Gammelkeller und falscher Doktortitel

Geld- und Bewährungsstrafen: Apotheker machen Deal vor Gericht

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Berlin -

Vier Bände Anklage und 42 Sonderbände mit jeweils 200 Seiten: So viel Beweismaterial hatte die Staatsanwaltschaft Memmingen gegen den Apothekeninhaber Michael L. aus Schwaben, seine Ehefrau und seinen Schwager zusammengetragen und sich auf einen langen Prozess eingestellt. Am Mittwoch ging er vor dem Amtsgericht Günzburg los – und war am selben Tag schon beendet. Denn die drei haben einen Deal mit der Justiz geschlossen.

Die Länge der Anklage steht durchaus im Verhältnis zu den vielen wortwörtlich schmutzigen Details des Falles: L. hatte unter hygienisch unhaltbaren Zuständen als Nahrungsergänzungsmittel deklarierte Arzneimittel hergestellt, die verschreibungspflichtige Wirkstoffe enthielten. Konkret handelte es sich um Procain und Roten Reisschalenextrakt. L. hatte Präparate verkauft, die beides enthielten. Laut Polizei hat er damit nicht als solche deklarierte Defekturarzneimittel hergestellt und sowohl über seine Apotheke, deren Filiale, die von seiner Frau geführten Apotheke im selben Ort und die von seinem Schwager betriebene Apotheke vertrieben. Auch über den Online-Shop seiner Apotheke habe L. die Produkte verkauft.

Eine Durchsuchung von Apotheke und Haus brachte dabei nach Polizeiangaben haarsträubende Zustände ans Licht: In geheimen Kellerräumen unter seinem Privathaus soll er unter hygienisch katastrophalen Bedingungen zwischen alter Munition und Betäubungsmitteln die Präparate hergestellt haben, die noch dazu zum Teil massiv falsch dosiert waren. Es folgten erst die Verpflichtung zu einem Aushang im Schaufenster, in dem die Aufischtsbehörde vor der Apotheke warnte, dann die Schließung von L.s Apotheke und letztlich der Entzug seiner Betriebserlaubnis. Im Rahmen der Ermittlungen gegen die drei kam dann noch der Vorwurf hinzu, dass die Promotionsurkunden von L. und seiner Ehefrau gefälscht seien.

Und die Vorwürfe trafen zu. Das räumten die drei am ersten Prozesstag im Rahmen eines Rechtsgesprächs ein. Direkt nach Prozesseröffnung zogen sich Rechtsanwälte, Staatsanwaltschaft und Gericht einem Bericht der Augsburger Allgemeinen zufolge für zwei Stunden zurück und schlossen einen Deal: Im Tausch gegen Geständnisse ließen sie sich auf ein Strafmaß für die drei Angeklagten ein, um einen monatelangen Prozess samt umfangreicher Beweisaufnahme zu verhindern.

Apotheker L. räumte demnach ein, 2018 im Keller seines Wohnhauses Arzneimittel hergestellt und als Nahrungsergänzungsmittel im Gesamtwert von 13.500 Euro in seiner Apotheke verkauft zu haben. Auch L.s Schwager hatte demnach falsch deklarierte Arzneimittel hergestellt, allerdings unter „professionelleren Bedingungen“, wie die Augsburger Allgemeine eine Ermittlerin zitiert. Fallengelassen wurde hingegen der Vorwurf gegen die Ehefrau, gegen das Arzneimittelgesetz verstoßen zu haben. Dafür räumten L. und Ehefrau ein, dass ihre Doktortitel, die auch im Handelsregister eingetragen waren, gefälscht sind.

Letzlich kamen alle drei mit Geld- und Bewährungsstrafen davon: Apotheker Michael L. erhielt ein Jahr, muss einen Wertersatz in Höhe der 13.500 eingenommenen Euro zahlen und 150 Sozialstunden leisten. Seine Frau muss insgesamt 18.000 Euro zahlen und L.s Schwager erhielt neun Monate auf Bewährung. Er muss außerdem 8000 Euro Wertersatz zahlen und erhielt eine Geldauflage von 7000 Euro. Die vorsitzende Richterin sprach bei der Urteilsverkündung von Selbstüberschätzung der Angeklagten: Aus finanziellen Interessen hätten sie die Vorschriften des Arzneimittelrechts missachtet. „Sie haben die Bodenhaftung verloren. Jetzt stehen Sie vor den Scherben Ihrer Existenz“, wird sie zitiert. Tatsächlich hat L. nicht nur vor bereits einem knappen Jahr seine Apotheke verloren, sein Anwalt beklagte vor Gericht auch die „öffentliche Vernichtung“ seines Mandanten. Demnach hatte er bereits eine neue Anstellung gefunden, die aber wieder verloren, nachdem bekannt wurde, dass Anklage gegen ihn erhoben wird. Seitdem sei er arbeitslos. Ob er nach dem Urteil nun auch seine Approbation verliert, müsse die Landesapothekerkammer noch entscheiden.

Das schnelle Ende des lang vorbereiteten Prozesses und der Verzicht einer Beweisaufnahme lassen allerdings auch einige Fragen offen: Sie bedaure zwar, dass sie sich zu den Taten habe hinreißen lassen, erklärte L.s Ehefrau über ihren Verteidiger. Allerdings sei die Initiative dazu von dritter Seite gekommen. Von wem und warum sie sich angeblich dazu hinreißen ließen, wird aber wohl ihr Geheimnis bleiben.

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