Ab dem 2. Dezember dürfen Apotheken keine „sonstigen Produkte zur Wundbehandlung“ zulasten der Kasse liefern und abrechnen. Damit entsteht eine Versorgungslücke, die über Monate andauern kann. Die Leidtragenden sind die Patient:innen, denn die müssen auf Behandlungsoptionen der zweiten Wahl umgestellt werden. Djawed Jacobi, Inhaber der Löwenapotheke in Lemförde, hofft bis zur letzten Sekunde, dass noch eine Lösung gefunden wird. Dabei ist die Aussicht auf Erfolg mehr als gering.
Für die sonstigen Produkte zur Wundbehandlung gilt seit Dezember 2020 die neue Arzneimittel-Richtlinie (AM-RL) des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA). Die Produkte besitzen durch einen oder mehrere Bestandteile einen pharmakologischen, immunologischen oder metabolischen Effekt und können einen aktiven Einfluss auf die Wundheilung nehmen.
Betroffen sind unter anderem metallbeschichtete, teilweise silberhaltige und antimikrobielle Wundauflagen, aber auch halbfeste bis flüssige Zubereitungen, beispielsweise Hydrogele, Lösungen oder Emulsionen. Für die Produkte muss bis zum 2. Dezember der Nutzen nachgewiesen werden. Doch wie der Beleg der Wirksamkeit in Studien erbracht werden soll, war viel zu lange unklar.
Eigentlich galt eine Übergangsfrist von zwölf Monaten, zuerst bis Dezember 2021. Doch diese wurde auf 36 Monate verlängert. Es folgte eine weitere Verlängerung auf 48 Monate – und die ist nur noch bis 2. Dezember gültig. Das bedeutet: Die sonstigen Produkte zur Wundbehandlung sind ab dem 2. Dezember ohne Aufnahme in die Anlage V der AM-RL nicht mehr verordnungsfähig. Betroffen von der neuen Regelung sind nach einer Schätzung des Bundesverbandes Medizintechnologie (BVMed) rund 400 Produkte.
Die Übergangsfrist sollte den Herstellern ausreichend Zeit einräumen, um die entsprechenden Studien durchzuführen und vorzulegen. Doch der G-BA habe es versäumt, die genauen Kriterien festzulegen. „Die Hersteller wussten gar nicht, wie sie die Studien aufsetzen sollten“, ärgert sich Jacobi, der sich mit seiner Sparte „Medicabs“ auf die Versorgung von chronischen Wunden spezialisiert hat. „Die Studienparameter, die die Wirksamkeit belegen sollen – ist die Wunde weniger infektiös, werden Schmerzen reduziert oder hat sich die Wunde verkleinert – wurden nicht festgelegt.“
Erst vor rund neun Monaten hat ein externer Dienstleister das Studiendesign vorgelegt. Viel zu spät, ärgert sich der Apotheker. Es sei unmöglich für die Hersteller, in der verbleibenden kurzen Zeit Studien aufzusetzen und die geforderten Nutzennachweise zu liefern. Zudem würden die Produkte erst nach einem positiven Bewertungsverfahren von den Kassen erstattet.
„Die Hersteller benötigen mindestens 24 Monate, um die Studien durchzuführen“, gibt Jacobi zu bedenken. „Es hätte zeitlich gepasst, wenn der G-BA die geforderten Studienkriterien rechtzeitig vorgelegt hätte. Inzwischen ist auch die letzte Möglichkeit der Verlängerung verstrichen, denn mit dem Bruch der Ampel kann diese nicht mehr über ein Omnibusgesetz durchgesetzt werden“, so Jacobi. „Der Bundesrat kommt vor dem 2. Dezember nicht mehr zusammen. Also wird es bis zum Stichtag keine Lösung mehr geben und Monate dauern, bis es eine Lösung gibt.“
Dabei hat aus Sicht des Apothekers keine der Parteien ein Interesse daran gehabt, dass der Passus nicht durchgeht: „Es ist fatal, was passiert. Laufende Therapien müssen in Abstimmung mit den Ärztinnen und Ärzten umgestellt werden – zum Teil auf schlechtere Alternativen.“ Die sonstigen Produkte kämen zum Einsatz, wenn nichts mehr gehe, so der Apotheker. Die Wunden befänden sich in der Reinigungsphase. Es könne bis zu zwei Monate dauern, den Infekt in den Griff zu bekommen. „Wie soll ich schwerkranken Menschen sagen, dass sie auf eine Therapie, die zweite Wahl ist, umgestellt werden?“, fragt sich der Apotheker.
Schätzungsweise leiden rund 4,5 Millionen Menschen hierzulande unter chronischen Wunden. „Wir versorgen mit unseren 14 Wundschwestern und Wundpflegern rund 60 Patientinnen und Patienten, die nun umgestellt werden müssen.“
Dass Praxen noch vor Ablauf der Übergangsfrist Verordnungen über mehrere Packungen ausstellen, ist keine Option: „Es droht ein Regress, wenn auf einmal zehn Packungen verordnet werden.“ Hinzu komme, dass viele Praxen gar nicht wüssten, dass die Produkte in wenigen Tagen nicht mehr erstattungsfähig sind. Jacobi leistet seit Wochen mit seinem Team Aufklärungsarbeit.
Auch eine Sondergenehmigung sei keine Lösung. „Mehrere Kassen haben bereits abgewunken, denn die sonstigen Produkte zur Wundversorgung unterliegen keinem Genehmigungsverfahren.“
Apotheken sollten also aufmerksam sein, denn es sei fraglich, ob alle Hersteller bereits zum 1. Dezember den Artikelstamm anpassen lassen und Apotheken eine Information erhalten, dass Produkte zur sonstigen Wundbehandlung nicht mehr erstattungsfähig sind.