Inhaber scheitert mit Klage

Defektur im Gammelkeller: Betriebserlaubnis weg

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Berlin -

Die St.Martins-Apotheke im bayerischen Jettingen-Scheppach bleibt geschlossen. Inhaber Dr. Michael Lyhs ist mit seinem Widerspruch gegen die Entscheidung des Landratsamts Günzburg gescheitert. Das Verwaltungsgericht Augsburg hat bereits zum zweiten Mal bestätigt, dass es Lyhs nicht befähigt sieht, eine Apotheke zu führen: Nach seinem Eilantrag wurde nun auch im Hauptsacheverfahren der Entzug seiner Betriebserlaubnis bestätigt. Nun wartet noch ein Strafrechtsprozess auf ihn.

Dass Lyhs unter hygienisch unhaltbaren Zuständen Arzneimittel hergestellt hat, wollten anscheinend selbst seine Anwälte nicht infrage stellen: Vor Gericht hatten sie eingeräumt, dass sie die Vorgehensweise des Landratsamts objektiv nachvollziehen können, erklärt Oliver Preußner, Fachbereichsleiter Öffentliche Sicherheit und Ordnung des Landratsamt Günzburg. Den Widerspruch gegen den Entzug der Betriebserlaubnis haben sie demnach aber nach damit begründet, dass eine Aussetzung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung notwendig sei, weil er sich parallel noch in einem Strafverfahren verantworten muss. Eine solche Vorentscheidung könnte ihn demnach in dem Strafrechtsverfahren vorbelasten. Vereinfacht gesagt: Es ist schwer, sich gegen die Vorwürfe zu verteidigen, wenn das Landratsamt mit dem Entzug der Betriebserlaubnis bereits Tatsachen geschaffen hat.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen den ehemaligen Inhaber wegen Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetz, weil er als Nahrungsergänzungsmittel deklarierte Produkte vertrieben haben soll, die verschreibungspflichtige Substanzen enthielten. Konkret handelte es sich um Procain und Roten Reisschalenextrakt. Lyhs hatte Präparate verkauft, die beides enthielten. Laut Polizei hat er damit nicht als solche deklarierte Defekturarzneimittel hergestellt und sowohl über seine Apotheke, deren Filiale, die von seiner Frau geführten Rathaus-Apotheke im selben Ort und die von seinem Schwager betriebene Stauden-Apotheke in Langenneufnach vertrieben. Auch über den Online-Shop seiner Apotheke habe er die Produkte verkauft.

Die Richter des Verwaltungsgerichts konnten Lyhs‘ Anwälte mit dem Verweis auf den Strafprozess nicht überzeugen. Nach anderthalb Stunden Verhandlung bestätigten sie die Entscheidung des Landratsamts in Abwesenheit von Lyhs, der nur seine Anwälte geschickt hatte. Erfreut zeigt sich das Landratsamt über den Sieg dennoch nicht. „Es ist insgesamt eine Sache, die wir uns auch nicht wünschen, Fälle so entscheiden zu müssen. Im Moment der Entscheidung war jedem bewusst, dass das sehr schwerwiegende Auswirkungen hat“, sagt Preußner. „Wenn man dann aber bestätigt bekommt, dass man die notwendige Sorgfalt hat walten lassen, ist das gut. Erfreulich wird die Sache dadurch trotzdem nicht.“

Das Landratsamt hatte Lyhs im Oktober vergangenen Jahres die Betriebserlaubnis entzogen. Der Apotheker versuchte, das mit einem Eilantrag rückgängig zu machen, scheiterte damit aber im November. Vor dem Hintergrund der persönlichen Unzuverlässigkeit werde der Entzug der Betriebserlaubnis aller Voraussicht nach rechtmäßig sein, so das Gericht damals: Aufgrund „hygienisch untragbarer Zustände“ gehe vom weiteren Betrieb der Apotheke eine Gefahr für die Gesundheit ihrer Kunden aus.

Der Vorwurf gravierender Hygienemängel bezieht sich dabei allerdings nicht einmal auf die Apotheke selbst. Denn im Juli hatte die Kriminalpolizeiinspektion Neu-Ulm gemeinsam mit dem Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) nicht nur den Betrieb durchsucht, sondern auch das Privathaus von Lyhs. Die Nahrungsergänzungsmittel hatte er offensichtlich in dessen Keller hergestellt – „obwohl er dies bis zuletzt bestritt“, wie das Gericht anmerkte. Schon die Herstellung im heimischen Keller ist ein Verstoß gegen die gesetzlichen Vorschriften. Doch noch schwerer wogen die Umstände, unter denen er produzierte: Das Gericht sprach von Staub, Schmutz, einer klebrigen Masse auf dem Fußboden und beißendem Geruch. Bei der Durchsuchung seien unter anderem eine Kapselfüllmaschine, ein Kompressor, eine Waage, ein Stößel, ein Sieb, Dunstabzüge sowie Gelatine-Leerkapseln und Ausgangs- und Rohstoffe in großem Umfang vorgefunden worden. Außerdem lagen einzelne Kapseln auf dem Boden verstreut, andere auf einer Werkbank. Selbst hergestellte und mit aktuellem Datum etikettierte Arzneimittel wurden ebenfalls sichergestellt.

Anfang September standen dann Beamte des Landratsamts vor der Offizin und erklärten ihm, sie müssten im Schaufenster einen Aushang befestigen und die Räumlichkeiten der Apotheke in Augenschein nehmen. Das Landratsamt, so der Aushang, warne „aus Gründen des vorbeugenden Verbraucherschutzes eindringlich vor der Einnahme folgender Defekturarzneimittel: Procain und Roter Reisschalenextrakt“. Zusätzlich veröffentlichte die Behörde eine „Warnung vor selbst hergestellten Produkten aus der St. Martins-Apotheke“, in der es hieß, „aufgrund der im Rahmen einer Überprüfung der Herstellungsbedingungen vorgefundenen Umstände“ sei auch bei anderen in der Apotheke hergestellten Arzneimitteln „nicht gewährleistet, dass diese nicht bedenklich oder in ihrer Qualität nicht unerheblich gemindert“ seien. „Vorsorglich sollte deshalb auch von der Einnahme anderer, in den drei Apotheken selbst hergestellten und abgegebenen (Defektur-)Arzneimitteln abgesehen werden.“

 

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