Streit um Anhörung im Bundestag

Dittmar pocht auf Votum der EU-Kommission

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Berlin -

Lange hat es gedauert, jetzt soll es ganz schnell gehen: Morgen startet die Beratung des Apothekenstärkungesetzes (VOASG) mit der 1. Lesung im Bundestag. Für die SPD wird Edgar Franke als Berichterstatter für Apothekenthemen reden. Vorab jedoch hat Sabine Dittmar, Gesundheitspolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion, schon einmal klargemacht, dass die SPD das VOASG nicht einfach durchwinken wird. Sie beharrt auf dem Votum der EU-Kommission zum geplanten Rx-Boniverbot. Auch die für den 16. September angesetzte Anhörung im Gesundheitsausschuss gerät in die Kritik.

„Der Entwurf für das Vor-Ort-Apothekenstärkungsgesetz liegt seit vielen Monaten vor und ist in Teilen schon durch andere Gesetzgebungen abgearbeitet“, so Dittmar gegenüber APOTHEKE ADHOC. Die Koalitionsfraktionen hätten schon vor der Sommerpause vereinbart, dass das VOASG in der ersten Sitzungswoche im September in 1. Lesung beraten wird und in der darauffolgenden Woche die Anhörung stattfinden soll: „Das tun wir nun.“

Vereinbart sei darüber hinaus, dass das Gesetz „in Kenntnis der bis dahin erfolgten Stellungnahme der EU-Kommission weiter beraten werden soll“. Dittmar: „Gesundheitsminister Spahn wird sicherlich ein ureigenes Interesse daran haben, dass das Votum der EU-Kommission entsprechend berücksichtigt wird, damit das Gesetz europarechts- und verfassungskonform verabschiedet werden kann. Er wird sicherlich vermeiden wollen, dass das Apothekengesetz ein ähnliches Desaster wird wie die Maut von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer.“

Zwar liegt inzwischen das von Spahn bestellte Gutachten von Iges und DIW vor. Doch die Gespräche mit der EU-Kommission haben noch kein Ergebnis gebracht. Man sei auf gutem Wege, hieß es zuletzt aus dem Bundesgesundheitsministerium. Was das bedeutet, ist nicht konkretisiert worden. Im März 2019 hatte die Kommission die Bundesregierung aufgefordert, innerhalb von zwei Monaten ein Konzept zur Aufhebung der Preisbindung für ausländische Versender vorzulegen. Sonst drohe der Bundesrepublik eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH). Wie der EuGH verwies die Kommission damals auf den freien Warenverkehr. Damit werden die Karten in der innerdeutschen Diskussion neu gemischt. Seitdem gab es zahlreiche Gespräche zwischen Brüssel und Berlin – ohne Ergebnis.

Das System der Festpreise nach deutschem Recht (Arzneimittelgesetz) verringere die Möglichkeiten der Apotheken, Rabatte anzubieten, und schränkte den Handel zwischen den EU-Ländern ein, hieß es in dem Mahnschreiben an das BMG. Die Kommission vertrat die Auffassung, dass solche nationalen Vorschriften gegen den Grundsatz des freien Warenverkehrs verstoßen. Bereits im November 2013 habe man ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet und ein Aufforderungsschreiben an die deutschen Behörden gerichtet, erinnerte die Kommission. In der Zwischenzeit habe das Urteil des EuGH die Beurteilung der Kommission bestätigt.

Daher forderte die Kommission Deutschland auf, die Rechtsvorschriften zu ändern, um sie an die EU-Vorschriften „ohne Verzögerung“ anzupassen. Da Deutschland keine Maßnahmen ergriffen habe, habe die Kommission beschlossen, eine mit „Gründen versehene Stellungnahme“ zu übermitteln. „Deutschland hat jetzt zwei Monate Zeit, um die Situation zu verbessern. Andernfalls kann die Kommission beschließen, Deutschland vor dem Gerichtshof der EU zu verklagen“, so die Pressemitteilung im März 2019. Es ist kaum anzunehmen, dass die EU-Kommission ihre Rechtsauffassung unter deutscher Präsidentschaft geändert hat.

Sicherlich dürfte das geplante Rx-Boni-Verbot auch in der öffentlichen Anhörung des Gesundheitsausschusses eine wichtige Rolle spielen. Allerdings gibt es bereits vorab Kritik an der Anhörung, weil die Öffentlichkeit ausgeschlossen ist. „Öffentliche Anhörungen ohne Öffentlichkeit? Dass die Regierung nicht dafür sorgen kann, dass am 16. September bei der Anhörung vor dem Gesundheitsausschuss wenigstens Fachpublikum in einer gewissen Anzahl zugelassen werden kann, ist aus unserer Sicht ein Armutszeugnis“, kritisiert die Freie Apothekerschaft das Verfahren.

„Vor was haben die Abgeordneten Angst? Maske, Händedesinfektion, Abstand bei den Sitzplätzen – was für ein Problem gibt es da?“ Schließlich werde Wirten und Restaurants von der Bundesregierung auch zugemutet, unter Einhaltung von Abstands- und Hygieneregeln ihre Geschäfte zu führen. Das müsse dem Bundestag auch zuzumuten sein.

Auf Nachfrage verwies der Bundestag, dass der Gesundheitsausschuss über das Verfahren der Anhörung selbst entscheide. „Die Anhörung findet aufgrund der aktuellen Situation ohne Publikum statt“, heißt es in der Ankündigung. Ob das den Regeln der Demokratie entspricht, will man im Bundestag nicht bewerten. Allerdings wird darauf verwiesen, dass die Anhörung im Bundestags-TV übertragen werde – entweder Live oder als Aufzeichnung in der Mediathek zu sehen sei. Falls auch das nicht möglich sei, gebe es ja noch das Wortprotokoll – das wird allerdings in der Regel erst einige Tage später veröffentlicht.

 

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