Pick-up-Stelle vor dem Aus

Medi am Markt: War das schon Apotheke Light?

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Berlin -

Nach der Schließung der Vor-Ort-Apotheke hat die Pick-up-Stelle „Medi am Markt“ über drei Jahre lang die Arzneimittelversorgung im oberfränkischen Stammbach (Bayern) sichergestellt. Ende des Monats ist damit Schluss. Wie es dann mit der Versorgung der Stammbacher weitergeht, ist ungewiss.

Nachdem die Markt-Apotheke in Stammbach Ende 2020 dicht gemacht hatte, musste eine Lösung her. Über zwei Jahre hatten die damaligen Inhaber vergeblich nach Nachfolgern gesucht, gingen dann aber letztlich in den Ruhestand. Bernard und Christine Michaelis betreiben die Rathaus-Apotheke im etwa sechs Kilometer entfernten Marktleugast. Sie übernahmen die Markt-Apotheke und entschieden schließlich, daraus die Pick-up-Stelle „Medi am Markt“ zu machen.

Immerhin muss die Versorgung von rund 2400 Menschen sichergestellt werden. Stammbach ist sehr ländlich gelegen: „Da gibt’s keinen Bus, da gibt’s auch keinen Gehsteig“, erklärt Christine Michaelis. Die Apotheke – oder entsprechend die Pick-up-Stelle – ist da als Versorgungspunkt eine wichtige Anlaufstelle.

Das Prinzip Pick-Up

„Die Pick-up-Stelle wurde ins Leben gerufen, um den Menschen in dieser ländlichen Region ohne Apotheken die Möglichkeit zu geben, Rezepte einzulösen“, erklärt Michaelis. „Medi am Markt war keine Behelfslösung, auch keine Notlösung, sondern die einzige Lösung, um den Verlust der Apotheke zumindest im Ansatz auszugleichen.“

Das Konzept ist schnell erklärt: Rezepte und Bestellungen freiverkäuflicher Produkte – wie Nahrungsergänzungsmittel oder Tees – können vor Ort abgegeben oder in einen Briefkasten eingeworfen werden. Je nach Wochentag und Uhrzeit kann das Präparat im Ladengeschäft abgeholt oder durch einen Boten zugestellt werden. „In der Regel haben wir die Medikamente am nächsten Tag vorliegen. Akutmedikamente versuchen wir taggleich zu besorgen, um die Kundschaft gut und schnell zu versorgen“, erklärt eine der Verkäuferinnen vor Ort. Denn: Bei Medi am Markt arbeitet nur nicht-pharmazeutisches Personal.

Für die Beratung sind die Kolleg:innen in Marktleugast zuständig: „Bei pharmazeutischen Fragen haben wir immer die Möglichkeit, unsere Apotheke zu kontaktieren. Das pharmazeutische Personal kann die Fragen dann direkt mit der Kundschaft abklären.“ Natürlich kann diese auch von zu Hause aus um eine telefonische Beratung bitten.

Die Einrichtung von Medi-am-Markt erinnert noch an die Markt-Apotheke, die hier bis 2020 betrieben wurde.Bild: Christine Michaelis/Rathaus-Apotheke Marktleugast

Warum keine Apotheke-Light?

Beratung über das Telefon, wenn notwendig: Das klingt schon ein wenig nach Telepharmazie und „Apotheke light“. Für die Stammbacher Pick-up-Stelle wäre das Konzept von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) trotzdem keine Option gewesen: „Egal, wie sich der Gesundheitsminister das Konzept am Ende vorstellt: Ich brauche für die Pick-up-Stelle trotzdem eine Apothekensoftware, Server und Rechner. Allein der Server für zwei Verkaufsplätze kostet heute rund 6000 Euro. Dazu kommen Drucker, Scanner, Versicherungen, nicht zu vergessen die Telematik-Infrastruktur und alle monatlichen Gebühren“, sinniert Michaelis.

Vor allem aber sei pharmazeutisches Personal notwendig. „Das ist vor Ort rar gesät und daran ist die Übernahme der Markt-Apotheke schon gescheitert. In der Pick-up-Stelle haben wir es letztlich nicht gebraucht.“ Der Fachkräftemangel mache sich schon lange in der Region bemerkbar. Für einen kleinen Ort wie Stammbach pharmazeutisches Personal zu finden, stellt Michaelis sich schwierig vor. Darüber hinaus erklärt sie zu den aktuellen Apotheke-Light-Ideen: „Ein Konzept ohne Apotheker, das ist gegenüber Apotheken eine Frechheit. Bei all den Regularien und Auflagen, die es in normalen Apotheken zu beachten gibt, was soll ‚Light‘ denn da eigentlich heißen?“

Michaelis kann sich abschließend nicht festlegen, ob sie es mit einem ausgereiften Light-Konzept nicht doch probiert hätte. „Das sind alles noch Fantasien. Nachgedacht hätten wir bei konkreten Regularien vielleicht schon. Aber ob es wirklich dazu gekommen wäre, das kann ich überhaupt nicht sagen“, erklärt sie. Dabei stelle sich nicht nur die Frage, ob sich die Apotheke gerechnet hätte. „Kosten, Nutzen, Personal; wenn ich einen ganzen Tag geöffnet habe, brauche ich mindestens drei Mitarbeiterinnen. Dann hat einer Urlaub und muss vertreten werden – da gibt es einfach vieles zu bedenken.“

Und jetzt?

Eine Rezeptsammelstelle kommt für Stammbach nicht in Frage: „Mit einer Rezeptsammelstelle liegt dieselbe Problematik vor wie mit der Pick-up-Stelle. Sobald es nur noch E-Rezepte gibt, ist eine Rezeptsammelstelle hinfällig.“ Zwar könnten E-Rezept-Token theoretisch weiterhin eingeworfen werden. Die nächstgelegene Praxis stellt diese allerdings nicht aus. „Die meisten Stammbacher gehen dorthin. Die Ärzte wollen das E-Rezept nur digital ausstellen, und das merken wir bereits jetzt deutlich.“

Ab April blieben dann nur noch Privat-, Betäubungs- und Hilfsmittelrezepte, die auf Papier ausgestellt werden. „Und davon kann ich kein Geschäft laufen lassen“, erklärt Michaelis weiter.

Aus dem Apothekenalltag der Hauptapotheke in Marktleugast weiß sie: „Es kommt vielleicht mal der ein oder andere E-Rezept-Ausdruck. Die Einlösung per eGK nimmt aber mit jedem Tag zu.“

Eine Belieferung Stammbachs von der sechs Kilometer entfernten Rathaus-Apotheke aus kommt ebenfalls nicht in Frage: „Wir können die Menschen dort nicht beliefern. Unser Bote ist mit unserem Umkreis bereits völlig ausgelastet. Ich müsste sowohl einen neuen Fahrer einstellen als auch ein weiteres Fahrzeug anschaffen. Das rechnet sich einfach nicht. Ich weiß gar nicht, was die Stammbacher jetzt machen.“

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