„Ich erwarte eine lückenlose Aufklärung“

Polizeigewalt: Landtagsvize besucht Apotheker

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Berlin -

Der Fall mutmaßlicher Polizeigewalt, deren Opfer der Kelsterbacher Apotheker Dr. Okan Osman-Oglou wurde, ist längst noch nicht vom Tisch. Die rechtliche Auseinandersetzung geht weiter, mittlerweile hatte sich die Landespolitik eingemischt. Am Montagnachmittag hat der Vizepräsident des hessischen Landtages, Dr. Jörg-Uwe Hahn, Osman-Oglou deshalb einen Besuch in seiner Apotheke abgestattet. Der FDP-Politiker arbeitet offenbar auf eine Vermittlungslösung zwischen beiden Parteien hin.

Ende September hatten zwei Polizisten Inhaber Osman-Oglou vor den Augen seiner eigenen Belegschaft und Kundschaft mit Schlägen traktiert – nach Aussage des Inhabers und mehrerer Zeugen ohne erkennbare Rechtfertigung für die Gewalt. Der Fall hat hohe Wellen geschlagen, nicht nur in Kelsterbach. Er drang bis in den hessischen Landtag vor, wo die FDP-Abgeordneten Dr. Jörg-Uwe Hahn und Stefan Müller dem Sachverhalt mit einer parlamentarischen Anfrage nachgehen wollen. Eine Antwort der schwarz-grünen Landesregierung liegt noch nicht vor, dafür hat sich Hahn am Montag vor Ort ein eigenes Bild gemacht.

Gemeinsam mit Peter Engemann, dem FDP-Kreisvorsitzenden von Groß-Gerau, hörte er sich Osman-Oglous Schilderung der Ereignisse an – und hakte dabei kritisch nach, wie der Inhaber anerkennend betont. „Er hat vor allem zum Beginn des Vorfalls sehr kritisch nachgefragt und versucht auch, die Gegenseite zu verstehen, also warum ein Mensch so reagiert“, erzählt er. Zur Ausgangssituation des Vorfalls gehen die Schilderungen zwischen den beiden beteiligten Polizisten auf der einen sowie Osman-Oglou und über einem Dutzend Zeugen auf der anderen Seite auseinander: Einigkeit herrscht nur darüber, dass die Polizei einen der privaten Kundenparkplätze vor Osman-Oglous Europa Apotheke blockierte, um vor seinem Betrieb Verkehrskontrollen durchzuführen. Als er das bemerkte, trat der Inhaber nach außen, um die Polizisten darauf hinzuweisen, dass es sich um ein Privatgrundstück handelt und sie das unterlassen sollten. Nach eigener Darstellung und der mehrerer Zeugen tat er das ruhig und höflich, nach Aussage der beiden Polizisten laut und aggressiv mit den Armen fuchtelnd. So oder so: Die Situation eskalierte, am Ende traktierten beide Polizisten den Apotheker, um ihn zu Fall zu bringen.

Seitdem streiten sich beide Seiten über die Deutung der Ereignisse, auch juristisch. Die FDP im Landtag wurde hellhörig, schließlich kommt es in Hessen regelmäßig zu solchen fragwürdigen Ereignissen mit Polizisten im Dienst. „Alle drei bis vier Monate befasst uns das im Landtag“, erklärte Hahn Anfang Oktober. „Wir haben eine Häufung von eigenartigen Begegnungen zwischen Polizeibeamten und Bürgern.“ Das bestätigte am Montag auch Engemann. „Vorfälle von vermeintlicher Polizeigewalt häufen sich in Hessen leider. Umso wichtiger ist es, dass derartige Zwischenfälle intensiver geprüft werden“, so der FDP-Lokalpolitiker.

Ob es sich in Osman-Oglous Fall wirklich um unverhältnismäßige Polizeigewalt handelt, können und wollen Hahn und Engemann im vorliegenden Fall – noch – nicht beurteilen. Auch deshalb statteten sie Osman-Oglou einen Besuch ab. „Wir haben uns freundlich ausgetauscht und ich habe ihm sachlich dargestellt, was passiert ist“, erzählt Osman-Oglou. Dabei habe er nicht zuletzt die große Zahl an Zeugen betont, die seine Version der Geschichte stützen. Von 13 Aussagen wisse er bisher. Hahn habe klar signalisiert, dass er den Fall nicht unter den Teppich kehren will. „Er wollte den Vorfall genau verstehen und hat sich nicht positioniert, sondern sucht offensichtlich eine Mediationslösung. Beide haben betont, dass sie an dem Thema dranbleiben und mit den Beteiligten der anderen Seite in Kontakt treten wollen“, so der Inhaber.

„Ich erwarte von den politisch Verantwortlichen eine lückenlose Aufklärung des Sachverhalts. Es muss auch aufgeklärt werden, wie eine scheinbar harmlose Situation derart eskalieren konnte“, erklärte Hahn bei dem Treffen. „Ein derartiger Zwischenfall sollte nicht dazu führen, dass das Vertrauen in die Polizei nachhaltig geschädigt wird. Hierfür wäre sicherlich hilfreich, dass die Beteiligten sich aussprechen und einen Schritt deeskalierend aufeinander zugehen. Der erste Schritt muss aber schon von der Polizei ausgehen.“

Denkbar sei dabei die Einschaltung des Ombudsmannes bei der Polizeidirektion Darmstadt. Osman-Oglou betont, dass er für eine solche Vermittlungslösung zur Verfügung stehe – daran aber klare Anforderungen stelle: „Mein Minimum ist eine formale Entschuldigung. Bis die erfolgt ist, werde ich nicht lockerlassen. Wenn sich die Polizei zeitnah an mich gewendet hätte, statt zu versuchen, das zu vertuschen, wäre es nie so weit gekommen.“ Auch diese Vorgehensweise sei Teil des Gespräches gewesen. „Ich habe meine Furcht und meine Enttäuschung geäußert als Mensch, der seit 30 Jahren in dieser Stadt lebt, und bin froh, dass sich jemand kümmert, der in Hessen etwas zu sagen hat. Es kann nicht sein, dass wir hier in Deutschland mundtot gemacht werden, das hat mir meine Bildung und Erziehung vermittelt.“

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