Telemediziner denkt über Vor-Ort-Angebot nach

Minikliniken bald auch in deutschen Apotheken?

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Berlin -

In der Schweiz hat sich das Konzept bereits etabliert: Mit sogenannten Minikliniken in Apotheken will der Telemedizin-Anbieter Medgate niedrigschwellige Gesundheitsangebote integrieren. An die Apotheke angeschlossen, können Patienten einfache Maßnahmen wie Wundkontrolle von einer ärztlichen Fachangestellten klären lassen und sich bei Bedarf telemedizinisch mit einem Arzt verbinden lassen. Medgate sieht das in der Schweiz als Erfolgsmodell und lotet derzeit aus, ob sich das Konzept auch in deutschen Apotheken umsetzen lässt. Bis es soweit sein könnte, werde es aber noch dauern, betont Deutschlandchef Dr. Christian Braun: „Wir befinden uns nicht vor einem Roll-out der Miniclinic in Deutschland, sondern haben lediglich eine gemeinsame Idee, dieses Konzept auf Deutschland übertragen zu wollen.“

Vor allem die medizinische Versorgung auf dem Land ist seit Jahren ein Dauerproblem: Das Netz wird immer dünner, die Anfahrtswege immer weiter und die Wartezeiten für einen Arzttermin immer länger. Neue Konzepte müssen her. So sieht es auch Medgate. Die Minikliniken in Apotheken wären demnach eine Möglichkeit, die Versorgung zu verbessern, erklärt Braun: „Wir stellen uns das auch als Hilfe für unterversorgte ländliche Regionen vor“, sagt der promovierte Internist, der seit vergangenem Jahr das operative Geschäft des Telemedizin-Anbieters hierzulande leitet. „Dabei ist uns wichtig zu betonen, dass wir das als Supportleistung begreifen und nicht in Konkurrenz zu den niedergelassenen Ärzten treten wollen.“

In der Schweiz, aber auch in den USA und Schweden sind derartige Konzepte bereits als niedrigschwellige Anlaufstellen in Gesundheitsfragen etabliert: An eine Apotheke angeschlossen befindet sich ein Tresen mit einer ärztlichen Fachkraft, die bei einfachen Fällen eine Erstbeurteilung geben oder sogar einfache Eingriffe wie das Ziehen von Fäden vornehmen kann. Handelt es sich um einen ernsteren Fall, kann vor Ort ein telemedizinisches Angebot in Anspruch genommen werden. Für die Patienten bedeute das: keine Termine, keine langen Wartezeiten. Aber auch für die Apotheken könne das demnach eine Chance sein, beispielsweise in der Spezialisierung. „Digitale Diagnosetools etablieren sich immer weiter, vor allem in der Dermatologie. Es sind da sehr vielfältige Anwendungsmöglichkeiten denkbar“, sagt Braun. „Das Grundproblem ist, dass die Digitalisierung so sehr an Fahrt aufgenommen hat, dass die Regulatorik kaum noch hinterherkommt.“

Ein solches Konzept einfach von der Schweiz auf Deutschland zu übertragen, ist also nicht ohne weiteres möglich. Medgate hat deshalb gemeinsam mit einem Apothekenpartner eine Initiativgruppe gegründet, um auszuloten, was in Deutschland geht und was nicht. „Wir haben schon einige Gespräche geführt, sind aber noch meilenweit davon entfernt, das umzusetzen.“

Denn die Liste offener Fragen sei noch sehr lang: Wie könnten Finanzierungskonzepte aussehen? Wie verhält es sich mit dem Makel- und Zuweisungsverbot? Wie sind die technischen Vorgaben – müsste eine solche Miniklinik beispielsweise über einen eigenen Eingang verfügen, wie es in der Schweiz der Fall ist? „Wir sind natürlich darauf bedacht, dass so etwas systemisch korrekt eingebunden wird“, sagt Dr. Stephan Pitum-Weber, der bei Medgate für den Market Access Deutschland verantwortlich ist. Auch seien andere Einbindungen der Minikliniken ebenfalls vorstellbar, beispielsweise in kleinen und mittelständischen Unternehmen. „Da ist ein enormes Einsparungspotential vorstellbar“, sagt Braun. Rein technisch jedenfalls sei schon alles bereit: „Wir haben die technischen Devices, die digitalen Strukturen und die ausgebildeten Ärzte.“ Vor allem auf letztere legt Braun großen Wert: Anders als bei anderen Telemedizinanbietern müsse jeder Arzt bei Medgate eine einmonatige Telemedizin-Schulung durchlaufen, danach eine Prüfung ablegen, werde lizensiert und danach jährlich relizensiert.

Einen Fuß im deutschen Markt hat Medgate bereits – auch wenn der Start holprig war. Ende 2019 hatte der Klinik-Konzern Rhön mit dem Schweizer Telemedizin-Anbieter ein Joint-Venture gegründet. In einer ersten Ausbaustufe sollten Patienten in dringenden oder allgemein medizinischen Fragen im Rahmen der gesetzlichen Regelungen Beratungen und Behandlungen per Telefon, Video, Internet oder Smartphone-App erhalten – doch nach der Übernahme durch Asklepios stieg Rhön schon im September 2020 wieder aus.

Ähnlich ging es der Plattform Apotheken.de des Deutschen Apotheker Verlags (DAV). Der hatte mit Teleclinic kooperiert – als die jedoch von DocMorris übernommen wurde, schmiss der der DAV Teleclinic kurzerhand raus. Ersatz musste her und wurde in Medgate gefunden: Seit Oktober ist der Schweizer Anbieter nun an Apotheken.de angebunden. Dadurch sollen Patienten direkt im Anschluss an die Online-Sprechstunde ihre verschriebenen Medikamente bei der gewünschten Apotheke vor Ort bestellen können. Die Apotheke empfängt das E-Rezept wie alle Vorbestellungen über ihren Bereich Mein.apotheken.de. Einen kurzen Draht zu eine großen Netz an Vor-Ort-Apotheken, an die sich Medgate dann nach dem digitalen Anschluss auch physisch binden könnte, wäre also gegeben.

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