Kommentar

„Jens Spahn setzt auf das Format Volksempfänger“

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Thomas Bellartz, Herausgeber von APOTHEKE ADHOC, kritisiert den Deal von Gesundheitsminister Jens Spahn mit Google.Foto: Marcus Golejewski
Berlin -

Google priorisiert amtliche Informationen rund um das Thema Gesundheit – Jens Spahn kooperiert dazu mit Google. Warum das ein Angriff auf die Pressefreiheit ist, die man dem Gesundheitsminister nicht durchgehen lassen sollte, kommentiert Thomas Bellartz, Herausgeber von APOTHEKE ADHOC.

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Falls Sie sich fragen, ob es noch andere schlechte Nachrichten bei Gesundheitsthemen gibt, jenseits der Corona-Pandemie: Ja, es gibt sie, die anderen, sehr schlechten Nachrichten.

Gesundheitsminister Jens Spahn macht gemeinsame Sache mit Google.

Das Ministerium, das mit Steuermitteln die Staatsfreiheit der Medien mit Füßen tritt und einen eigenen Gesundheitskanal aufgebaut hat, platziert diesen nun mit Hilfe des Quasi-Monopolisten Google an Platz 1 der Suche. Und damit vorbei an allen anderen unabhängigen Gesundheitsinformationen.

Faktisch gilt: Die Einordnung des Gesundheitsministeriums ist nunmehr das Maß der Dinge.

Wenn der Gesundheitsminister behauptet, das wären nun unabhängige Informationen, dann ist das genaue Gegenteil der Fall. Der Politiker Jens Spahn kanalisiert Informationen, die in die politische Welt von Jens Spahn passen. Kontrolle: Fehlanzeige.

Jens Spahn untergräbt die Staatsfreiheit der Medien, legt Feuer an die freiheitliche Grundordnung insbesondere mit Blick auf die Presse- und Meinungsfreiheit und strebt nach der politisch motivierten Deutungshoheit bei Gesundheitsthemen.

Jens Spahn setzt auf das Format Volksempfänger. Er will die Kontrolle ausüben über Gesundheitsinformationen, weil er glaubt, der Staat könne es besser. Oder welche Gründe er auch immer vorgibt. Nur: Der Job der Medien ist es, die Mächtigen und die Institutionen zu kontrollieren, ihre Gesetze zu prüfen und ihre Absichten zu hinterfragen. Das Ministerium arbeitet daran, sich dieser Kontrolle zu entziehen.

Kaum vorstellbar, wenn alle Staatsorgane, alle Ministerien, im Bund, den Bundesländern, in Kommunen – allesamt aus Steuerquellen finanzierte Institutionen – nun Deals mit Google abschließen. Man stelle sich nur vor, beim Thema Maut würde sich ausgerechnet Verkehrsminister Andreas Scheuer den ersten Platz bei Google sichern – mit seinen eigenen Wahrheiten.

Die Behauptung von Spahn und seinem Ministerium, es gebe ein übergeordnetes Staatsinteresse bei der Verbreitung von Gesundheitsinformationen, ist letztlich eine zutiefst totalitäre Ansicht.

Spahn und dem Ministerium muss entgegengetreten werden.

Wenn das Bundesgesundheitsministerium mit Google ins Bett geht, während Medien andernorts über Datenschutzthemen normiert werden, ist was faul im Staat. Wenn es nun darum geht, was mit den Daten geschieht, die Google sammelt, ist das Spahn nun vollkommen egal. Denn er vertraut Google.

Das Abstruse ist, dass Jens Spahn Steuermittel als Kapital einsetzt, um sich im Wettbewerb mit anderen Medien den ersten Platz zu sichern. Nur: Es ist kein Wettbewerb. Denn Jens Spahn nutzt seine Macht und glaubt sich auf Augenhöhe mit dem Quasi-Monopolisten Google.

Das zeigt aber auch: Es geht nicht um den Patienten, nicht um den Kranken, nicht um Gesundheitsversorgung und auch nicht um wahrhaftige Informationen: es geht um Macht. Jens Spahn nutzt sein Ministeramt, um das Markt- und faktische Machtmonopol von Google zu stärken. Und sich selbst.

Der Gesundheitsminister giert nach Macht, das zeigen die Versuche, seine Machtbefugnisse im Zuge der Corona-Pandemie zu erweitern.

Jens Spahn bedient sich jetzt dafür der Steuergelder.

Aber da sind kaum Steuern von Google dabei. Denn Google hat in den vergangenen Jahren fast keine Steuern in Deutschland gezahlt. Und das trotz der Milliardengewinne, die auch hierzulande abgeschöpft wurden.

Wie Spahn mit Steuergeldern umgeht, zeigte er beim hemdsärmeligen Bestellen von Masken. Als Minister ermöglichte er einem Freund und Förderer aus der Riege des CDU-Wirtschaftsrates und der Jungen Union ein Millionengeschäft. Keine Ausschreibung, einfach so.

Schlimmer aber: Jens Spahn hat ein gestörtes Verhältnis zu den Medien.

Wer Medien mit strafbewehrten Abmahnungen bedroht, weil er es für seine Privatsache hält, sich eine mehrere Millionen teure Villa zuzulegen, deren Finanzierung ausgerechnet in großen Teilen von einem Finanzinstitut sichergestellt wird, das jahrelang von Spahn beaufsichtigt wurde, der verdeutlicht, dass seine Einstellung zu Transparenz und Medienfreiheit falsch ist.

Einige Medien, insbesondere solche, die gerne mit Jens Spahn flirten und zu den Hofberichterstattern des Ministers zählen, haben sich in den vergangenen Tagen zurückgehalten. Dann wird ruchbar, wie das System Spahn funktioniert.

Geben. Und nehmen.

Wer Spahn in Pressekonferenzen erlebt, kennt einen auf kritische Fragen schnell gereizt reagierenden, unwirschen Politiker. Seine nicht wenigen Fans glauben, er sei eben ein kluger Querdenker, der gegen das Establishment agiert. Spahn ist das Gegenteil. Er sorgt sich um sein eigenes Establishment.

Jetzt gerade zeigt sich, wie Spahn wirklich tickt und was er will.

Wenn es heute bei der Google-Spahn-Kooperation um Indikationen und Krankheiten geht, dann geht es alsbald um die Deutungshoheit zum E-Rezept, zu Versandhandel, zu bestimmten Präparaten und Innovationen und und und. Dann sichert sich Spahn dank Google vor allem eines: Die Macht bei der Gestaltung von Meinungs-Mehrheiten.

Und seien wir sicher: Die Beschneidung von Medien und der Medienfreiheit ist immer ein erstes düsteres Signal für das, was danach kommt. Im nächsten Schritt sind die Freiheit von Forschung, Wissenschaft und Lehre in Gefahr, die Freiheit von Berufsausübung und und und.

Weil die Menschen in diesem Land mit Corona und den täglichen Folgen befasst sind, muss es deshalb erst recht eine ausdauernd scharfe Antwort auf Spahn und das Bundesgesundheitsministerium geben. Auch wenn Spahn dabei erneut Steuermittel einsetzen wird, um auch juristisch eine falsche Position zu verteidigen, die ein zentrales Thema unseres Staatsgefüges angreift.

Niemand, dem die Staatsfreiheit der Medien, niemand, dem eine freie Presse, niemand, dem eine freie und faire Berichterstattung ganz besonders bei Gesundheitsthemen wichtig ist, darf schweigen.

In Gesundheitsthemen – so wie bei allen anderen Themen in einer Demokratie – braucht es Unabhängigkeit und Vielfalt, so wie in den Medien insgesamt. Die Entwicklungen des Internet suggerieren zuweilen eine Freiheit und Vielfalt, die in Wahrheit aber eine Gefahr ist. Und die nun von Spahns Deal erst recht in Frage gestellt wird.

Damit wir uns nicht missverstehen: Auch Medien machen mindestens so viel falsch oder richtig wie Herr Spahn und sein Ministerium. Aber es sind eben die Vielfalt und die Freiheit der Medien, die genau dies ausgleichen.

Lassen wir dem Gesundheitsministerium und seinem Minister Jens Spahn diesen massiven Eingriff in die Meinungs- und Pressefreiheit durchgehen, dann wird es ein Meinungsmonopol geben bei Gesundheitsthemen. Dann ist Schluss mit Diskurs und Debatte, dann bestimmt das Ministerium dank Google & Co. in nicht ferner Zukunft, wo es lang geht.

Das Ministerium kann sich anders entscheiden und muss nicht abwarten, dass Gerichte oder Verfassungsorgane einschreiten.

Manchmal ist es klug, einen Fehler einzugestehen.

Auch wenn das für manchen Politiker eine gänzlich neue Erfahrung sein wird.

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