Kunden gehen wegen Rabatt-Arzneimittel zur Polizei

Karlsruhe: Rauferei wegen Rabattvertrag

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Berlin -

In der Karlsruher Residenz-Apotheke mussten sich Inhaber und Team vergangene Woche mit zwei besonders widerspenstigen Kunden herumschlagen – und zwar wörtlich: Eine Frau weigerte sich standhaft, eine Packung Diclofenac anzunehmen, weil es nicht das Original war. Es kam zu Handgreiflichkeiten am HV, am Ende flüchteten die beiden – verschwanden aber nicht, sondern gingen selbst zur Polizei.

Rabattverträge sind schon so oft ärgerlich, da braucht es keine uneinsichtigen Kunden. In Residenz-Apotheke von Inhaber Gerhard Haaf fanden sich aber gleich zwei ganz besondere Spezialisten ein: Gegen halb fünf kamen ein 57-Jähriger und seine Ehefrau in die Offizin, um eine Bestellung für die Frau abzuholen. Zwei Arzneimittel standen auf dem Rezept, eines hatte sie zuvor bereits erhalten, das zweite wollten sie nun gemeinsam holen: eine 50er-Packung Diclofenac. Die hatte die Apotheke auch da, aber eben „nur“ von dem Hersteller, der im Rabattvertrag vorgesehen ist. „Sie wollte aber unbedingt haben, was der Arzt ihr verschrieben hat“, erzählt Haaf. „Da haben wir ihr erklärt, dass die Kasse das dann aber nicht zahlt.“

Eigentlich könnte die Geschichte hier vorbei sein. Doch weder Frau noch Mann wollten sich überzeugen lassen. Stattdessen entspann sich am HV eine Diskussion zwischen der Kundin und einer Mitarbeiterin. „Die Kollegin hat es ihr immer wieder liebevoll erklärt, aber sie war nicht bereit zuzuhören und das einzusehen“, sagt Haaf. Stattdessen bestand die Frau plötzlich darauf, das Diclofenac zurückzugeben. Das gehe allerdings nicht, sagten ihr Haaf und die Kollegin. Die andere Packung des Rezepts hatte sie nämlich bereits angebrochen. Da wurde die Frau übergriffig: Das Rezept lag auf dem HV, sie habe es sich einfach genommen, in eine kleine Hülle gesteckt und wollte damit gehen. Doch das ließ Haafs Mitarbeiterin nicht zu. So standen beide Frauen am HV und zogen von ihrer jeweiligen Seite aus am Rezept in der Hülle. Es kam zu einem Handgemenge.

Daraufhin gelang es den beiden, sich loszureißen und die Apotheke zu verlassen. Medikament und Rezept hatten sie bei sich, also versuchte Haaf, wenigstens noch schnell ein Beweisfoto von den beiden zu machen, das er dann der Polizei vorzeigen kann. Er folgte ihnen zur Tür – „die der 57-jährige Beschuldigte derart zuschlug, dass der Apotheker wohl mehrere Meter nach hinten geschleudert wurde“, wie es die Polizei in ihrer Meldung zum Vorfall formuliert hat und auch von der Lokalpresse aufgegriffen wurde. „Das ist ganz deutlich übertrieben“, sagt Haaf dazu. Die Tür habe ihn eher am Ellenbogen getroffen, er sei nicht mal gestürzt, geschweige denn durch die Luft geflogen. Einholen konnte er die beiden aber auch nicht mehr. Musste er aber auch nicht – denn sie waren alles andere als spurlos verschwunden.

Statt sich aus dem Staub zu machen, gingen die beiden nämlich schnurstracks selbst zur Polizei. Sie müssen sich ihrer Sache wohl sehr sicher gewesen sein, denn sie wollten die Apotheke wegen eines Abgabefehlers anzeigen, wie Haaf erzählt. Was sie anscheinend nicht wussten: Haaf selbst hatte direkt davor schon mit der Polizei gesprochen und den Vorfall geschildert. Also begannen sie auch auf dem Polizeirevier Weststadt zu diskutieren. „Hierbei geriet der 57-Jährige augenscheinlich auch noch mit den Polizeibeamten aneinander, als diese ihn mit den Vorwürfen des zuvor kontaktierten Apothekers und seiner Angestellten konfrontierten“, schreibt die Polizei.

Das Ende vom Lied: Statt des Originalpräparats haben die beiden nun eine Anzeige wegen räuberischen Diebstahls erhalten – wegen einer Packung Diclofenac, die Haaf im Einkauf 3,50 Euro gekostet hat. „Die ganze Geschichte ist eigentlich schon Comedy-reif“, sagt der Inhaber. Er sei froh, dass alles so glimpflich ausgegangen ist, schließlich hätte die Situation auch schlimmer eskalieren können. „Das war aber alles halb so wild – eigentlich sogar noch weniger als halb. Außer dass wir ein paarmal herzlich gelacht haben, ist eigentlich wenig passiert.“ Der Vorfall hatte, nachdem er aufgrund der Polizeimeldung in der Lokalpresse etwas drastischer geschildert wurde als er eigentlich war, sogar einige schöne Folgen. „Wir hatten schöne Resonanz von Kunden, die uns Geschenke vorbeigebracht haben und sich freuten, dass wir noch leben“, sagt er. „Sowas tut gut.“

Dennoch sei es frustrierend, dass er sich immer wieder mit uneinsichtigen Kunden herumschlagen muss. „Solche Sachen passieren immer wieder mal. Das wird in den letzten Jahren immer mehr, je mehr Rabattarzneimittel es gibt“, erklärt er. „Bei einer bestimmten Klientel ist diese Anspruchshaltung besonders ausgereift. Die waren nämlich immer die besten Beitragszahler von allen und fühlen sich dann unterversorgt.“ Er habe sogar schon Kunden deshalb verloren. Wenigstens die Polizei kümmert sich vorbildlich: „Die haben mir heute gesagt, dass in den nächsten Tagen ein Beamte vorbeikommt und mir das konfiszierte Rezept vorbeibringt – damit wir die 3,50 Euro auch ordentlich abrechnen können.“

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