Dat Tran (Springer AI) bei VISION.A

Apothekenplattformen: „Anmelden alleine reicht nicht“

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Berlin -

Beim Namen Axel Springer denken die allermeisten Leute noch an „Bild“ oder „Welt“. Doch das ist nur ein immer kleiner werdender Teil der Wahrheit: Das größte digitale Medienhaus Europas erwirtschaftet jetzt schon 80 Prozent seines Umsatzes mit Digitalangeboten wie Rubrikenportalen und will sich in den kommenden Jahren als Technologiekonzern neu erfinden. An vorderster Front dabei: Dat Tran. Der Experte für Künstliche Intelligenz leitet die Entwicklung des Tochterunternehmens Springer AI. Er weiß, wie man mit Plattformlösungen und KI neue Erlösmodelle entwickelt – und erklärt das bei der Digitalkonferenz VISION.A von APOTHEKE ADHOC, powered by Noventi. Tickets gibt es hier.

Digitale Geschäftsmodelle können nicht nur ihren Profiteuren wahnsinnig viel Geld einbringen, sie können deren Wettbewerbern auch in Windeseile den Boden unter den Füßen wegziehen. „Heute, in der digitalen Welt, kann man an einem Wochenende ein Business erschaffen, das ganze Branchen umwirft“, bringt Tran es auf den Punkt. Umso entscheidender ist es, zu verstehen, warum das so ist. Tran tut das: Sein Lebenslauf ist ein Potpourri aus digitalen und analogen Geschäftsfeldern, zwischen denen er selbst den roten Faden bildet.

Seit er mit 14 Jahren angefangen hat, zu programmieren, ist er technisch auf der Höhe der Zeit. Nach seinem Abschluss in Operations Research and Econometrics verschlug es ihn allerdings erst in die Investmentbanking-Branche, „aber Banking hat mir nicht so gefallen, deshalb habe ich mich umorientiert. Ich wollte immer Sachen mit großem Impact machen.“ Dafür kam er zur richtigen Zeit, schließlich begann Anfang des letzten Jahrzehnts der Siegeszug der KI. Von da an tauchte er in verschiedene Branchen ein, zum Beispiel baute er beim Online-Preisvergleichsportal Idealo ein Data Science Team auf, das unter anderem Algorithmen für Bildästhetik und für Verkaufswahrscheinlichkeiten entwickelt hat.

„Ich habe immer Zyklen von zwei Jahren, in denen ich schaue, ob ich genug erreicht und genug gelernt habe“, erklärt er seinen Werdegang. Ob zwei Jahre dafür bei Springer reichen, sei noch dahingestellt. Seit Juni 2019 leitet er dort die KI-Abteilung der Konzerntochter Springer AI – ein integraler Bestandteil auf dem Weg zum Techkonzern. „Springer hat sehr viele Tech-Unternehmen aufgekauft und integriert. Um ein Technologieunternehmen zu werden, muss man aber vor allem eigene Technologie entwickeln und verkaufen“, erklärt Tran. „Mein wesentlicher Anteil daran ist, dass ich die KI-Komponente bei Springer selbst entwickeln will.“

Deren Einsatzgebiete können in der Medienwelt vor allem der inhaltlichen Sicherheit dienen, wenn es beispielsweise um die Enttarnung sogenannter Deep Fakes geht, kann dem Journalisten aber auch zahlreiche Prozesse abnehmen. Die Angst, wegrationalisiert zu werden, geht auch in dieser Branche um. „KI ist für Automatisierung gut, nicht für kreative Arbeit. Eine vollständige Automatisierung von Journalismus wird es nie geben“, beruhigt er. Und dasselbe gelte für Apotheken. Doch das heißt noch längst nicht, dass alle Apotheker und PTA hierzulande unersetzlich wären.

„Die Frage ist, was ist der Mehrwert einer Apotheke? Für einfache Beratungsleistungen braucht es keinen menschlichen Apotheker“, sagt Tran. „Wenn ich ein Nasenspray kaufe und mir gesagt wird, dass ich das nicht länger als sieben Tage anwenden soll, dann muss das kein echter Mensch machen. Apotheke muss sich weiterentwickeln und sich fragen, wie sie sich diesen Herausforderungen stellt.“

Es führt also kein Weg daran vorbei, sich auf die eigenen Stärken zu konzentrieren und die gezielt auszuspielen. Aber wie? „Ich bin der Meinung, dass man heute nur mit einer Plattformstrategie überleben kann“, sagt er. „Aber eine Apotheke wird nicht herausstechen, nur weil sie sich bei einer Plattform anmeldet. Die entscheidende Frage ist, was der Differentiator ist.“ Und da geht es nicht nur darum, sich durch besonders guten Service hervorzutun und im Gedächtnis des Kunden zu bleiben, sondern auch umgekehrt seinen Kunden zu kennen. Beispielsweise durch die datenschutzrechtskonforme Nutzung von Recommendation Engines: Kunde A kauft vier verschiedene Produkte, Kunde B auch. Wenn drei davon gleich sind, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass Kunde B auf eine Empfehlung für das vierte Produkt anspringt. „Monetarisierung heißt nicht, Daten zu verkaufen, sondern die Verbesserung der User Experience“, so Tran.

Dazu müssen sich Kunde und Apotheke aber erst einmal finden. „Die Apotheker wissen oft nicht, wo ihre Kunden sind.“ Und das ist ein Problem, denn nur die wenigsten kommen aus Überzeugung in eine bestimmte Apotheke, sondern vor allem, weil sie den richtigen Impuls zur richtigen Zeit kriegen – also die Apotheke im passenden Moment sehen. Doch wie wird man sichtbar? „Das ist ein klassisches Henne-Ei-Problem: Man wird bei Google nur oben gerankt, wenn man viel geklickt wird. Die Leute, die schon eine Marke aufgebaut haben, werden immer höher gerankt. Das ist frustrierend, wenn man neu anfängt, aber da muss man Schritt für Schritt herangehen.“

Heißt: Markenarbeit leisten, sich als Player in der lokalen Versorgung etablieren, genau die Kundengruppen kennen, die man ansprechen will, und gleichzeitig durch Plattformen die eigene Reichweite erhöhen. Das will aber gelernt sein: „Wenn du im Internet bist, musst du ein Brand aufbauen und das ist schwierig. Du musst dich beispielsweise fragen, ob ich die richtigen Begriffe drin habe und muss dabei von Kundenseite denken! Außerdem muss ich mich überall anmelden, bei allen Plattformen. Denn umso mehr man gelistet ist, desto öfter wird man gesucht.“

Und daran scheitern viele kleine Betriebe bei ihren digitalen Ambitionen – auch weil sie denken, mit einem Onlineshop und einer schönen Webseite sei die Aufgabe erledigt. „Das Internet ist kein Selbstzweck“, erinnert Tran. „Man geht nicht ins Internet, weil es da so schön ist, sondern weil es notwendig ist, um Menschen zu erreichen.“

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