Verwendung der Sonder-PZN

Nach Engpass-Schelte: AOK liefert Zahlen

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Berlin -

Die AOK Rheinland/Hamburg hatte den Apotheker:innen vorgeworfen, die gelockerten Austauschregeln auszunutzen und so das Solidarsystem unnötig zu belasten. Auf mehrfache Nachfrage von APOTHEKE ADHOC hat die Kasse nun Zahlen nachgeliefert. Demnach stellt sich die Lage deutlich anders dar: Die Nichtabgabe-Quote durch das Setzen eines Sonderkennzeichens lag durchschnittlich bei 8,5 Prozent – mit einigen Ausreißern nach oben.

AOK-Vize Matthias Mohrmann hatte behauptet, dass die Ausnahmeregelungen deutlich häufiger genutzt würden, als es die bestehenden oder gemeldeten Lieferengpässe erwarten ließen. Dies führe dazu, dass deutlich teurere Arzneimittel abgegeben würden – zu Lasten der Solidargemeinschaft. Diese Aussage hatte die Teams in den Apotheken, die seit Monaten enormen Ärger und Aufwand mit den Lieferengpässen haben, massiv vor den Kopf gestoßen. Sogar die Abda fühlte sich zu einem Statement aufgefordert.

Bei der Kasse ist man nun bemüht, die Wogen zu Glätten: „Die AOK Rheinland/Hamburg weiß um die zusätzlichen Aufwände der Apothekerinnen und Apotheker in der aktuellen Situation. Und wir wissen deren Arbeit sehr zu schätzen. Unsere Position ist daher sehr differenziert; Pauschalierungen, Interpretationen und Verkürzungen werden ihr sicher nicht immer gerecht“, so eine Sprecherin.

AOK analysiert Abrechnungsdaten

Und aus Sicht der Kasse sind auch nicht die Apotheken das Problem: „Zentralen Handlungsbedarf sehen wir seitens der Politik und bei der Pharmaindustrie, um zukünftig Lieferengpässe weitestgehend zu vermeiden.“ Dabei müsse die gesamte Produktions- und Lieferkette in den Blick genommen werden. „Patientinnen und Patienten müssen verlässlich versorgt werden, Apothekerinnen und Apotheker müssen sich auf ihre Kernaufgaben konzentrieren können, statt einen erheblichen Teil ihrer Zeit auf Abfragen beim pharmazeutischen Großhandel zu verwenden“, so die Sprecherin weiter.

Und was hat es nun mit dem angeblichen Ausnutzen der Sonder-PZN auf sich? Bei der Anwendung der erweiterten Austauschregeln zeige sich „ein sehr heterogenes Bild“. Die Kasse bezieht sich auf eine Auswertung der Arzneimittelabrechnungen für das III. und IV. Quartal 2022.

Berücksichtigt wurden demnach die Abrechnungsdaten von rund 1800 Apotheken in Nordrhein und Hamburg, die in diesem Zeitraum jeweils mindestens 500 Rezepte mit der AOK Rheinland/Hamburg abgerechnet haben. „Festzustellen ist, dass in beiden Quartalen mehr als ein Drittel der Apotheken bezüglich der Nichtabgabe-Quote durch das Setzen eines Sonderkennzeichens zum Teil sehr deutlich über dem Durchschnittswert aller in die Auswertung einbezogenen Apotheken lag“, so die Sprecherin.

Die Zahlen belegen vor allem eines: Die meisten Apotheken haben sehr sparsam von dem Sonderkennzeichen Gebrauch gemacht, während es einzelne offenbar sehr oft benutzen mussten. Überraschend ist das eigentlich nicht, denn je nach der Art der umliegenden Arztpraxen sind Apotheken von den Engpässen sehr unterschiedlich betroffen.

Nichtabgabe-Quote schwankt stark

Die Auswertung der AOK macht vor allem auch deutlich, wie sehr sich die Situation zum Jahresende hin zugespitzt hat. Im dritten Quartal lag die Nichtabgabe-Quote durch das Setzen eines Sonderkennzeichens bei 8,5 Prozent. Die Spanne lag zwischen 5 bis 39,7 Prozent. 38 Prozent der Apotheken lagen laut AOK über dem Durchschnitt.

Im vierten Quartal stieg die Quote auf 14,5 Prozent. Bei rund jedem siebten Medikament mussten die Apotheken demnach nach Alternativen zu Verordnung suchen. Die Quote reicht laut AOK in diesem Zeitraum von 5 bis 64 Prozent. Anders ausgedrückt: Jede 20. Verordnung am unteren Ende war von einem Engpass betroffen – und bis zu zwei Drittel am oberen Ende.

„Bei gleichen Rahmenbedingungen innerhalb des oben genannten Versorgungsgebiets ist eine derart große Spanne hinsichtlich der Verwendung von Sonderkennzeichen bei den Quartalswerten einiger Apotheken auffällig und für uns nicht nachvollziehbar. Hierauf bezogen und beziehen sich unsere Hinweise“, so die Sprecherin. Nur dass die Kasse in ihrer ursprünglichen Mitteilung eben nicht differenziert, sondern pauschal behauptet habe, die Sonder-PZN würde übermäßig genutzt.

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