ApoRetrO – der satirische Wochenrückblick

E-Rezept-Testperson festgelegt

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Berlin -

Nur noch wenige Monate, dann wird Deutschland das elektronische Rezept einführen – auf einem achtbaren vorletzten Platz vor dem Auenland. Gründlichkeit geht vor, deshalb wird ausgiebig getestet. Erst war von einer Modellregion die Rede, doch jetzt zeichnet sich ab, dass zunächst nur eine Testperson an das System der Gematik angeschlossen werden soll: die Berliner Rentnerin Erna Ballerstädt wird die erste und vorerst einzige E-Rezept-Nutzerin.

Die Startlöcher, in denen das E-Rezept schon so viele Jahre steht, scheinen sehr tief zu sein. Ulla Schmidt (SPD), die Vorvorvorvorgängerin von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), plante es in den Anfängen dieses Jahrtausends – damals sagte man noch Paradigmenwechsel statt Gamechanger – ließ ihre Pläne jedoch in ihrem in Spanien abhanden gekommenen Dienstwagen liegen. Ihr Nachfolger Philipp Rösler (FDP) wurde zur Rettung seiner Partei nach oben weggelobt, war aber als Parteichef genauso erfolgreich, weshalb der im BMG auf ihn folgende Daniel Bahr aus Termingründen keine E-Ambitionen mehr entfalten konnte. Hermann Gröhe (CDU) hat sich dann in seiner Kabinettslegislatur nur um sein Kernprojekt gekümmert und den Versand mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln verboten (fast). Darauf hatte Jens Spahn aus niederländischen, pardon, naheliegenden Gründen keine Lust, weshalb er den Digitalfaden wieder aufnahm.

Und da stehen wir im Jahr 2021 und ab Juli soll es das E-Rezept geben. Aber nicht, wie alle dachten, bundesweit, sondern in einem überschaubaren Testszenario. Kurz war der Gedanke im Spiel, Berlin-Brandenburg als Testregion zu nehmen. Doch als Gematik-Chef Dr. Markus Leyck-Dieken den Projektnahmen „eBER“ zum ersten Mal auf ein digitales Whiteboard schrieb, erschien der Geist von Willy Brandt und weinte und riet dringend davon ab. Die Pläne wurden planiert.

Jetzt soll nur mit einer Person getestet werden. Bei der Gematik wurde die „typische Patientin“ ermittelt. Die Wahl fiel auf Erna Ballerstädt aus Berlin-Wilmersdorf. Sie darf die App installieren und bekommt ihre Arzneimittel ab Juli ausschließlich digital verordnet. Weil man Frau Ballerstädt in ihrer freien Arzt- und Apothekenwahl keinesfalls beschränken wollte, müssen alle Praxen und Apotheken bundesweit in der Lage sein, die digitale Verordnung auszustellen beziehungsweise zu beliefern. Wenn auf diese Weise 1000 E-Rezepte erfolgreich abgewickelt wurden, zündet die nächste Projektstufe. Dann darf Frau Ballerstädt bis zu zwölf Personen aus ihrem Familien- und Freundeskreis benennen, die ebenfalls für das Projekt freigeschaltet werden. „Dann sind wir bereit für die Volllast“, heißt es bei den Verantwortlichen.

Überraschend wäre es fast nicht mehr, wenn so etwas tatsächlich passieren würde. Denn überraschend war es durchaus, als unter der Woche bekannt wurde, dass das E-Rezept ab Juli nicht bundesweit getestet wird, sondern nur in Berlin und Brandenburg. Gematik-Chef Leyck-Dieken betont im Video-Interview mit APOTHEKE ADHOC, dass das allen Beteiligten klar gewesen sei. In dem Fall hätten sie ihre Überraschung gut gespielt, inklusive der nervösen Aktienkurse börsennotierter Versender, die das E-Rezept verzweifelt herbeisehnen.

Bei DocMorris wurde jetzt zumindest eine personelle Lücke geschlossen. Der neue Max Müller in Heerlen heißt Dr. Ulrich Thomé. Der frühere Vorstand des ARZ Haan ist ab heute Chief Strategy Officer bei Zur Rose Deutschland. Die Versender kommen zwar etwas besser durch die Corona-Krise, doch vom Einbruch in bestimmten OTC-Segmenten ist die gesamte Branche betroffen. Zahlen von Insight Health (Offizin) und DatamedIQ (Versandhandel) sind geradezu alarmierend – vor allem für die Apotheke vor Ort. Wird 2021 noch schlimmer als 2020?

In der Offizin sind E-Rezept und Umsatzrückgang natürlich auch Thema, beherrschend ist aber aktuell die Impfstoffbeschaffung und -verteilung. Mal gibt es Kürzungen bei Biontech, dann laufen die Bestellungen ins Leere. Jetzt gibt es eine neue Bund-PZN (und weniger Zubehör) und damit steht auch fest, wie die Zweitimpfung korrekt bestellt wird. Das kann man leider von der Abrechnung noch immer nicht sagen: Ist die Großhandelsvergütung nun ein durchlaufender Posten oder ein Entgelt?

Was das Honorar der Apotheker betrifft, hat die Abda noch zwei Wochen Zeit, Argumente für einen Zuschlag zu liefern. Denn 6,58 Euro sind gemessen an dem Aufwand nicht gerade üppig, zumal auch der Botendienstzuschlag nicht kassiert werden darf, wie die Abda jetzt einräumt. Kleiner Spoiler: Laut aposcope-Blitzumfrage sind im Durchschnitt 2,75 Mitarbeiter:innen mit dem Thema beschäftigt, pro Woche werden demnach durchschnittlich knapp 4,2 Stunden investiert.

Für Praxen und Apotheken bleibt die Impfkampagne eine großen Herausforderung im Alltag. Die Ärzt:innen haben ihre Favoriten bei der Bestellung, aber zuweilen findet auch in den Praxen ein Umdenken bei AstraZeneca statt. Und die Apotheke müssen sogar aufpassen, dass sie nicht einen Tag zu früh bestellen. Großhändler Phoenix hat mit Pannen zu kämpfen. Mitbewerber AEP darf jetzt immerhin auch mitspielen.

Und die Apotheken? Fast-Kanzlerkandidat Markus Söder (CSU) kann sich vorstellen, dass auch in der Offizin gegen Corona geimpft wird. Schon länger davon überzeugt ist Sebastian Ehlers (CDU) aus Mecklenburg-Vorpommern, der sich über die prominente Unterstützung freut. Ja selbst die Abda zeigt sich vorsichtig bereit – sollten die Ärzte irgendwann nicht mehr klarkommen mit dem Impfstoffmengen.

Zu viel Impfstoff ist aktuell beileibe kein Problem, aber für AstraZeneca wurde jetzt erstmals die Bestellmenge freigegeben und Minister Spahn hat eine neue Produktionsstätte für das Vakzin von Biontech eröffnet. Der Hersteller hat jetzt außerdem beantragt, dass Comirnaty auch für Kinder ab 12 Jahren zugelassen wird.

Seit Ewigkeiten etabliert ist Paracetamol. Doch Ratiopharm legt den Schmerzmittel-Klassiker neu auf: Die Kombination mit Algin soll für eine schnellere Aufnahme sorgen. Und zum Abschluss noch ein Fleißkärtchen: 330 Millionen FFP2-Masken haben sie von Januar bis März abgegeben – die ungezählten vor Weihnachten und die noch nicht gezählten aus dem April nicht mitgerechnet. Und die Regierung ist sogar viel billiger weggekommen als erwartet. Deswegen dürfen wir heute alle mal freimachen. Schönen 1. Mai!

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