OTC-Hersteller

Steigerwald wird abgewickelt

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Frankfurt -

Zweieinhalb Jahre ist es her, dass Bayer den Iberogast-Hersteller Steigerwald gekauft hat. Bis jetzt blieb alles beim Alten; der Konzern hatte der Familie weitgehende Zugeständnisse gemacht und dafür am Ende den Zuschlag erhalten. Doch das Ende der Schonfrist ist nahe. Ab Januar wird die Marke abgewickelt.

Den Anfang macht der Außendienst: Ab Januar treten die Vertriebsteams gemeinsam auf. Steigerwald hatte seine Mitarbeiter unter der Leitung von Marketing- und Vertriebschef Jens Gruske bislang sowohl in die Arztpraxen als auch in die Apotheken geschickt.

Dieses Konstrukt sei für eine größere Strategie nicht geeignet, sagte Vertriebsleiter Thorsten Kujath bei der Inspirato-Konferenz „Zukunft Apotheke 2015“. Das Steigerwald-Team wird daher integriert und entweder Ärzte oder Apotheker ansteuern. Dabei sollen auch andere Produkte aus dem Gesamtportfolio angesprochen werden.

Mit einem getrennten Außendienst sei die „bestmögliche Lösung gefunden“ worden, so Kujath. Künftig sollen 89 der rund 130 Vertriebler in die Apotheken gehen, der Rest zum Arzt. Die Abstimmung zwischen den beiden Teams läuft elektronisch über ein CRM-System. Bislang hatte Bayer 63 Mitarbeiter vor Ort im Einsatz. Durch die Verdopplung würden die Gebiete kleiner und die Besuchsfrequenz höher.

Die Vorbereitungen liefen seit einem Jahr: Die Teams seien in den Bereichen Phytopräparate beziehungsweise chemisch basierte Produkte geschult worden, so der Vertriebschef weiter. Auch die Homöopathika von Steigerwald könnten von allen Mitarbeitern besprochen werden, so Kujath.

Negative Reaktionen erwartet man in Leverkusen nicht: „Der Kunde kauft die Marke und nicht den Hersteller", argumentiert Kujath. Diese Ansicht teile auch die Apothekerschaft. Er geht davon aus, dass es weitere Übernahmen im OTC-Bereich geben wird: „Es wird weiter gekauft werden. Der Markt wird sich weiter konsolidieren.“

Bayer hatte Steigerwald im Mai 2013 für 218 Millionen Euro übernommen – bei einem Umsatz von 61 Millionen Euro. Der Konzern versprach, die bestehenden Strukturen in Darmstadt und im Vertrieb zu erhalten. Zwar zog schon wenige Wochen nach der Übernahme mit Christian Sarto ein Bayer-Manager in die Geschäftsführung ein. Doch Bayer verpflichtete sich, alle 180 Mitarbeiter zu übernehmen; betriebsbedingte Kündigungen sollte es nicht geben, hieß es damals. Die Zugeständnisse waren ausschlaggebend für den Zuschlag; dem Vernehmen nach soll es mindestens ein finanziell besseres Angebot gegeben haben.

Doch das Ende der Schonfrist war von Anfang an für 2015 angesetzt. Sukzessive sollen demnächst auch die Packungen angepasst werden. Im Vorfeld wurde das Steigerwald-Portfolio bereits aufgeräumt; Produkte wie AP Ampullen, Asthmakhell, Femilla, Phytohepar, Proaktiv, Psychotonin und Steiprostat wurden gerade außer Vertrieb genommen. Immerhin: Am Standort in Darmstadt sollen weiterhin Forschung und Entwicklung angesiedelt sein; das Team von Gruske wechselt nach Leverkusen.

Für den Pharmakonzern, der den Anspruch hat, die Nummer 1 im globalen OTC-Geschäft zu sein, soll Steigerwald zum Nukleus für einen neuen Geschäftsbereich werden: Mit einer Kombination aus chemischen und pflanzlichen Präparaten wolle man künftig „smarter“ daher kommen, sagte unlängst Konzernchef Marijn Dekkers.

Kurz nach Steigerwald hatte Bayer im Frühjahr 2014 den chinesischen Herstellers Dihon gekauft, der auch Präparate der traditionellen chinesischen Medizin (TCM) anbietet. „Wir gehen davon aus, dass sich durch eine Kombination des kürzlich von Steigerwald erworbenen Geschäfts mit der Expertise und dem pflanzlichen TCM-Portfolio von Dihon ein zusätzlicher Nutzen für beide Bereiche erzielen lässt“, ließ sich Pharmachef Olivier Brandicourt anlässlich der Übernahme zitieren. Die traditionelle Lehre aus Fernost biete eine Alternative zu schulmedizinischen Therapien für Verbraucher.

Mit rund 10 Millionen Packungen gehört Steigerwald nach Bionorica (17 Millionen Packungen) und neben Engelhard, Schwabe und Klosterfrau zu den erfolgreichsten deutschen Phytoherstellern. Nach Umsatz kommt das Unternehmen auf Rang 3 hinter Schwabe und Bionorica und vor Klosterfrau, Pohl-Boskamp und Engelhard.

Die Risiken waren in den vergangenen Jahren immer offensichtlicher geworden: 90 Prozent des Umsatzes entfallen auf Iberogast; ansonsten hat das Unternehmen neben dem Johanniskraut-Präparat Laif nur ein Dutzend kleinerer Produkte wie Phytodolor und Phytohustil im Sortiment. Auch der Exportanteil lag zuletzt bei vernachlässigbaren 9 Prozent – anders als vergleichbare Unternehmen hatte Steigerwald die Internationalisierung verschlafen.

Als die Pensionierung des langjährigen Firmenchefs Dr. Marcel Robroeks nahte, stimmten 2013 Getraud Möller, Tochter des Firmengründers, sowie ihre drei Kinder Rainer und Klaus Möller sowie Andrea Weißmantel dem großzügigen Angebot aus Leverkusen zu. Damit verabschiedet sich das Traditionsunternehmen aus der Öffentlichkeit. Am 12. Januar wäre Steigerwald 65 Jahre alt geworden.

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