Boykottaufruf mit „Kriegserklärung“

KV Hessen: Praxen sollen Apothekerfehler sammeln

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Berlin -

In Hessen wird der Protest gegen die pharmazeutischen Dienstleistungen (pDL) und deren Vergütung seitens der Ärzteschaft zunehmend aggressiver – und niveauloser. Um gegen die „indiskutablen Zustände“ vorzugehen, ruft die Kassenärztliche Vereinigung (KV) die Praxen auf, „inkompetente Beratung durch Apotheken“ zu dokumentieren und Druck auf weiteren Wegen auszuüben. Außerdem wird zum Boykott der Apotheken aufgerufen.

Der Hausärzteverband Hessen machte den Anfang: Praxen wurde eine Patienteninformation zur Verfügung gestellt, in der aggressiv gegen die Apotheken agitiert wurde. „Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen sie ihren Arzt oder Ihre Ärztin“, lautete die Überschrift. Weiter unten wurde erklärt, dass es um die neue Vergütung für die pDL geht. Die Hausärzt:innen betonten: „Erste Ansprechpartner für die medikamentöse Behandlung“ blieben die Verordner:innen.

Darauf reagierte die KV Hessen mit Beifall: „Wir begrüßen zunächst die Wartezimmeraktion des Hessischen Hausärzteverbandes, denn sie bringt die ganze Diskussion auf den Punkt: Eine qualitativ hochwertige pharmazeutische Beratung gibt es nur durch die Ärztin oder den Arzt. So gesehen sollte dieses Plakat eigentlich in jeder Praxis hängen und die Patientinnen und Patienten informieren“, heißt es in einem Mitgliederschreiben von dem Vorstandsvorsitzenden Frank Dastych und seinem Stellvertreter Dr. Eckhard Starke.

Die Kritik gegen die Apotheken ist enorm: „Aus heutiger Sicht ist der damalige, pathetische Kotau vor den Apothekern, aufgeführt von vielen KV-Vorständen, die davon heute nichts mehr wissen wollen, unverzeihlich“, heißt es in dem Rundschreiben. „Die damals bereits absurden Argumente wie Schwesternkörperschaft hinsichtlich der Apothekerkammern, Kollegialität und die Aussage ‚Wir brauchen uns doch gegenseitig‘, um nur einige zu nennen, sind auch heute immer noch absurd. Und viel schlimmer: Wohin das führt, sehen wir nun.“

„Kriegserklärung der Apothekerinnen“

Die KV will eigenen Angaben zufolge nicht den „nächsten schweren Fehler“ begehen und bellen, aber nicht beißen. Sowohl der Umfang der Leistungen als auch die vorgesehene Honorierung der pDL seien ein Schlag ins Gesicht jeder Ärzt:in „eine Kriegserklärung der Apothekerinnen und Apotheker an die KV-Mitglieder, auch wenn man mit solch martialischen Begriffen ja gerade im Moment sehr vorsichtig umgehen sollte“, heißt es weiter.

Ein Gespräch mit der Abda sei nicht möglich, da man sich dort nicht für einen lösungsorientierten Diskurs interessiere, so die KV. Deshalb schlägt sie andere Wege vor: „Dokumentieren Sie bitte – anonymisiert und ohne Patientendaten – Fälle, in denen eine inkompetente Beratung durch Apotheken stattgefunden hat. Diese formlose Dokumentation übermitteln Sie uns. Bitte auch gegebenenfalls die Unterlagen, die die Apothekerin oder der Apotheker mitgegeben haben.“

Rezeptterminals in Praxen

Außerdem sollen die Ärzt:innen auf die Pharmazeut:innen Druck ausüben: „Sprechen Sie mit Ihren Apothekerinnen und Apothekern vor Ort und signalisieren Sie, dass es insbesondere beim Bezug des Sprechstunden- und Praxisbedarfs immer Alternativen gibt.“ Parallel dazu würden wir mit zuverlässigen Anbietern Gespräche geführt, „um zum Beispiel über Rezeptterminals in den Praxen Rezepte auf einem Weg einlösen zu können, der nicht durch inkompetente Beratung belastet ist“. Dadurch sollten sich neue, patientenorientierte Lösungen finden lassen, heißt es.

Kassenärzt:innen wollen Gesetz prüfen

„Wir werden auch eine rechtliche Überprüfung des Gesetzes in die Wege leiten. Abgesehen davon, dass wir natürlich die Vergütungshöhe (11,20 Euro für eine Blutdruckmessung, 20 Euro für die Erklärung eines Inhalators) als Benchmark für zukünftige Honorarverhandlungen und eine Neubewertung des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs (EBM) ansehen werden.“ Weitere Maßnahmen sollen folgen. Auf Nachfrage will man sich bei der KV Hessen nicht weiter zu dem Schreiben und den Aufrufen äußern.

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