Haftstrafen für Betrüger

240.000 Euro: Wie zwei Maskenbetrüger einen Apotheker ausnahmen

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Berlin -

In München wurden zwei Betrüger verurteilt, die einen Apotheker zu Beginn der Covid-19-Pandemie fast in den Ruin getrieben haben: Sie gaben vor, ihm aus Schutzausrüstung besorgen zu können, und ließen ihn wochenlang immer wieder in Vorkasse gehen. Erst als er kein Geld mehr hatte, flog der Schwindel auf.

Fast jeder Apotheker dürfte erinnern, wie schwierig die Beschaffung von Persönlicher Schutzausrüstung (PSA) zu Beginn der Covid-19-Pandemie war. Jeder war froh, wenn er angesichts der angespannten Lage eine verlässliche Bezugsquelle erschließen konnte – und gar nicht so wenige Apotheker fielen dabei auch auf Betrüger oder Anbieter zweifelhafter Ware herein. In einem besonders drastischen Fall hat nun das Amtsgericht München ein Urteil gefällt: Zwei Betrüger wurden dort zu Geld- und Haftstrafen verurteilt, nachdem sie einen Münchner Apotheker einen Monat lang nach Strich und Faden ausgenommen hatten.

Über einen ehemaligen Mitarbeiter war der Inhaber an Sasa R. und Dragan A. geraten. Bei einem Treffen am 17. März erklärten die ihm, dass sie Zugriff auf einen verlässlichen Lieferanten in Thailand hätten. Um ihn davon zu überzeugen, zeigten sie ihm Handybilder von FFP3-Masken, die einzeln und in Versandkartons verpackt waren. 100.000 Stück könnten sie ihm davon zum Preis von je einem Euro beschaffen, wenn er eine Anzahlung von 10.000 Euro leistet, behaupteten sie. „Tatsächlich hatten die beiden Angeklagten A. und R. zuvor gemeinsam beschlossen, sich eine Geldeinnahmequelle von einigem Gewicht zu verschaffen“, halten die Richter hingegen auf Grundlage der Geständnisse der beiden fest. Sie verfügten weder über die beschriebenen Waren noch hatten sie entsprechende Kontakte zu Lieferanten.

Was sie hingegen hatten: Gier und eine Menge kriminelle Energie. Noch am 17. März händigten sie ihm eine Rechnung über die Lieferung von 100.000 FFP3-Masken zu einem Euro je Stück, 78.000 FFP2-Masken und 100.000 OP-Masken jeweils zu einem 33 Cent pro Stück aus. 158.740 Euro netto beziehungsweise 188.900 Euro brutto betrug die Rechnung laut Urteil. Doch damit fing der Ärger erst an.

Obwohl sie es besser wussten, versicherten Sasa R. und Dragan A. dem Apotheker, dass die Masken sofort per Flugzeug geliefert werden können – sobald er die Anzahlung leistet, um damit den Import zu ermöglichen. Noch am 17. März überwies der Apotheker deshalb das Geld. Doch das reichte angeblich nicht. Eine gute Woche später standen sie erneut auf der Matte und wollten weitere Anzahlungen: Am 25. und 26. März überwies der Apotheker je zweimal 15.000 Euro und hatte damit schon insgesamt 70.000 Euro vorgestreckt, ohne auch nur eine Maske gesehen zu haben. Die restliche Summe sollte er erst bei Ankunft der Ware zahlen müssen. Doch auch dabei blieb es nicht.

Denn als Sasa R. und Dragan A. merkten, dass der Apotheker anbeißt, legten sie nach: Bereits nach der ersten 10.000-Euro-Anzahlung erkundigten sie sich bei ihm, ob er denn nicht auch Interesse an Thermometern hätte. Erneut zeigten sie ihm Bilder vom angeblichen Material, erklärten diesmal aber, die Thermometer lägen schon in einem deutschen Lager zur Abholung bereit. Der Apotheker fragte allerdings nach, ob die auch zertifiziert seien – und ließ sich erneut von Handyfotos täuschen. Die Bilder entsprechender Zertifikate und CE-Dokumente besorgte sich einer der Angeklagten im Internet und über einen Bekannten. Also kaufte der Apotheker ihnen auch noch 12.500 Thermometer zum Preis von 17 Euro pro Stück ab. 212.500 Euro netto beziehungsweise 252.875 Euro brutto betrug die Rechnung dafür. Der Apotheker, der auch eine Großhandelslizenz besitzt, hatte wiederum selbst Abnehmer für die Ware in Spanien und England gefunden. Erneut wollten die Betrüger Vorauszahlungen: Insgesamt 27.000 Euro überwies der Inhaber in drei Tranchen zwischen dem 26. und dem 30. März.

Doch auch nach dieser Bestellung kriegten Sasa R. und Dragan A. den Hals noch nicht voll. Kurz darauf trafen sie sich erneut mit dem Apotheker und machten die Lieferung von weiteren 100.000 Masken aus. Diesmal sollten es K95-Masken für 90 Cent pro Stück sein, also erneut 90.000 Euro netto beziehungsweise 107.000 Euro brutto. Schon in der darauffolgenden Woche sollten sie aus dem Raum Köln/ Dortmund angeliefert werden. Für diese angeblich direkt bevorstehende Lieferung ließ sich der Apotheker ganz besonders aussaugen: Zwischen dem 30. März und dem 2. April leistete er insgesamt fünf Anzahlungen von zusammengenommen 60.000 Euro.

Doch natürlich traf die Ware gar nicht ein. Also mussten sich die beiden Kriminellen etwas einfallen lassen, um den Apotheker bei Stange zu halten: Sie gaukelten ihm vor, dass es Probleme bei der Lieferung aus Thailand gebe – und die nur durch weitere Anzahlungen behoben werden können. Wieder fiel er herein: Er überwies noch einmal 50.000 Euro in vier Teilzahlungen. Und selbst das war noch nicht genug. Auf Masken und Thermometer folgten Latexhandschuhe. 10.000 Packungen à 100 Handschuhe in 167 Kartons mit je 60 Schachteln hätten sie noch im Angebot sagten sie ihm. 24.000 Euro netto beziehungsweise 28.560 Euro brutto sollten die kosten. Und obwohl er immer noch nichts in der Hand hatte, überwies der Apotheker am 6. April erneut 10.000 Euro Anzahlung. Doch dann ging angeblich etwas mit den Handschuhen schief: Die Ware sei bereits an einen anderen Abnehmer verkauft und geliefert worden, erzählten sie dem Apotheker. Es gebe nun Probleme mit dem Spediteur, die – wie auch sonst? – durch weitere Anzahlungen gelöst werden müssten. Noch einmal legte der Apotheker deshalb 185.600 Euro in zwei Zahlungen nach. „Mithin hatte der Geschädigte die Rechnung Nr. 118 in voller Höhe bezahlt, die Lieferung der Ware erfolgte entsprechend der Absicht der Angeklagten jedoch nicht“, rechnet das Gericht zusammen.

Und auch für die Thermometer musste der vermeintliche Spediteur herhalten. Der halte die Ware nämlich zurück und gebe sie erst frei, wenn eine bestimmte Summe bei ihm eingegangen sei: 65.000 Euro müssten vorgestreckt werden, sonst verliere der Apotheker die Ware. Dabei bemühte Sasa R. auch seine Schauspielkünste, um den Apotheker von der Notlage zu überzeugen: „Noch in Anwesenheit des Geschädigten telefonierte der Angeklagte R. mit dem angeblichen Spediteur, so dass sich für den Geschädigten eine finanziell beängstigende Situation ergab, da er seinerseits bereits die Ware an seine Kunden weiterverkauft hatte“, schreibt das Gericht. Doch diesmal zögerte der Apotheker.

Also zündeten Sasa R. und Dragan A. die nächste Stufe ihres Betrugsplans. Um „den Geschädigten in Sicherheit zu wiegen, dass alles seine Richtigkeit habe“, nahmen sie ihn mit zu einem Münchner Anwalt. Am 14. April saßen sie in dessen Büro, um unter seiner Aufsicht einen Vertrag zur Sofort-Überweisung des Geldes zu unterzeichnen. Ob der Anwalt in die Betrugsmasche eingeweiht war oder ebenfalls getäuscht wurde, geht aus dem Urteil nicht hervor. Die beiden Kriminellen hatten sich jedenfalls Mühe gegeben, das Geschäft sauber aussehen zu lassen: Gemäß der vertraglichen Regelung sollte jeweils einer der beiden Betrüger nur mit Zustimmung des Apothekers über die überwiesene Kaufpreissumme verfügen dürfen. Eine Auszahlung oder Abhebung sollte nur mit Zustimmung des Apothekers möglich sein. Für den Fall der Zuwiderhandlung war eine Vertragsstrafe in Höhe von 100.000 Euro sowie eine Lieferung der bereits gekauften Ware für den 16. April vorgesehen.

Doch es kam anders als sie erwartet hatten: Der Apotheker unterzeichnete den Vertrag nicht. Denn er war blank, hatte den beiden bereits sein gesamtes Geld in den Rachen geworfen. Sasa R. und Dragan A. sahen ein, dass sie ihn auf diesem Wege nicht mehr ausnehmen können, versuchten daraufhin aber trotzdem weiterhin, ihn zu weiteren Zahlungen zu bewegen. Doch schon am Folgetag versuchte der, die Reißleine zu ziehen: Er forderte Dragan A. auf, ihm die Anzahlungen zurückzuzahlen. Schließlich hatte er bisher keinerlei Ware gesehen und seine Kunden in Spanien und England waren mangels Lieferung ebenfalls schon vom Kaufvertrag zurückgetreten. Doch das ging nicht: Denn schon bis zum 9. April hatten sie sich an 235.560 der insgesamt 238.560 Euro zu schaffen gemacht. Unter anderem hatten sie Mietschulden in Höhe von knapp 35.000 Euro beglichen und 200.890 Euro bar abgehoben.

Dragan A. kaufte sich davon unter anderem einen Mercedes Benz für 26.900 Euro – und begann damit direkt die nächste Straftat, für die er sich nun in dem Prozess rechtfertigen musste. Denn bereits im September 2019 war ihm die Fahrerlaubnis abgenommen wurden, per Gerichtsurteil wurde gegen ihn eine Sperre zur Wiedererlangung der Fahrerlaubnis bis Oktober 2019 verhängt. Den Führerschein machte er danach nicht nochmal – fuhr aber mit seinem cash gekauften Benz durch die Gegend.

Am 16. April reichte es dem Apotheker dann endlich. Er beendete den Spuk, indem er zur Polizei ging und die beiden anzeigte. Noch am selben Tag wurden sie festgenommen. Bei der Durchsuchung der beiden Wohnungen von Sasa R. und Dragan A. konfiszierten die Beamten insgesamt 66.240 Euro an Bargeld. Im Dezember begann der Prozess gegen die beiden und endete schnell wieder, denn Staatsanwaltschaft, Verteidigung und Gericht gingen im Rahmen eines Rechtsgesprächs einen Deal ein: vollumfängliche Geständnisse und im Gegenzug Verurteilungen von nicht mehr als drei Jahren für Dragan A. sowie Geldstrafe und nicht mehr als zwei Jahre auf Bewährung für Sasa R.

Und so kam es dann auch: Sasa R. wurde wegen Betrugs in Mittäterschaft in sechs tatmehrheitlichen Fällen in Tatmehrheit mit versuchtem Betrug in Mittäterschaft verurteilt. Da er gewerbsmäßig handelte, wurden die Taten als besonders schwerer Betrug gewertet. Er erhielt zwei Jahre auf Bewährung und muss eine Geldstrafe von 360 Tagessätzen zu je 70 Euro, also 25.200 Euro, zahlen. Seinen Komplizen traf es um einiges härter: Nicht nur hat er ein Vorstrafenregister, das im Urteil allein in der Aufzählung fünfeinhalb Seiten umfasst. Bei ihm kamen neben der Betrugstatbestände und dem Fahren ohne Führerschein noch einmal vorsätzliche Körperverletzung hinzu, weil er seinen Neffen verprügelt hat, nachdem er ihm Geld gestohlen hatte. Er muss für zwei Jahre und zehn Monate ins Gefängnis. „Zu Lasten sprechen seine zahlreichen Vorstrafen und das besonders verwerfliche Vorgehen des Ausnützens einer Pandemie zugunsten seines eigenen Vorteils“, so die Richter.

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