Nationales Gesundheitsportal

Verleger: Spahn verletzt die Pressefreiheit

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Berlin -

Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) hat sich mit seinem Nationalen Gesundheitsportal und dessen Vermarktung durch Google die deutsche Verlagswirtschaft zum Feind gemacht. Der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ) reagiert mit heftiger Kritik auf die Initiative: Das Portal und seine Bevorzugung durch Google seien ein „einmaliger und neuartiger Angriff auf die Pressefreiheit“, so VDZ-Präsident Dr. Rudolf Thiermann.

Laut VDZ verletzt das Gesundheitsportal des BMG die Mediengrundrechte. Bereits am ersten Tag der Kooperation mit Google fänden sich auf der maßgeblichen ersten Suchergebnisseite bei Stichproben in der Regel fast nur noch Regierungsinformationen zu Gesundheitsfragen. „Die Kooperation des Gesundheitsministeriums mit Google versetzt der freien journalistischen Gesundheitsinformation einen schweren Schlag und ist nicht zu tolerieren“, sagt VDZ-Vizepräsident und Burda-Vorstand Philipp Welte – dessen Verlag als Betrieber von Netdoktor und Mitglied des „Zukunftspakts Apotheke“ selbst direkt von der staatlich gewollten Benachteiligung betroffen ist.

„Das Ministerium setzt sich als staatlicher Sender mit der Unterstützung des Suchmonopols von Google unabhängig von jeder inhaltlichen Qualität vor die journalistischen Angebote der freien Presse“, so Welte. Das Ministerium deklassiere damit die freien marktwirtschaftlich organisierten Gesundheitsportale und setze alle Mechanismen der freien Information und damit der freien Meinungsbildung in unserer Demokratie außer Kraft.

„Schon dass ein Bundesministerium überhaupt ein eigenes Fachmedium mit vollwertiger redaktioneller Berichterstattung über Gesundheitsfragen betreibt, ist mit der Staatsfreiheit der Medien nicht vereinbar und ein unannehmbarer Eingriff in den freien Pressemarkt, der sich nach wirtschaftlichen Grundsätzen finanzieren muss“, erklärt VDZ-präsident Thiemann, hauptberuflich geschäftsführender Gesellschafter der Liborius-Verlagsgruppe. „Nun aber lässt das Bundesgesundheitsministerium seine Gesundheitsberichterstattung auch noch durch das Quasi-Suchmonopol an allen Verlagsangeboten vorbei privilegiert verbreiten. Eine solche Verdrängung der privaten Presse durch ein staatliches Medienangebot auf einer digitalen Megaplattform ist ein einmaliger und neuartiger Angriff auf die Pressefreiheit.“

Nicht hinzunehmen sei auch die vom BMG implizit verbreitete Behauptung, die digitale Gesundheitsberichterstattung und -information durch die Angebote der Verlage sei weniger verlässlich als die Regierungsinformationen. Faktisch sei sogar das Gegenteil der Fall: Denn während private Angebote seit Jahren durch große Teams von hochqualifizierten Medizinjournalisten aufgebaut werden, sei die Gesundheitsplattform vom BMG erst jüngst ausgeschrieben und innerhalb kurzer Zeit von einer Berliner Agentur mit Inhalten befüllt worden. „Der von Bundesgesundheitsminister Spahn behauptete Qualitätsunterschied besteht nicht, jedenfalls nicht zugunsten des staatlichen Angebots“, so der VDZ.

„Die Corona-Pandemie zeigt, wie wichtig seriöse Gesundheitsinformationen sind. Denn nur wer fundierte Informationen hat, kann sich und andere schützen“, hatte Spahn das Projekt kürzlich beworben. „Mit dem Nationalen Gesundheitsportal wollen wir Bürgerinnen und Bürger auch jenseits von Corona zu Fragen rund um ihre Gesundheit informieren. Dabei hilft die Zusammenarbeit mit Google.“ Denn wer im Internet nach Gesundheitsthemen sucht, finde künftig noch leichter zum Nationalen Gesundheitsportal – und zwar leichter als zu anderen, privaten Informationsangeboten.

Der VDZ verweist darauf, dass das Grundgesetz der Bundesregierung untersagt, Zeitungen, Zeitschriften, Rundfunksender oder entsprechende digitale Medien zu betreiben, zu besitzen oder zu kontrollieren. Zulässig sei allein die Öffentlichkeitsinformation über Regierungshandeln, keinesfalls aber eine vollwertige redaktionelle Berichterstattung, wie sie das vom BMG herausgegebene und verantwortete Portal mit einer aus Fachredakteuren und freiberuflichen Autoren bestehenden Redaktion herausgibt.

In freiheitlichen Demokratien müssten quasimonopolistische Medienintermediäre auf die diskriminierungsfreie Verbreitung aller Publikationen verpflichtet werden, fordert der VDZ. Tatsächlich werde eine solche Verpflichtung derzeit in Brüssel mit dem Digital Market Act geplant und von der Bundesregierung unterstützt: „Demgegenüber würde eine Bevorzugung bestimmter Publikationen die willkürliche Entscheidung des Monopolisten über die publizistischen und ökonomischen Überlebenschancen freier Presse bedeuten“, so der VDZ.

Noch schlimmer als die willkürliche Bevorzugung bestimmter privater Medien in Ranking und Darstellung sei jedoch die Bevorzugung staatlicher Publikationen durch einen Monopolisten, nämlich Google. „Die Privilegierung des ministerialen Gesundheitsmediums ist nicht nur mit dieser künftigen Regulierung unvereinbar, sondern verstößt auch gegen das für die marktbeherrschende Suchmaschine Google geltende Verbot des Medienstaatsvertrages, digitale Medien bei der Vermittlung systematisch zu diskriminieren“, so der VDZ.

 

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