Endlich Ostern! Hatten Sie auch das Gefühl, dass die kosmischen Kräfte in den vergangenen Wochen irgendwie verrückt spielten, dass bei Kunden, Kollegen und Geschäftspartnern die Nerven blank lagen? Fast schlimmer als vor Weihnachten. Aber dieser normale Alltagswahnsinn ist natürlich nicht zu vergleichen mit dem, was gerade in Berlin abgeht. Der Poker um die wichtigsten Posten ist in vollem Gange.
Als der Koalitionsvertrag in der vergangenen Woche stand, machte schnell eine Liste potenzieller Kabinettsmitglieder die Runde. Ganz taufrisch war das Dokument nicht; einige Ressortzuschnitte passten nicht zu den genannten Posten. Aber zumindest schienen die genannten Kandidatinnen und Kandidaten plausibel, sodass das Kabinett Merz im Großen und Ganzen als „gesetzt“ gelten konnte.
Doch allmählich drängt sich der Eindruck auf, dass das Personaltableau offenbar überhaupt noch nicht ausgehandelt ist. Am Dienstag ließ CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann völlig überraschend ausrichten, dass er kein Amt im Kabinett anstrebt, sondern lieber auf seinem Posten bleiben will. Und weil nun das Wirtschaftsministerium neu vergeben werden muss, scheint plötzlich alles wieder offen.
Wer also kommt als Gesundheitsminister und damit Nachfolger von Karl Lauterbach (SPD) in Frage? Darüber scheinen sich SPD und Union durchaus Gedanken zu machen – wie ein geheimer Schmierzettel aus dem BMG vermuten lässt.
Tino Sorge: Sein Name stand auf der Liste, und fachlich wie politisch wäre er wohl immer noch ein Glücksfall für die Leistungserbringer. Hinzu kommt, dass er als einer der wenigen Vertreter aus dem CDU-Kader nicht aus NRW, sondern aus Thüringen kommt.
Hendrik Streeck: Der Virologe ist für die CDU zum ersten Mal in den Bundestag eingezogen und durfte die Verhandlungen in der AG Gesundheit begleiten. Im Podcast „Berlin Playbook“ des Nachrichtenportals Politico wurde er dazu gedrängt, sich selbst für das Ministeramt ins Spiel zu bringen: Es brauche einen Minister, der sich mit den verschiedenen Akteuren und ihren Partikularinteressen „anlegen“ könne, so seine Ansage. Was ihn konkret qualifiziert? „Ich kenne zumindest alle sehr gut.“
Jens Spahn: War schon einmal Gesundheitsminister, sieht das Amt aber eher als Durchgangsstation. Auch könnte er die versprochene Aufarbeitung der Pandemie wohl schlecht selbst leisten, das Thema gilt sogar als Risiko im Kabinett. Am Tag nach Linnemanns Absage brachte Spahn sich bei einem Hintergrundgespräch forsch mit Wirtschaftsthemen ins Spiel. Öffentlich sorgte er zuletzt allerdings mit seinen Aussagen zur AfD für neue Schlagzeilen. Fakt ist: Die CDU braucht Spahn als „Kraftwalze“, die Frage ist nur: In welcher Funktion? Laut Bild ist er mittlerweile als Fraktionschef gesetzt.
Als „großen Fehler“ bezeichnet Boris Velter, Chefstratege von Lauterbach und Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten im Gesundheitswesen (ASG), den Übergang der Ressortverantwortung an die CDU. Was spricht also dagegen, diese Fehlentscheidung noch einmal zu korrigieren?
Karl Lauterbach: Könnte doch einfach im Amt bleiben – und hinter das Thema Bürokratieabbau direkt einen Haken machen: Kein nervenaufreibender Umbau des Ministeriums, schon geschriebene Gesetzesvorhaben könnten einfach neu auf die Reise geschickt werden. „Reformen auf gar keinen Fall verwässern“, lautete sein Leitsatz an seinen Nachfolger. Wer könnte das besser umsetzen als er selbst? Freuen würden sich darüber – neben ihm selbst natürlich – auch seine 330.000 Follower auf Social Media, laut denen er mehr bewegt habe „als Ihre Vorgänger in den letzten 10 Jahren zusammen!“
Wer sagt denn, dass man sich erst mühsam durch die Parteistrukturen nach oben gekämpft haben muss, um Minister zu werden? Spätestens seit Trump/Musk weiß man doch, dass auch verdiente oder aussichtsreiche Milliardäre die unumstrittene Fähigkeit haben, ein Land zu Besserem zu führen.
Christoph Werner: Ob Wahlrecht, Gesetzgebungsverfahren oder Krankenstand, es gibt wohl kein Thema, zu dem der dm-Chef nicht etwas zu sagen hätte – eine großartige Voraussetzung für den Ministerposten. Am stärksten aber sind seine Weisheiten über das Gesundheitswesen: Wer so wortreich darüber hinweg philosophieren kann, dass er im Grunde nur auf der Suche nach zusätzlichen Profiten ist, der kann schließlich auch Minister werden. Und nebenbei bemerkt: Er hat zuletzt zugegeben im Notfall auch mal Schmerzmittel in der Vor-Ort-Apotheke zu kaufen. Na, wenn das keine solide Ausgangssituation ist!
In diesem Sinne: Fröhliches Weiterspekulieren. Und frohe Ostern.
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