Schiedsverfahren

Apotheker dürfen Formfehler heilen

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Berlin -

Apotheker können Retaxationen wegen Formfehlern auf dem Rezept künftig abwenden: Nach Informationen von APOTHEKE ADHOC haben sich der Deutsche Apothekerverband (DAV) und der GKV-Spitzenverband im Schiedsverfahren auf ein umfassendes Korrekturrecht für die Apotheker verständigt – allerdings vor der Abrechnung. Außerdem wurde eine Länderklausel verankert, wonach die Landesapothekerverbände (LAV) weitergehende Verträge mit den Krankenkassen zu Retax-Fragen abschließen können.

Die vierte Gesprächsrunde vor der Schiedsstelle brachte gestern den Durchbruch: Die Vertragspartner vereinbarten in einer mehrstündigen Sitzung neue Retaxregeln. Ein Schiedsspruch des unabhängigen Vorsitzenden Dr. Rainer Hess war damit nicht nötig, der Kompromiss ist einvernehmlich. Die Einzelheiten wollen DAV und GKV-Spitzenverband heute gemeinsam präsentieren.

Einzelheiten sind aber bereits durchgesickert: Formfehler sollen nicht mehr retaxiert werden, wenn sie die Arzneimittelsicherheit und Wirtschaftlichkeit nicht wesentlich betreffen. Voraussetzung bleibt auch künftig, dass die Korrektur vor der Abrechnung erfolgt. Allerdings muss der Arzt nicht jede Änderung gegenzeichnen, wenn es sich um erkennbare Fehler handelt. In dringenden Fällen darf der Apotheker auch ohne vorherige Rücksprache Rezeptfehler heilen, wenn die Verordnung ansonsten eindeutig ist. Der Arzt muss dann im Nachgang informiert werden.

Falls der Fehler bei der Kontrolle im Apothekenrechenzentrum auffällt, soll ebenfalls eine Korrektur möglich sein, solange das Rezept noch nicht mit der Kasse abgerechnet wurde.

Ist die Abrechnung eines Rezeptes bereits erfolgt, sollen kleinere Fehler nicht mehr zu einer Null-Retaxation führen. Nach APOTHEKE ADHOC-Informationen gehören dazu unter anderem unvollständige Versichertendaten, wenn beispielsweise der Vorname des Versicherten fehlt oder es Abweichungen zwischen dem Namen und der Versichertennummer gibt.

Keine Retaxation soll außerdem mehr erfolgen, wenn die Telefonnummer des Arztes fehlt oder andere Arztdaten wie der Vorname im Stempel nicht vermerkt sind. Allerdings muss die Identität des Arztes aufgrund der erkennbaren Daten eindeutig sein. Die Kassen hatten in diesem Punkt bereits auf Retaxationen verzichtet.

Eine Entschärfung gibt es auch bei der Verwendung von Sonder-PZN: Fehlende Sonderzeichen beim Austausch von Arzneimitteln sollen nachträglich hinzugefügt und im Beanstandungsverfahren geheilt werden können, heißt es. Außerdem reicht künftig die Angabe der Sonder-PZN ohne weitere Begründung.

Außerdem gibt es für die Landesapothekerverbände eine Öffnungsklausel nach § 129 SGB V für den Abschluss von Retax-Verträgen mit Krankenkassen auf Landesebene. Offenbar wurde hier an die in Hamburg bestehenden Regelung gedacht, die Null-Retaxationen grundsätzlich ausschließt.

Kassen und Apotheker haben sich außerdem darauf verständigt, ein Urteil des Sozialgerichts Koblenz nicht anzuwenden. Dieses hatte in einem Retax-Verfahren 2014 entschieden, dass Apotheker nicht substituieren dürfen, wenn der Arzt einen Reimport mit Pharmazentralnummer (PZN) verordnet und das Aut-idem-Kreuz setzt. Die Schwenninger Krankenkasse war gegen die Entscheidung nicht in Berufung gegangen, das Urteil ist daher rechtskräftig.

Kassen und Apotheker waren sich zuvor einig, dass der Austausch Original/Import nicht als Aut-idem-Substitution gilt. Dies wurde in der Folge des Urteils in Einzelverträgen auch noch einmal klargestellt, etwa mit der AOK in Bayern oder bundesweit mit dem VDEK. Demnach bleibt ein Austausch zwischen Original und Import in jedem Fall möglich.

Den Kassen ging es um ihre Rabattverträge mit Originalerstellern, die ansonsten ins Leere zu laufen drohten. Die Apotheker befürchteten, dass sie bei Lieferengpässen auf Seiten der Importeure Probleme bekommen könnten, wenn ein Austausch unterbunden wird. Eine Freistellung der Importe von der Aut-idem-Regelung wurde jetzt auch im Rahmen des Schiedsverfahrens vereinbart.

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