Rheinland-Pfalz

Apotheker soll für Rezeptsammelstelle zahlen

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Berlin -

Rezeptsammelstellen sollen die vor allem die Arzneimittelversorgung von weniger mobilen Menschen sicherstellen. Dagegen kann eigentlich niemand etwas haben, sollte man meinen. In einem kleinen Ort in Rheinland-Pfalz entbrennt jedoch derzeit ein Streit um den örtlichen Briefkasten einer Apotheke. Grund: Er verschandele das Prachtstück des Ortes.

Knapp 800 Einwohner hat Konken, eine Grundschule, einen Kindergarten und ein Gewerbegebiet. Eine Apotheke oder eine Arztpraxis gibt es im Ort nicht. Dafür gibt es seit April eine Rezeptsammelstelle, die die Apotheke am Rosengarten im benachbarten Kusel hat aufstellen lassen. Apothekeninhaber Bernd Kessler hatte das bei der zuständigen Landesapothekerkammer genehmigen lassen und mit Ortsbürgermeister Fritz Emrich abgesprochen.

Wie die „Rheinpfalz“ berichtet, war Emrich der Anfrage ohne Bedenken gefolgt und hatte im Alleingang grünes Licht gegeben. Der Kasten diene schließlich dem Wohl der Bevölkerung, argumentierte er im Gemeinderat. Da könnte die unspektakuläre Geschichte eigentlich vorbei sein. Doch in den letzten Wochen hat sich im Ort Widerstand geregt.

Nicht der Bürgermeister, sondern der Gemeinderat hätte darüber entscheiden müssen, befindet nämlich die Beigeordnete Angelika Fauß. Sie hatte die Rezeptsammelstelle extra auf die Tagesordnung des Gemeinderats setzen lassen. Und sie erhält Unterstützung für ihren Widerstand, mindestens zwei weitere Ratsmitglieder wollen, dass der Kasten wieder abgebaut wird.

Einer der Gründe ist die Lage: Er steht vor dem „Haus der Kulinarischen Landstraße“, einem Selbstversorgerladen, der regionale Landwirtschaftsprodukte anbietet. Der Laden ist das „Schmuckstück des Ortes“, wird Ratsmitglied Marco Daub zitiert, der das ansehnliche Gebäude nicht durch einen Briefkasten verschandelt wissen will. Auch der Beigeordnete Karl Knecht plädierte dafür, den Rezeptkasten ab- und an anderer Stelle wieder aufzubauen.

Etwas anders nimmt man die Standortfrage allerdings nicht nur in der Apotheke wahr, sondern auch im Haus der Kulinarischen Landstraße selbst. Die dortige Angestellte Karin Lambrecht kann die Aufregung nicht verstehen. „Mich persönlich stört der Kasten überhaupt nicht“, sagt sie. „Es gibt doch wichtigere Dinge im Ort, über die man sich streiten kann!“ Dabei betont sie, dass die Rezeptsammelstelle nicht einmal auffalle. Erst kürzlich sei ein Kunde zu ihr in den Laden gekommen und habe gefragt, wo denn dieser Kasten überhaupt sei, von dem er in der Zeitung gelesen hat. Er habe ihn nicht einmal von allein gefunden. Leibrecht ist sich jedenfalls sicher: „Der Kasten ist kein Schandfleck.“

Ebenso unverständlich scheint ihr Daubs Argument, dass die Rezeptsammelstelle einzig dem Profit des Apothekers aus Kusel dient. „Der Kasten steht dort ja nicht, weil jemand gut zu den Leuten sein will“, wird Daub in der Rheinpfalz zitiert. „Man könnte ja noch streiten, wenn es nur eine Apotheke wäre, aber es sind ja mehrere, die sich den teilen“, hält Lambrecht dagegen. Tatsächlich teilen sich mehrere Pharmazeuten den Kasten in Kusel. Im zweimonatigen Rhythmus wechseln sie sich ab, damit keine Apotheke bevorzugt wird.

Fauß geht sogar noch einen Schritt weiter. Sie will erwägen, ob man „in dieser exponierten Lage“ denn nicht ein Entgelt für die Aufstellung der Sammelstelle fordern solle. Ihre Befürchtung: Nach der Anbringung des Rezeptkastens könnten auch andere Einrichtungen Anspruch auf einen eigenen Briefkasten erheben.

Dabei hat Kessler schon für den Standort bezahlt. 250 Euro im Jahr berechnet die Kammer für den Antrag. Über den Streit wirkt man dort befremdet. „So ein Problem hatten wir meines Wissens nach noch nie“, sagt eine Sprecherin. „Von unserer Seite ist das ein ordnungsgemäßes Genehmigungsverfahren gewesen.“ Mehr könne auch sie nicht zu der Debatte sagen.

Unverständnis erzeugt bei manchen Einwohnern aber nicht nur die Lage vor dem Haus der Kulinarischen Landstraße, sondern die Ortswahl als solche. Im März hatte die letzte Arztpraxis in Konken geschlossen. Wer in den Nachbarorten zum Arzt gehe, der gehe doch dort auch zur Apotheke, wurde bei der Gemeinderatssitzung eingewandt. Der Kasten sei aber auch als Angebot an die Bevölkerung gedacht und außerdem gebe es auch Ärzte, die Hausbesuche in Konken machen, erwiderte darauf Kessler laut lokaler Zeitung. Auf Nachfrage wollte sich der Apotheker nicht mehr zu dem Thema äußern: Es sei alles gesagt und er wolle kein weiteres Öl ins Feuer gießen, gibt er diplomatisch zu verstehen.

Emrich zumindest verteidigt seine Entscheidung, den Beschluss allein gefasst zu haben, und ruft seine Mitbürger zur Gelassenheit auf: Wegen der paar Quadratmeter solle man doch „kein großes Fass aufmachen“, sagt er.

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