„Für uns ist es zu spät“

Presseschau: Schließungen steuern Rekordhoch an

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Berlin -

Die Schließungswelle rollt, mehr als 600 Apotheken weniger könnte es zum Jahresende geben, so die Prognose der Abda. Und tatsächlich berichten in diesen Tagen wieder zahlreiche Lokalmedien über Inhaberinnen und Inhaber, die einfach nicht mehr können, und Patientinnen und Patienten, die traurig und in Sorge sind.

Die Sophien-Apotheke in Ahorntal
Leider wollte die Sophien-Apotheke in Ahorntal (Bayern) niemand übernehmen.Foto: Sophien-Apotheke Ahorntal

„Wir schließen nächste Woche“, sagte der Inhaber der Sophien-Apotheke im bayerischen Ahorntal, Jürgen Baumgärtel. Nach 30 Jahren ist zum Jahreswechsel für immer Schluss. Ihm tue es vor allem leid ums Team. Für ihn ist es Zeit, in den wohlverdienten Ruhestand zu gehen. Wirklich schade findet er es allerdings, dass er niemanden gefunden hat, der seine Apotheke übernehmen will.

In Bremen fiel das 60-jährige Jubiläum der Fortuna-Apotheke ins Wasser: Die Schließung war nicht mehr abzuwenden. „Die Apotheke, die einst von meinem Vater gegründet wurde, kann nicht fortbestehen“, war das traurige Fazit von Inhaberin Jutta Scharnick. Und obwohl sie ihre Apotheke zum 30. Dezember hin schließt, beteiligte sich die Inhaberin mit ihrem Team am Protest Nord in Hannover. „Für uns ist es zu spät“, hieß es im Schaufenster der Apotheke, und weiter: „Wir streiken heute aus Solidarität mit den Apotheken, die in diesem Gesundheitssystem weiter existieren wollen.“

Die Nordwestzeitung berichtet in der niedersächsischen Stadt Cloppenburg von der vierten Schließung innerhalb von fünf Jahren. Die traditionsreiche Laings-Apotheke – bekannt für ihren Schwerpunkt Homöopathie – musste Ende April dichtmachen. Zuvor waren bereits die Bären-Apotheke an der Dietrich-Bonhoeffer-Straße, die Markt-Apotheke am Eberborgbrunnen und die Andreas-Apotheke im Kaufland-Gebäude geschlossen worden.

Die Inhaberin der Linden-Apotheke in Ducherow war akut erkrankt; die Tochter entschied sich deshalb zur Schließung. Auch die Greif-Apotheke in der Anklamer Innenstatt musste schließen – allerdings wegen akuten Personalmangels. Trotz der schwierigen Umstände konnte vor Ort eine versöhnliche Lösung gefunden werden: Katharina Schmiedel – Inhaberin der Adler-Apotheke in Anklam – führte die Greif-Apotheke als Filiale weiter und beliefert zudem die Kund:innen in Ducherow durch vier Rezeptsammelstellen. Das Personal der Linden-Apotheke wurde in die neue Filiale integriert.

Die St. Vitus-Apotheke von Christiane und Bernd Dewald in Emmerich am Rhein schließt Ende des Jahres. Die Apotheke wird aus wirtschaftlichen und gesundheitlichen Gründen nach 32 Jahren geschlossen.

Apothekerin Claudia Schneppel musste eine ihrer vier Apotheken im nordrhein-westfälischen Ennepetal schließen. Der Grund war die Pleite der Abrechnungsfirma AvP im Jahr 2020. Diese hatte ihre Betriebe wirtschaftlich schwer geschwächt. Die Schließung einer ihrer Filialen war folglich unumgänglich. Im Zuge dessen muss sich die Inhaberin auch von einigen Mitarbeiter:innen trennen.

Die Marien-Apotheke in Ettenheim schloss am 15 Juni. Inhaber Felix Schulz machte mit einem lachenden und einem weinenden Auge dicht: „Ich erkenne keine Perspektive mehr für diese Apotheke und habe das Gefühl, nichts mehr tun zu können. Deshalb ziehe ich mich zurück.“ Drei seiner übrigen Mitarbeiter:innen wollten vor Ort tätig bleiben. Der Inhaber der Rohan-Apotheke wird fortan nicht nur die Mitarbeiter:innen, sondern wohl auch die Kund:innen der nahegelegene Apotheke übernehmen.

Inhaberin Marina Katharina Preuhs gibt ihre Schwanen-Apotheke in Ginsheim auf. Die Nachfolgersuche für das Familienunternehmen war erfolglos verlaufen. Die Apotheke bestand ganze 74 Jahre.

Auch die Reusch-Apotheke in Göppingen schließt zum Jahresende ihre Türen. Besonders bitter: Es war laut Südwest Presse die erste Apotheke, die Inhaber Helmut Wälde eröffnete.

Fast 20 Jahre lang war Inhaberin Heidrun Feldbaum mit ihrer Adler-Apotheke in Kleve am Start.Foto : Heidrun Feldbaum

„Die Anspannung ließ nicht nach“

„Ich bin froh, wenn wir es hinter uns haben“, erklärte Volker Jansen von der Elefanten-Apotheke in Hamm. Die Kosten für den Betrieb seiner Apotheke stünden nicht mehr in Relation zum Gewinn. „Ich arbeite doch nicht für lau“, erklärte er sichtlich genervt im Hinblick auf die aktuelle Gesundheitspolitik rund um Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD).

Im baden-württembergischen Hechingen schließt die Eugenien-Apotheke auf dem Stockoch zum Jahresende. Inhaberin Petra Spranger wird sich zukünftig laut Südwest Presse auf ihre Hauptapotheke in der Heiligkreuzstraße in Hechingen sowie ihre Filiale in Balingen, die Mozart-Apotheke konzentrieren. Grund für die Schließung der hechinger Filiale seien die politischen Rahmenbedingungen.

Nach 112 Jahren schließt die Glückauf-Apotheke in Heringen. Inhaber Stefan Göbel plant, sein Team in der Hauptapotheke am Friedrich-Ebert-Platz in Heringen zu konzentrieren. So will er zukünftige personelle Engpässe und eine damit verbundene schnelle Schließung vermeiden.

Die Hubertus-Apotheke in Kalbach-Uttrichshausen schloss Mitte Oktober ihre Tühren. Insbesondere der straffe Notdienstturnus hatte Inhaber Bastian Zellmer zu schaffen gemacht. „Diesen Schritt zu gehen fällt mir und meinem Team alles andere als leicht, aber er ist durch die veränderten Rahmenbedingungen notwendig. Die viele Mühe und der Einsatz, Personal zu finden, haben sich am Ende leider nicht ausgezahlt.“

Ende September schloss die Hindenburg-Apotheke im rheinland-pfälzischen Kaub, berichtete das Sat.1 Regionalmagazin für Rheinland-Pfalz und Hessen. Über fünf Generationen wurde der Betrieb weitergegeben – nach über 200 Jahren Arzneimittelversorgung war Schluss. Apothekerin Dagmar Vogel habe ihre Apotheke sogar zum Nulltarif angeboten – doch niemand zeigte Interesse.

In Kiel öffnet die Fleethörn-Apotheke laut dem Portal Kielerleben zum letzten Mal am 30. Dezember ihre Türen. Nach über 100 Jahren macht Inhaber Jürgen Nolte für immer dicht; er selbst hatte die Apotheke 45 Jahre lang mit seiner Frau betrieben. Mit 74 Jahren Jahren beendet er nun sein Lebenswerk ohne Nachfolge. Tochter Nicole Häußler kann sich in den Räumlichkeiten ein Café oder eine Bar vorstellen.

Über 19 Jahre lang führte Heidrun Feldbaum die Adler-Apotheke als Hauptgeschäft in Kleve. Das Publikum international, das Aufgabenspektrum vielfältig, ihr Mitarbeiterstamm durch Corona geschwächt – am 7. Oktober war die Apotheke letztmalig geöffnet. Die Schließung habe sich durch Personalmangel angekündigt. „Mit Corona kam immer mehr Stress, der sich angesammelt hat und nicht wieder abgebaut werden konnte. Meine Mitarbeiterinnen sind gerannt ohne Ende – die ganze Zeit über“, erzählt die Inhaberin. „Die Anspannung, die wir alle in den Apotheken hatten, ließ einfach nicht nach.“

Sabrina Hartmutter-Pier musste ihre Markt-Apotheke im rheinland-pfälzischen Landstuhl schließen. Als Gründe nennt die Inhaberin langwierige Baustellen in der Innenstadt, die einen Kund:innen-Rückgang herbeigeführt hätten. Zudem schlage der Fachkräftemangel auch bei ihr zu Buche, „Das Nachbesetzen dieser wichtigen Stellen ist nicht möglich gewesen. Es gibt einfach kein Personal auf dem freien Markt. Das ist ein unfassbar großes Problem.“

Die Trave-Apotheke in Lübeck-Schlutup hat seit dem 15. Dezember dicht. Damit hat die letzte Apotheke im Ortsteil geschlossen.

Trotz Modernisierungsmaßnahmen fand sich auch in Meerbusch kein Nachfolger.Foto: Wolfgang Boventer

„Auch uns fehlen die Fachkräfte.“

In Marl-Hüls schließt nach 20 Jahren die Arkaden-Apotheke von Jörg Kreul. Damit wird es immer dünner in den Arkaden. Allerdings berichtet die Marler Zeitung, dass die Arkaden in Hüls 2024 abgerissen werden sollen. Beim Abbau der charakteristischen Vordächer muss äußerst sorgfältig gearbeitet werden: Eine gesundheitsschädliche PCB-Farbschicht sitzt auf Stahlträgern.

„Und wieder eine weniger …“, erklärte der 70-jährige Wolfgang Boventer aus Meerbusch-Lank. Über einen Zeitraum von sechs Jahrzehnten hatte seine Stephanus-Apotheke – die Vater Helmut Boventer in dessen Elternhaus gegründet hatte – zur Arzneimittelversorgung vor Ort beigetragen. Trotz Mordernisierungsmaßnahmen – wie einem 24-Stunden-Abholsysem, das erst im letzten Jahr verbaut worden war – fand sich kein Nachfolger. Boventer hofft, „dass dieses Schicksal den noch verbleibenden drei Apotheken erspart bleibt.“

Im bayerischen Moosburg musste die Ursula-Apotheke am Stadtplatz schließen, berichtet der Münchener Merkur. Laut Inhaberin Edith Schmidt fehlte das Personal. Die Schließung führte bei Schmidt – sie besaß drei Apotheken im Ort – zu einer Umstrukturierung. Im Gegenzug zur Schließung zog sie mit ihrer Marien-Apotheke an einen neuen, deutlich größeren Standort.

Die 56-jährige Inhaberin Anke Herbst aus Mylau musste ihre Filialapotheke schließen. Das Aus der Schloss-Apotheke habe sich wirtschaftlich gesehen seit einiger Zeit angekündigt. Ende September war Schluß. Zusätzlich zu anstehenden Moderniesierungsarbeiten sei auch die Personaldecke dünn gewesen, „Auch uns fehlen die Fachkräfte. Aus diesem Grund dürfen unsere Mitarbeiter:innen selbstverständlich sehr gern im Verbund bleiben, sofern sie das wünschen.“ Herbst zeigt sich erleichtert: „Glücklicherweise stehen die Zeichen diesbezüglich sehr gut.“

Im niedersächsischen Nordenham schloß zum 15. Juli die Vital-Apotheke. Die Stadt habe laut Nordwestzeitung aktuell noch vier Apotheken; Anfang der 200er-Jahre waren es ganze zehn. Zu den Gründen zählen laut Inhaber Norbert Schulze die schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen für Apotheken und der Mangel an Hausärzten, der sich im Ort abzeichne.

Im fränkischen Nordhalben hat die Stausee-Apotheke letztmalig am 30. Dezember geöffnet. Laut Neue Presse Coburg sorgt sich Bürgermeister Michael Pöhnlein um die Arzneimittelversorgung des oberfränkischen 1600-Seelen-Ortes. Eine zukünftige Versorgung soll mittlerweile sichergestellt worden sein. Die Neue Presse Coburg berichtet, dass das E-Rezept dabei eine zentrale Rolle einnehmen soll.

Im hessischen Ober-Ramstadt hat die Lichtenberg-Apotheke seit dem 23. Dezember geschlossen. Bis zur SChließung gab es 50 Prozent Preisnachlass auf viele Produkte. Laut dem Nachrichtenportal Echo hat damit eine von nur vier Apotheken im Ort den Betrieb aufgegeben.

Die Rats-Apotheke in Rheda-Wiedenbrück, die in den Räumlichkeiten einer ehemaligen Brennerei beheimatet war, ist nach nur eineinhalb Jahre bereits wieder geschlossen. Die Gründe dafür sind laut der Neuen Westfälischen nicht bekannt.

Bereits Ende März schloss die Adler-Apotheke im oberbayerischen Schweitenkirchen. Als Übergangslösung zur Arzneimittelversorgung des Ortes dient nunmehr eine Rezeptsammelstelle. Laut Donaukurier handelt es sich dabei um einen Briefkasten, der am Rathaus installiert wurde.

Im bayerischen Seebruck schließt die Apotheke am Seefeld ab Weihnachten vorläufig. Inhaberin Renate von Ellerts hofft noch darauf, einen neuen Pächter zu finden. Nach 40 Jahren im Dienst will sie sich jetzt zurückziehen. Die aktuelle Pächterin gibt wegen verschiedener Gründe nach zweieinhalb Jahren auf.

In Unna schließt nach 65 Jahren die Burg-Apotheke in der Bahnhofstraße. Laut Hellweger Anzeiger wurde die Apotheke von den Stammkunden aufgrund ihrer Lage „die Apotheke mit der Eisenbahn“ genannt.

In Winterberg schließt die Markt-Apotheke von Jens Asmusen zum Jahresende. Laut Westfalenpost wird damit die Arzneimittelversorgung in der Innenstadt weiter ausgedünnt.

Die Steinberg-Apotheke im schweizerischen Winterthur schließt Ende Dezember. Wie der lokale Nachrichtendienst Der Landbote schreibtm eröffnete die Apotheke 1953. Anfang des Jahres wurde die Apotheke vom Unternehmen Nature First gekauft, das in Zürich bereits eine Apotheke und Drogerie betreibt. Wegen Platzmangels wird das Geschäft nun geschlossen. Die Steinberg-Apotheke stand seit 1990 unter Leitung von Eva Candrian und wurde von ihr Ende 2022 verkauft. Schwierigkeiten bei der Nachfolgersuche führten zum Verkauf. Swiss Life, Eigentümerin der Immobilie, sucht jetzt nach einem neuen Mieter.

In Witten schließt Apotheker Burkhard Waimann noch vor Weihnachten seine Rathaus-Apotheke. Laut WAZ schließt die Apotheke in bester Lage wegen schlechter Vergütung, der anhaltenden Lieferengpässe und hoher Kosten.

Die Stadt-Apotheke in Witzenhausen schließt laut Hessisch-Niedersächsischer Allgemeine, da kein Nachfolger gefunden werden konnte. Mit dem Ruhestand des 69-jährigen Inhabers Achim Krohne endet somit eine fast 400-jährige Apothekengeschichte.

Die Marien-Apotheke in Zell am Harmersbach schließt zum 31. Dezember. Laut Baden Online nannte Inhaber Christian Brenner eine Bandbreite an Gründen für die Entscheidung. Mit der Schließung geht eine fast 200-jährige Apotheken-Tradition zu Ende.

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