ApoRetro – Der satirische Wochenrückblick

Die Terminalapotheken kommen

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Berlin -

Den Apotheken geht es schlecht, die Branche blutet aus. Doch leider konnte Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) mit seiner Idee der Videopharmazie nicht reüssieren. Trotzdem hat die Idee verfangen, und so treibt das Thema bereits seltsame Blüten: An den ungewöhnlichsten Orten können plötzlich E-Rezepte eingelöst werden.

Wenn der Patient nicht zur Apotheke kommt, muss die Apotheke eben zum Patienten kommen. Und zwar in Gestalt von Terminals, an denen man nach Herzenslust durch den Artikelstamm stöbern und Produkte in den Warenkorb legen kann. Auch E-Rezepte lassen sich am neuen Format bequem einlösen.

Alle möglichen frequentierten Standorte werden in Angriff genommen: Im ÖPNV hat der Fahrkartenautomat dank Deutschlandticket ausgedient; in Bussen und Bahnen werden stattdessen Apothekenterminals eingebaut. Inhaberinnen und Inhaber bekommen sogar Gebietsschutz: Sie können sich für die verschiedenen Linien bewerben; in S-Bahnen werden die Flächen waggonweise vergeben. Bei der Bahn ist es etwas teurer, denn die üblichen Verspätungen werden geschäftsfördernd gewertet.

Bei McDonalds wird pro Filiale ein Terminal umprogrammiert: Statt Burger und Pommes kann man hier sein Nasenspray bestellen. Und der Self-Checkout bei Ikea lässt sich überhaupt nur noch abschließen, wenn man mindestens ein Arzneimittel oder Körperpflegeprodukt ordert und seine Medikationsliste auf der Family-Card hinterlegt.

Langeweile kommt auch beim Friseur nicht mehr auf: Während man unter der Trockenhaube sitzt, kann man bequem am Display neben dem Spiegel seine Hausapotheke auffüllen. Für die Elotrans-Generation gibt es im Club ein Terminal gleich hinter dem Türsteher, in der Oper kann man in langweiligen Passagen direkt neben der Bühne seine Rezepte einscannen. Und ganz zielgruppengerecht wurden auch schon in Parkanlagen und selbst auf Friedhöfen die ersten Apothekenterminals gesichtet.

In manchen Supermärkten hat man regelrechte Not, seinen Einkaufswagen hinter der Kassenzone durch den Eingangsbereich zum Parkplatz zu manövrieren: Weil hier erbittert von verschiedenen Betreibern um Kundschaft geworben wurde, helfen Apotheken-Clerks vor Ort bei der Bedienung. Der absolute Clou sind aber die Terminals einer Apotheke, die auf der Rückseite von Bofrost-Autos installiert wurden und durch die Wohngebiete fahren.

Das ist sie also, die schöne neue Apothekenwelt. Überall dort, wo sich keine Offizin mehr lohnt, werden jetzt Terminals aufgestellt. Aktueller Fall ist die Gemeinde Kamp-Bornhofen in Rheinland-Pfalz, wo sich gleich zwei Inhaber das Terrain mittels digitalem Surrogat das Terrain streitig machen. So wertvoll die Lösung für die Menschen vor Ort sein mag: Eine Apotheke ersetzt sie ihnen nicht.

Und es wird wohl nicht mehr lange dauern, bis auch andere Player die neuen Möglichkeiten nutzen, um Bestellungen abzufischen. Wie wäre es, wenn Shop Apotheke einen „Jauchomat“ im Fahrstuhl aufstellt? Schon mit Hüffenhardt hatte DocMorris versucht, sich als Ersatz für die Apotheke vor Ort zu etablieren. Spätestens wenn der erste Ansturm abebbt, wird es nicht mehr lange dauern, bis die Versender tatsächlich mit solchen Behelfslösungen in die typischen Frequenzlagen drängen – sei es der klassische Einzelhandel oder auch die aufgegebene Offizin.

Und auf lange Sicht wird wohl nicht mehr die Frage gestellt werden, wie sich die Apotheke vor Ort retten lässt – sondern wo man sie durch eine preiswerte Alternative ersetzen kann. Wie sagte Lauterbach zuletzt sinngemäß: Lieber ein Imitat als gar keine Apotheke mehr im Dorf.

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