Kommentar

Ausgezappt

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Berlin -

Die Aussage eines hochrangigen Vertreters der Finanzverwaltung klang fast schon ein wenig zerknirscht. Man habe gar keine „Knallerfälle“ mehr in Apotheken, sagte er im Sommer. Bei den Betriebsprüfungen holte der „Außendienst“ oft nur noch vierstellige Beträge in der Offizin ab – gemessen am Umsatz aus mehreren Prüfjahren so gut wie nichts. Doch der Fiskus gibt sich noch nicht geschlagen, den Apothekern droht eine neue Kampagne. Ein Kommentar von Alexander Müller.

Apotheker sind keine Bande von Steuerhinterziehern in weißen Kitteln. Punkt. Daran ändert auch nichts, dass sie immer wieder gern als Beispiel genannt werden – sei es von NRW-Finanzminister und CD-Sammler Norbert Walter-Borjans (SPD) oder den Apothekerfreunden von den Grünen. Man kann es sogar als Kompliment verstehen, dass die Branche in diesem Zusammenhang so hervorgehoben wird, kommt dabei doch eine gewisse Verwunderung zum Ausdruck: Wenn selbst die integren Apotheker Steuern hinterziehen, was ist dann erst im Rest des Einzelhandels los?

Steuer-Statistiken aus der Gastronomie oder dem Taxigewerbe legen solche Befürchtungen tatsächlich nahe. Wobei man auch hier nicht jeder Schätzung oder Hochrechnung von Leuten glauben sollte, die ihr Geld mit dem vermeintlichen Gegenmittel verdienen oder deren berufliche Daseinsberechtigung an dieser Statistik hängt.

Die Apotheker sind aber auch keine blütenweiße Herde von Unschuldslämmern. Es gibt auch Pharmazeuten mit der Ansicht, sie würden dem Staat zu viel Geld abgeben und solche, die ihre Steuerschuld nach eigenem Gutdünken reduzieren. Fliegen sie auf, droht sogar der Entzug der Betriebserlaubnis. Darüber wird sich kaum ein ehrlicher Kollege ärgern, zumal er zusätzlich als Konkurrent betroffen ist.

Systematischer Steuerbetrug wird zu recht hart bestraft. Und zwar nicht, weil es im Verhältnis zur Schuld angemessen wäre – wie ließe sich ein Steuerdelikt auch ins Verhältnis setzen zu Vergewaltigung oder Mord? Sondern weil sonst niemand mehr Steuern zahlen würde. Das allgemeine Unrechtsbewusstsein entwickelt sich hierbei gefühlt in eine positive Richtung, aber auch das ist nur eine Wahrnehmung.

Fakt ist, dass Steuerhinterziehung umso häufiger vorkommen wird, je geringer die Hemmschwelle ist. Die Verkürzung einer Tageseinnahme um einen kleineren Betrag mag dem Ein oder Anderen wie ein Kavaliersdelikt erscheinen. Wenn dann noch jegliche Spuren des eigenen Handels elektronisch verwischt werden können, wird mit dem Steuerbetrug auch der Selbstbetrug erleichtert.

Hier können sich auch die EDV-Anbieter nicht jeder Verantwortung entziehen. Selbst wenn kein Zapper ursprünglich in einem Softwarehaus entstanden ist, gab es anbieterübergreifend immer recht gut informierte Außendienstmitarbeiter. Hier hätte der Branche eine Selbstreinigung sicher gut getan.

Es wäre auch im eigenen Interesse der Softwarehäuser gewesen, wie man an den Durchsuchungen der Steuerfahndung sieht. Und nicht nur dies: Das Finanzgericht Rheinland-Pfalz (FG) hat den Geschäftsführer eines EDV-Anbieters in einer anderen Branche zur Zahlung von 1,6 Millionen Euro verurteilt – wegen des Einsatzes von Manipulationssoftware. Der EDV-Anbieter haftet für die Hinterziehung, wenn der Steuerpflichtige selbst nicht nachzahlen kann.

Das sind Geschichten aus der Vergangenheit. Mit den Zappern sind die „Knallerfälle“ aus den Apotheken verschwunden. Und wenn der Einsatz von Manipulationssoftware tatsächlich ein Massenphänomen gewesen wäre, wären auch mehr Extremfälle bekannt. Denn der Fiskus hat in den vergangenen Jahren technisch aufgerüstet und Personal gezielt auf Apotheken-EDV geschult. Bislang haben sich der Aufwand und der spürbare Anstieg bei den Betriebsprüfungen aber anscheinend nicht in den Ergebnissen niedergeschlagen.

Doch bevor der Tross der Außenprüfer in die nächste Branche weiterzieht, holen die Finanzämter noch einmal zum großen Schlag aus. Neue Durchsuchungen, neue Verdächtigungen. Es bleibt zu hoffen, dass es dabei bleibt und die Finanzämter anderswo nach „Knallerfällen“ suchen müssen.

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