ApoRetro – der satirische Wochenrückblick

Wahlchaos: Lauterbachs Kampf um seinen „Traumjob“

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Berlin -

Friedrich Merz (CDU) stand kurz vor dem Ziel: Jahrzehnte des Wartens, innerparteiliche Kämpfe, bittere Rückschläge – alles schien sich endlich auszuzahlen. Am Dienstag sollte der Höhepunkt seiner politischen Karriere besiegelt werden – doch dann geschah das Undenkbare. Offenbar hatte Karl Lauterbach (SPD) da seine Finger im Spiel ...

„Friedrich Merz hat die erforderliche Anzahl an Stimmen nicht erreicht.“ Die Stimme von Bundestagspräsidentin Julia Klöckner klang so nüchtern, als würde sie das Ergebnis einer Schülerwahl verlesen – dabei war gerade der designierte Kanzler im ersten Wahlgang durchgefallen. Das ist ein Novum in der Geschichte des Bundestags!

Was folgte, war eine stundenlange Sitzungsunterbrechung – offiziell zur „Beratung“. In den Gängen des Bundestags brodelte die Gerüchteküche: Wer hatte Merz das Messer in den Rücken gerammt? Einige flüsterten, es sei die eigene Partei gewesen – enttäuscht über seine plötzliche Abkehr von der Schuldenbremse. Andere sahen den Ursprung des Aufstands bei unzufriedenen SPD-Abgeordneten, die Merz’ Migrationspolitik nicht mittragen wollten. Und böse Zungen wagten sogar, Saskia Esken Rachegelüste zu unterstellen, nachdem sie im Kabinett leer ausgegangen war.

Doch am frühen Nachmittag die Wende: Gegen 14 Uhr traten die Fraktionsvorsitzenden Lars Klingbeil und Jens Spahn mit ernster Miene vor die Presse: Ein zweiter Wahlgang sei vereinbart, ein Antrag dazu bereits von SPD, Union, Grünen und Linken eingebracht.

Der wurde im Plenum angenommen und ein zweiter Wahlgang gebilligt, der nun auch zügig über die Bühne gehen sollte. Auf das übliche namentliche Aufrufen verzichtete man kurzerhand – Tempo war jetzt Staatsräson. Alle Abgeordneten wurden aufgefordert, zur Urne zu schreiten und endlich ihr Kreuz zu machen.

Im zweiten Durchgang lief dann alles wie geschmiert: Merz wurde gewählt. Noch während der Applaus aufbrandete – laut, aber irgendwie pflichtbewusst – raunte es bereits durch die Reihen: „Nur ein Denkzettel.“ Ein kleiner Warnschuss. Alles halb so wild. Doch der eigentliche Paukenschlag kam erst bei der Vorstellung des Kabinetts: Statt der eigentlich gesetzten Nina Warken sitzt da plötzlich Lauterbach auf dem Ministerstuhl – und grinst. Jetzt wurde alles klar.

Er hatte nie einen Hehl daraus gemacht, dass er Gesundheitsminister bleiben wollte. Schon im vergangenen Sommer hatte er in jedem Interview – egal um welches Thema es ging – erklärt, er sei jederzeit für eine weitere Amtszeit bereit. Gesundheitsminister sei sein „Traumjob“ und er wolle alle seine Reformen unbedingt vollendet sehen – und zwar persönlich.

Als das Gesundheitsressort an die CDU gehen sollte, gab sich Lauterbach äußerlich gelassen – nur sein Vertrauter Boris Velter, Leiter der Leitungsabteilung im BMG, wetterte öffentlich gegen die geplante Übergabe und sprach von einem „großen Fehler“. Hinter den Kulissen jedoch spann der SPD-Politiker offenbar ein feines Netz. Er sammelte Unterstützer – und hielt am Ende genug Stimmen in der Hand, um Druck auszuüben.

Wer genau zu seinen Mitverschwörern gehörte, bleibt Spekulation. Möglicherweise war auch der SPD-Gesundheitspolitiker Matthias Mieves Teil des Kreises – für ihn ist Lauterbach eine Art Mentor, wie er selbst betont, und zwar „politisch, fachlich und menschlich“.

Merz, ohnehin knapp bei Mehrheit, musste schlucken: Entweder Lauterbach wird Gesundheitsminister – oder Merz wird gar nichts. Er musste sich also aus der Not heraus mit einem Posten revanchieren, Lauterbach also vorerst Minister bleiben – und zwar so lange, bis Pflegereform, Notfallreform, Gesundes-Herz-Gesetz und Apothekenreform nach seinem Willen umgesetzt sind.

Wer im ersten Durchgang gegen Merz gestimmt hat, werden wir wohl nie erfahren. Nach einem Tag, der die Spannungen innerhalb der Koalition offenlegte, meldete sich unter anderem Mieves zu Wort: Er postete ein Video, in dem er erklärte, er habe zwar in beiden Wahlgängen für Merz gestimmt, aber auch ausführlich darlegte, warum ihm das Bauchschmerzen bereitet habe.

„Denn es gibt viele Gründe, warum ich tatsächlich keinen Bock habe, dass er unser Kanzler ist. Und trotzdem habe ich ihm meine Stimme gegeben“, leitet er das Video ein. Er kritisierte, Merz sei vor der Wahl nicht ehrlich gewesen – insbesondere in Bezug auf die Schuldenpolitik, die Schuldenbremse, das Sondervermögen sowie seinen Umgang mit der AfD. Wenn das mal keine Einigkeit demonstriert!

Änderungen im Kabinett als direkte Reaktion gab dann jedoch nicht: Lauterbach hat mit einem Tag Verspätung am Mittwoch seinen Traumjob an Nina Warken (CDU) übergeben. „Die Umsetzung des Koalitionsvertrags wird mein Schwerpunkt sein“, erklärte Warken nach der Amtsübernahme.

Der Ex-Gesundheitsminister wünschte seiner Nachfolgerin nicht nur viel Erfolg, er sicherte ihr auch Unterstützung zu. Im neuen Gesundheitsausschuss werde der Ex-Gesundheitsminister allerdings nicht vertreten sein – das hatte er bereits am Montag in einem Interview mit dem Nachrichtenportal Politico angekündigt. Er werde aber weiterhin gesundheitspolitische Themen verfolgen und sich dazu äußern, erklärte er. „Es gibt immer etwas zu kommentieren, es gibt immer etwas zu kommunizieren.“

Na, immerhin – auch wenn Lauterbach nun nicht mehr Minister ist und nicht im Gesundheitsausschuss mitmischen wird, können wir uns doch sicher auf jede Menge Talkshow-Auftritte und Tweets zu sämtlichen gesundheitspolitischen Themen freuen, die die neue Regierung anpackt.

In diesem Sinne: Ein schönes Wochenende!

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