Kundenansturm auf Apotheken

Maskenpflicht: „Das, was wir hatten, war ruckzuck ausverkauft“

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Berlin -

Es ist eine altbekannte Klage: Die Politik handelt, die Apotheken baden es aus. Das lässt sich im Moment wieder in Sachsen erkennen: Am Freitag verkündete die Landesregierung eine Maskenpflicht im Einzelhandel und im öffentlichen Personennahverkehr. Doch wo sollen die Masken herkommen? Auch die Apotheken müssen oft um Ware kämpfen. In der Bevölkerung ist das aber längst nicht jedem bewusst – Kunden stehen in der Apotheke und beschweren sich, beklagen Kollegen im Freistaat.

Sachsen machte am vergangenen Freitag den Anfang und kündigte eine Maskenpflicht im Nahverkehr und Einzelhandel an. Mehrere Bundesländer sind dem Beispiel gefolgt: Heute kündigten auch Schleswig-Holstein, Hamburg, Berlin, Hessen, Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt eine solche Verpflichtung an. Thüringen, Bayern und Mecklenburg-Vorpommern hatten dies bereits zuvor getan. In Sachsen gilt die Maskenpflicht seit diesem Montag.

Das kam bei vielen Bürgern offenbar nicht an, berichten Apotheken im Freistaat. „Am Freitagnachmittag begann direkt der Ansturm“, erzählt beispielsweise Daniela Hänel, Inhaberin der Linda-Apotheke in der Nordvorstadt in Zwickau. „Was an Masken reinkommt, ist aber schon morgens weg. Die Leute haben ihren deshalb Frust abgelassen, weil nichts da ist.“ Die Reaktionen seien oft unverständlich, die Kunden hätten gefragt, wie es denn sein kann, dass nichts da ist, wenn die Masken doch Pflicht seien. „Ich habe den Kunden dann erklärt, dass es ein Tuch oder ein Schal auch tun – das wurde von den Medien nicht ausreichend erwähnt.“ Vonseiten der Kammer oder des Verbands sei sie vorab nicht informiert worden. „Die waren wahrscheinlich selbst überrascht.“

In der Landeshauptstadt sah es ähnlich aus. „Am Freitag wurde es beschlossen und Samstagvormittag kamen die Leute“, erzählt eine PTA der Wasa-Apotheke in Dresden. „Der Ansturm ist immer noch groß, es gibt eine sehr starke Nachfrage nach den Masken. Ungefähr jeder dritte Kunde will eine haben.“ Auch dort seien viele Kunden enttäuscht gewesen, dass sie nicht bekommen, was sie wollen. „Manche haben sich aufgeregt, dass es keine Masken gibt. Aber wenn man ihnen die Lieferketten erklärt, dann sehen sie es ein.“ Immerhin, für die PTA ist es kein neues Phänomen: „Erst waren es die Desinfektionsmittel, dann die Handschuhe, jetzt eben die Atemmasken. Das kommt immer in Wellen. Ich denke, bis Mitte der Woche wird sich das wieder legen“, sagt sie. Die Lage sei deshalb halb so dramatisch. „Viel schlimmer sind eigentlich die andauernden Lieferengpässe bei Arzneimitteln.“

Zumindest bei Atemmasken kann man sich aber auch durch Eigeninitiative bei Lieferengpässen behelfen. „Wir arbeiten mit einer Schneiderin zusammen, deswegen waren wir da ganz gut ausgerüstet“, sagt Sylvia Janze, Inhaberin der Stadt-Apotheke Bautzen. „Das, was wir hatten, war ruckzuck ausverkauft.“ Zwar hätten die Kunde dabei dann manchmal diskutiert, ob solche selbstgenähten Masken etwas bringen. Aber: „Sie waren größtenteils einsichtig. Ich neige auch nicht dazu, sowas auszudiskutieren.“ Dennoch bleibt es an einem hängen. „Es ist natürlich schwierig, den ganzen Tag freundlich zu bleiben, auch wegen der Maske, die man selbst trägt und unter der man das Gesicht nicht sieht.“

Wohl dem also, der bereits gut mit Lieferantenware ausgerüstet ist – Ulrich Tepe beispielsweise, Inhaber der Apotheke im Leipziger Hauptbahnhof. Ihm kam der Ansturm sogar ganz recht, denn seit der Personenfernverkehr größtenteils zum Erliegen gekommen ist und die Geschäfte geschlossen sind, ist auch im riesigen Leipziger Hauptbahnhof tote Hose. „Bisher gibt es deutlich weniger Frequenz am Bahnhof. Wir sind von den Einschränkungen genauso betroffen wie die Center-Apotheken“, sagt Tepe. Trotzdem war er gut bevorratet. „Erst hatte ich zu viele Masken – wie es im Moment so ist: Man weiß nie, was man richtig macht und was falsch.“ Spätestens seit Freitag ist der Maskenvorrat aber in jedem Falle richtig. „Die Leute stehen gerade Schlange. Es ist definitiv mehr los als sonst in letzter Zeit“, so Tepe. „Die Kunden fragen und freuen sich dann, wenn man was da hat.“ Verdruss bereiten ihm weniger die Kunden als die Lieferanten. „Das größte Problem ist, dass wir jeden Tag 30 Angebote bekommen, aber nie wissen können, ob sie seriös sind. Die größte Kunst besteht darin, gute Qualität zu einem vertretbaren Preis zu bekommen.“

Verdruss kann aber nicht nur wegen der Kunden oder der Lieferanten aufkommen – auch die Maßnahme an sich treibt vielen Apothekenmitarbeitern die Wut in den Bauch. „Bei uns sind die Kunden nett. Sie bemängeln nur, dass es dumm wäre, wenn es eine Pflicht gibt, aber keine Masken“, sagt eine Pharmazieingenieurin aus der Kronen-Apotheke in Chemnitz. „Wir haben auch keine Masken und erklären dann, dass ein Tuch oder Schal reicht.“ Dabei sind aus ihrer Sicht weder Maske noch Tuch oder Schal im Moment sinnvoll. Sie rechnet vor: „Wir haben in Chemnitz 250.000 Einwohner, zurzeit steckt sich also statistisch einer am Tag an – aber alle 250.000 Einwohner müssen eine Maske tragen.“

Die Maskenpflicht werde sich deshalb am Ende als kontraproduktiv erweisen, ist sie sich sicher. „Im Alltag kriege ich da einen Anfall! So eine Maske ist ja auch eine Bakterienschleuder: Wenn man die den ganzen Tag auf hat, dann ist sie schön warm und feucht, da können die sich Bakterien und andere Erreger schön vermehren“, erklärt sie. „Dann kriegt man zwar kein Corona, aber man kann sich allerlei andere Atemwegserkrankungen einfangen.“ Für sich selbst hat sie einen Weg gefunden, ihre Haltung auch ohne große Ausführungen den Kunden mitzuteilen. „Ich habe mir ‚Ich bin dagegen‘ auf meine Maske geschrieben“, sagt sie. „Ich finde das so sinnlos.“

Doch sie wird sich wohl daran gewöhnen müssen, zehn Bundesländer haben bereits eine Pflicht verkündet. In Bayern beginnt die Pflicht am kommenden Montag. Die Kunden kommen trotzdem schon. In der Löwen-Apotheke in Feuchtwangen beispielsweise ist der Ansturm derzeit enorm. Heute Morgen waren laut Inhaber Dr. Stefan Spaniel schon etwa dreimal so viele Kunden in der Offizin wie an einem normalen Tag. Auch gestern sei man überrannt worden wie zu Beginn der Corona-Krise.

Spaniel hatte Glück, man könnte auch sagen, sein Einsatz hat sich gelohnt. Nachdem sein offener Brief an Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) bei APOTHEKE ADHOC veröffentlicht wurde, hat sich die Süddeutsche Zeitung mit dem Apotheker in Verbindung gesetzt. So kam er in einem Beitrag zwischen Spahn und SPD-Gesundheitsminister zu Wort und konnte über die schwierige Lage in den Apotheken berichten. Daraufhin meldete sich ein Ausstatter für persönliche Schutzausrüstung (PSA) bei ihm und bot ihm Ware an. Spaniel konnte zu einem frühen Zeitpunkt recht günstig einkaufen. Deshalb kann er die Masken derzeit für 1,20 Euro anbieten, während sie anderenorts zum Teil das Doppelte kosten.

Die Kollegen will Spaniel ausdrücklich vor dem Vorwurf des Wuchers in Schutz nehmen: Die Einkaufspreise seien in den vergangenen Wochen eben massiv gestiegen. Eine interessante Beobachtung hat Spaniel in den vergangenen Tagen noch gemacht: Seit alle verrückt nach Masken sind, ist die Nachfrage nach Desinfektionsmittel spürbar gesunken.

 

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