir insgesamt 69-mal angefertigt, aber der Bedarf war aufgrund der Kinderarztpraxis in der Nähe definitiv da“, so der Apotheker.

Wie viele andere Apotheken standen auch die Mitarbeiter:innen der Adler Apotheke während der Infektionswelle ständig unter Strom: „Es gab ja auch krankheitsbedingte Ausfälle von Mitarbeitern, und es kam sicher vor, dass das eine oder andere Fehlen von DJ bei der Rezeptkontrolle übersehen wurde. Seitens der Krankenkassen jetzt eine Retaxwelle einzuleiten, ist mehr als ein Schlag ins Gesicht.“

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