Regionale Rabattverträge

Lieferengpässe: Union will Landapotheken entlasten

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Berlin -

Anfang September hatte Gesundheitspolitiker Michael Hennrich (CDU) zu einem „Lieferengpass-Gipfel“ geladen. Mit am Tisch saßen ABDA, Ärzte, Großhandel, Krankenkassen und der Herstellerverband BPI. Jetzt kursiert ein daraus entstandener Entwurf eines „Positionspapiers“ der AG Gesundheit der CDU/CSU-Bundestagsfraktion mit zahlreichen Vorschlägen: Unter anderen wird gefordert, keine exklusiven Rabattverträge mehr abzuschließen. Auch Exportbeschränkungen werden als „ultima ratio“ erwogen.

Laut Hennrich ist das APOTHEKE ADHOC vorliegende Positionspapier noch nicht endgültig abgestimmt. Das Maßnahmenpaket soll aber mit dem Apothekenstärkungsgesetz verabschiedet werden. Denn das Thema Lieferengpässe und Versorgungssicherheit bei Arzneimitteln habe in der jüngeren Vergangenheit noch einmal an Bedeutung gewonnen, heißt es in dem Papier. Trotz verschiedener gesetzgeberischer Maßnahmen zeichne sich weiterhin ab, „dass eine nachhaltige Verbesserung der Liefersituation zusätzliche Maßnahmen erfordert“.

Das Bundesinsitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) führt eine Liste mit aktuell 229 Humanarzneimitteln mit einem Lieferengpass. „Das verunsichert Patienten, stellt ein Risiko für die Arzneimittelversorgung dar und schafft einen erhöhten Aufwand für Apotheker und Ärzte. Zurecht sind Patienten beunruhigt, wenn ihr gewohntes Arzneimittel in der Apotheke nicht erhältlich ist. Daher müssen wir Lieferengpässen von Medikamenten nachhaltiger vorbeugen und eine dauerhaft zuverlässige Versorgung mit sicheren Arzneimitteln gewährleisten“, heißt es weiter. Mit dem Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV) seien zuletzt bereits Maßnahmen gesetzlich verankert worden. Weitergehende Schritte blieben aber notwendig.

Daher fordert das Positionspapier der AG Gesundheit das Bundesgesundheitsministerium (BMG) auf, Maßnahmen zu ergreifen, die für eine größere Transparenz bei Lieferketten von pharmazeutischen Unternehmen über Großhandel bis hin zu den Apotheken sorgen. Auch die Einkaufssituation und Belieferung von Krankenhausapotheken müsse berücksichtigt werden. Von besonderer Bedeutung sei auch der Export von Arzneimitteln, die eigentlich zur Versorgung der Patienten in Deutschland zur Verfügung stehen sollten, jedoch aufgrund der globalen Marktsituation in andere Länder exportiert würden: „Bis heute ist nicht vollkommen nachvollziehbar, in welchem Umfang dies der Fall ist. Um für zukünftige Maßnahmen eine bessere faktische Grundlage zur Verfügung zu haben, regen wir zusätzlich an, dass das BMG hierfür eine umfassende wissenschaftliche Studie in Auftrag gibt.“

Die AG Gesundheit will das System der Erfassung von Lieferengpässen durch das BfArM ausweiten. Die bereits für Krankenhausapotheken bestehende Meldepflicht müsse auf versorgungsrelevante Medikamente für die ambulante Versorgung ausgedehnt werden. „Drohende Lieferengpässe sind unverzüglich, auch bei sich lediglich anbahnenden Lieferschwierigkeiten, an das BfArM zu melden“, so das Papier. Als Grundlage schlägt die AG Gesundheit die Definition des Lieferengpasses des BfArM vor, das heißt „eine über voraussichtlich zwei Wochen hinausgehende Unterbrechung einer Auslieferung im üblichen Umfang oder eine deutlich vermehrte Nachfrage, der nicht angemessen nachgekommen werden kann“.

Zudem fordert die AG Gesundheit den Aufbau einer „nationalen Arzneitmittelreserve“ an verschiedenen Punkten der Verteilkette. „Hierunter versteht sich selbstverständlich keine statische Einlagerung von Medikamenten in zentralen Depots mit der entsprechend notwendigen Erneuerung des Bestands“, so das Positionspapier. Dies sei unpraktikabel und würde zu hohe Kosten verursachen. Zu prüfen sei aber eine Ausweitung der Vorhaltepflicht für Medikamente mit Versorgungsrelevanz, bei denen ein Lieferengpass drohe:

1. „Es wird geprüft, ob für jene Medikamente, die nach den oben genannten Kriterien auf der Liste des BfArM angeführt sind, die Vorratshaltung in der Krankenhausapotheke auf vier (anstelle von zwei) Wochen verlängert werden kann. (Anpassung § 30 ApBetrO).“

2. „Es wird geprüft, ob sich eine Verlängerung der Vorratshaltung beim Großhandel und beim Hersteller im vergleichbaren Zeitraum für jene Medikamente, die nach den oben genannten Kriterien auf der Liste des BfArM angeführt sind, auch auf den Bereich der ambulanten Versorgung überführen lässt. (Anpassung § 52b Abs. 2 AMG)“

Auch Exportbeschränkung zieht die AG Gesundheit in Erwägung im Falle bestehender Lieferengpässe: „Für versorgungsrelevante Arzneimittel, bei denen ein Lieferengpass festgestellt wurde, fordern wir als ultima ratio die Möglichkeit zur Verhängung von Exportbeschränkungen für Großhändler und Apotheken mit Großhandelserlaubnis nach § 52a Arzneimittelgesetz (AMG), die für die Versorgung der Patienten in Deutschland vorgesehen sind.“ Die Beschränkung würde gelten bis der Lieferengpass behoben worden sei. Europarechtliche Probleme sieht die AG Gesundheit dabei nicht. Allerdings müssten Vorgaben der EU-Kommission beachtet werden.

Rabattverträge sollten nach Ansicht der AG Gesundheit nur ausgeschrieben werden, „wenn mindestens drei Anbieter und zwei Wirkstoffhersteller vorhanden sind“. Um die Vielfalt und damit eine weitere Unabhängigkeit zu gewährleisten, sollte die Vergabe grundsätzlich auf mindestens zwei unterschiedliche Anbieter verteilt werden. Im Festbetragssystem bestehe zudem die Möglichkeit, die Herstellung in der EU bei den Absenkungen positiv zu berücksichtigen: „Sofern sich die Preisabweichung in einem zu bestimmenden Rahmen bewegt, wäre dann ein Arzneimittel abzugeben, das in Europa hergestellt wurde. Näheres wäre im Rahmenvertrag der Vertragspartner zu regeln.“

Außerdem schlägt die AG Gesundheit eine Regionalisierung der Rabattverträge vor. Denn die Vielzahl der Rabattverträge führe mittlerweile dazu, dass gerade kleinere Apotheken im ländlichen Raum viel Zeit aufwenden müssten, die Medikamente von den unterschiedlichen Herstellern zu beschaffen. „Das bringt hohe Logistik- und Transportkosten mit sich.“ Es sei daher zu prüfen, ob – soweit dies vergaberechtlich zulässig ist – das Rabattvertragssystem stärker regional zentralisiert werden könne. Vorbild könnten hier die Rabattverträge bei der parenteralen Zubereitung sein. Das würde bedeuten, dass Krankenkassen regional gemeinsam zu Ausschreibungen verpflichtet würden. Dies könne die Vielzahl der abgegebenen Produkte bei oft identischen Wirkstoff verringern und damit den Transportaufwand auch im Sinne des Klimaschutzes reduzieren.

In ihre Mitte 2020 beginnenden EU-Ratspräsidentschaft soll sich die Bundesregierung dem Thema Arzneimittelproduktion in der EU widmen: Es müsse Ziel der deutschen Arzneimittelpolitik sein, die EU-Staaten als Standort für die pharmazeutische Industrie zu stärken: „Die Bundesregierung wird daher aufgefordert, die pharmazeutische Produktion in der Europäischen Union zu einem Schwerpunkt der deutschen Ratspräsidentschaft 2020 zu machen.“

Dazu schlägt die AG Gesundheit, dass in Vergabeverfahren europäische Produktionsstandorte bereits nach geltendem Recht durch Anforderungen an die technische und berufliche Leistungsfähigkeit in Form von qualitativen Eignungskriterien Berücksichtigung finden können. „Entsprechende Vorgaben könnten zukünftig durch detaillierte Nachweise über das Lieferkettenmanagement und Lieferkettenüberwachungssysteme weiter ausgebaut werden“, so das Positionspapier.

Es sei darüber hinaus zu prüfen, ob das Kriterium der Herstellung in der EU in den Vergabekriterien als ein qualitativer Aspekt der Ausschreibung positiv berücksichtigt werden müsse. Insbesondere die im globalen Vergleich höheren sozialrechtlichen- sowie die Umweltstandards von Produktionsstandorten in Europa könnten in den Ausschreibungen zukünftig Eingang finden. Wo das Gemeinschaftsrecht einer nachhaltigen Bewältigung der Lieferengpässe entgegenstehe, müsse auch dessen Änderung eine Option sein.

Auch die Spitzenorganisationen der Apotheker und der Krankenkassen seien gefordert, im Rahmenvertrag Vereinbarungen zu treffen, die eine prinzipielle Abgabe von Arzneimitteln „made in Europe“ in einem vertretbaren Kostenrahmen zu privilegieren. Von einer gesetzlichen Vorgabe in Form einer Förderklausel werde gegenwärtig abgesehen.

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