Eigentlich geht es zu Karneval in Düsseldorf ganz lustig zu. Doch in diesem Jahr herrscht Katerstimmung, zumindest bei den Apothekerorganisationen. Denn die haben sich und ihre Mitglieder mit eigentlich gut gemeinten Aktionen, aber offensichtlich schlechten Beratern, ziemlich in die Nesseln gesetzt. Doch es gibt Aussicht auf Rettung.
Wie aus dem Nichts kam in dieser Woche ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) zur AvP-Insolvenz: Die von der Pleite ihres ehemaligen Rechenzentrums – Stichwort: „MW Aviation“ – betroffenen Leistungserbringer könnten nach Überzeugung der Richter in Karlsruhe doch ein Aussonderungsrecht haben, weil nämlich die Forderungsabtretung, um die sich alles dreht, unter datenschutzrechtlichen Aspekten unzulässig und damit nichtig war.
Auch wenn das Ganze inhaltlich juristische Feinschmeckerkost ist, so ist es zugleich standespolitischer Zündstoff. Denn richtig formuliert muss es heißen, dass die Apotheken ein Aussonderungsrecht gehabt hätten – wenn sie nicht dem Vergleich mit dem Insolvenzverwalter beigetreten wären. Nachdem die gegenseitigen Ansprüche auf freiwilliger Basis ausgeräumt wurden, hat das BGH-Urteil für die Beteiligten wohl nur noch sentimentalen Charakter.
Den Vergleich, der jetzt erschüttert wird, hatte der Apothekerverband Nordrhein (AVNR) federführend ausgehandelt. Auch wenn anzuerkennen ist, dass der AVNR überhaupt in der Sache aktiv geworden ist und für die Apotheken eine unter den damaligen Umständen vergleichsweise gute Lösung gefunden hatte: Nach heutiger Kenntnis wurden die Apotheken mit ihrer 40-prozentigen Quote aller Voraussicht nach um 150 bis 200 Millionen Euro gebracht.
Und so steht die Frage im Raum, warum den beauftragten Anwälten nicht eine ähnliche Argumentation eingefallen ist wie dem BGH, um die Abtretungsvereinbarung als Dreh- und Angelpunkt der ganzen Sache zu erschüttern. Immerhin ist die Abrechnung nach Sozialgesetzbuch (SGB V) in einem einzigen Paragraphen geregelt – dort denselben Hebel zu entdecken, hätte auch der Kanzlei gelingen können, die immerhin eine halbe Million Euro für ihre Bemühungen abgerechnet hat.
Dr. Morton Douglas, der seinen zahlreichen Mandantinnen und Mandaten ebenfalls eindringlich zum Beitritt geraten hatte, beeilte sich zu versichern, dass der Vergleich aus seiner Sicht nach wie vor die bessere Lösung gewesen sei. Denn ohnehin sei fraglich, ob so viel mehr herausgesprungen wäre, behauptet er. So müsse wenigstens keine Einkommenssteuer gezahlt werden.
Er ist derselbe Anwalt, mit dessen Expertise sich parallel die Apothekerkammer Nordrhein (AKNR) in gefährliche Untiefen begeben hat. Auch hier hat ein guter Vorsatz zu einem drohenden Desaster geführt: Weil jahrelang mit Abmahnungen gegen die Rx-Boni von DocMorris vorgegangen wurde, steht nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) aus dem Jahr 2016 eine Schadenersatzforderung von 18 Millionen Euro im Raum.
Der Fall liegt gerade erneut zur Prüfung in Luxemburg, Ende Februar soll eine Entscheidung fallen. Auch wenn es DocMorris schwer fallen dürfte, den tatsächlich entstandenen Schaden zu beweisen – irgendetwas könnte im schlimmsten Fall bei der Kammer hängen bleiben. Das wäre in diesem Fall besonders bitter, weil sich die Kammer als einzige Institution überhaupt gegen die immer neuen Verstöße eingesetzt hatte. Doch zur womöglich bitteren Wahrheit gehört auch: Anders als im Eil- stünden im Hauptsacheverfahren heute gar keine Schadenersatzforderungen im Raum.
Beide Berufsorganisationen in Nordrhein – immerhin einer der größten Kammerbezirke überhaupt – stehen also gerade irgendwie angeschlagen da. Und das auch noch wenige Wochen nach der Wahl der beiden obersten Honoratioren an die Spitze der deutschen Apothekerschaft: Kammerpräsident Dr. Armin Hoffmann führt seit Dezember die Bundesapothekerkammer, Verbandschef Thomas Preis ist seit Januar Frontmann der Abda.
Doch Gottseidank gibt es eine ebenso einfache wie unkonventionelle Lösung. Karneval steht vor der Tür, die Zeit der Narren und Jecken. Kappe auf, Kamelle raus und abtauchen im Getümmel, einfach mal den hochproblematischen Alltag vergessen. Mit etwas Glück haben sich am Aschermittwoch die Probleme von selbst gelöst. Wenn nicht, wird eben gefastet. In diesem Sinne: Schönes Wochenende!
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