Apotheken unter Druck gesetzt

„IKK treibt minderwertige Versorgung voran“

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Berlin -

Ab dem 1. Juli haben rund drei Millionen Versicherte der IKK classic in puncto Hilfsmittelversorgung im Prinzip nur noch drei Möglichkeiten: neuen Versorger suchen, aus eigener Tasche zahlen oder eine minderwertige Versorgung akzeptieren. Vor-Ort-Apotheke sollen Einzelverträgen zustimmen, die alles andere als attraktiv sind. „Es gibt sogar Produkte in der Liste, die mit einem Minusaufschlag besetzt sind“, ärgert sich Oliver Hildebrand, Inhaber der Familien-Apotheken in Glauchau.

Das Ende des Vertrags zwischen der IKK classic und dem Deutschen Apothekerverband (DAV) sorgt schon jetzt für Chaos, Ärger und große Unsicherheit bei Patienten und den Apotheken gleichermaßen. Ab 1. Juli wird es für viele Versicherte heißen, sich anderweitig nach einem Versorger umzuschauen, Mehrkosten für Hilfsmittel hinzunehmen oder sich mit minderwertigen Produkten auseinandersetzen zu müssen. Denn viele Inhaber:innen weigern sich, den unattraktiven Einzelverträgen der Kasse beizutreten.

Auch die Informationsschreiben, die aktuell direkt an die Versicherten geschickt werden, sorgen für Ärger: „Ich finde es ist eine Frechheit, die Patienten nun aufzufordern, dass sie sich nach Alternativen umschauen sollen“, so Hildebrandt. „Es wird einfach behauptet, dass die Apotheke den Vertrag gekündigt hat oder diesem nicht zustimmt. Das ist schlicht so nicht richtig.“ Die Patienten seien sehr verunsichert. „Immerhin ist die Anzahl der betroffenen Kunden bei uns etwa auf Platz 3, das sind also nicht wenige Menschen“, erklärt er. „Ich muss also demnächst raten, sich an die Kasse zu wenden oder besser gleich zu wechseln.“

DAV wird umgangen

Ebenso ärgere er sich über ein Schreiben der IKK an die Apotheken: „Es wird im Moment an alle Inhaber verschickt und darauf hingewiesen, dass man ja einem Vertrag beitreten könne, der mit dem BVDA geschlossen wurde, sprich dem Bundesverband Deutscher Apotheker“, so Hildebrandt. „Das ist ein winziger Verbund einzelner Apotheken, die eine Alternative zum DAV haben wollten. Dass ein Vertrag mit dem Verband abgeschlossen wurde, bedeutet nicht, dass das ein guter Vertrag ist.“

Zudem befürchtet er: „Wenn es erstmal Schule macht, dass es ausreicht über Einzelverträge die Versorgung mit Hilfsmitteln aufrecht zu erhalten, dann fangen die anderen Kassen auch bald damit an, den DAV zu umgehen.“ Aus seiner Sicht sei es eine „ziemlich linke“ Vorgehensweise.

Dabei sei klar, dass die Kosten in den Apotheken stetig steigen. „Die Einkaufspreise der Produkte erhöhen sich, aber die IKK möchte weniger bezahlen und verkauft das ganze noch als tollen Vertrag“, beklagt Hildebrandt. „Ja, sie sollen für ihre Versicherten eine bezahlbare Leistung anbieten, aber zu den vereinbarten Preisen kann das keine hochwertige Qualität sein. Die Versorgung der Patienten wird sich dadurch stark verschlechtern“, warnt er. Zudem seien die Bewertungen der überregionalen Versorger, die den Patienten als Alternative angeboten würden, sehr schlecht.

Hildebrandt sieht sich in einem gewissen Maße im Zugzwang: „Man überlegt sich doch, ob die Nachbarapotheke vielleicht dem Vertrag beigetreten ist. Dann müsste man es ebenso, um seine Kundschaft nicht zu verlieren und um die Versorgung aufrecht zu erhalten.“

Keine wirtschaftliche Versorgung

Mit den Einzelverträgen knebele man sich nicht nur als Inhaber, auch für die Patienten bedeute das konkret: „Es werden minderwertige Produkte bezahlt, man verdient als Apotheke kaum noch oder zahlt sogar drauf. Die Compliance wird leiden, vor allem bei Hilfsmitteln wie Vernebler oder Trinknahrung.“

Die Apotheke will weiter in allen Fragen für die Patientinnen und Patienten da sein.Foto: Bären-Apotheke

Anhand eines konkreten Beispiels erklärt er: „Für einen elektrischen Vernebler wird die IKK nur noch 89,50 Euro bezahlen. Geräte für diesen Preis sind laut, vernebeln schlechter und werden vor allem von Kindern schlechter akzeptiert. Zudem gehen sie viel früher kaputt. Eine langfristige wirtschaftliche Versorgung geht anders.“

Die Art und Weise, wie die IKK classic als eigentlicher Vertragspartner hier agiere, sei auch äußerst fragwürdig. „Ein Vertrag sollte zwischen Vertragspartnern verhandelt werden, hier scheint es aber keine Verhandlungen zu geben, sondern es werden Preise diktiert und entweder man unterschreibt oder ist halt raus“, so Hildebrandt. „Und dann noch an Patienten zu schreiben, ist an Dreistigkeit kaum zu überbieten.“

Andere Kassen werden nachziehen

Er habe sich bereits auch an die Kasse direkt gewandt. Denn wenn eine größere Anzahl an Apotheken doch dem Vertrag beitrete – nicht weil der toll sei und man etwa daran verdiene, sondern weil man die Patienten versorgen wolle, die an erster Stelle stünden – dann könne sich die IKK classic sich am Ende auch noch dafür feiern. „Und als Folge dessen werden andere Kassen das gleiche tun, sie kündigen die Kollektivverträge und setzen den einzelnen Apotheken die Pistole auf die Brust:Du willst weiter versorgen? Dann unterschreibe hier!

Aus diesen Gründen werde er dem Vertrag nicht beitreten. „Ich werde jedem Patienten genau diese Infos weitergeben“, so Hildebrandt. „Ich hoffe sehr, dass dieser Schritt bei der Politik ankommt und nun endlich die unsägliche Macht der Krankenkassen gebrochen wird.“ Mehr noch: „Vielleicht wird es ja dann Einsparungen in der GKV-Verwaltung geben, die mittlerweile mehr kostet als die Versorgung durch Leistungserbringer.“

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