Anti-Korruptionsgesetz

„Bei Korruption verfällt der ganze Umsatz“

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Berlin -

Am geplanten Anti-Korruptionsgesetz scheiden sich die Geister: Berufsverbände und Hersteller rätseln, wie mit den neuen Vorschriften umzugehen ist. Auch der Heidelberger Strafrechtler Professor Dr. Gerhard Dannecker sieht noch einige Schwachstellen. Insbesondere der Verweis auf das Berufsrecht sei alles andere als glücklich, da es in Deutschland keinen einheitlichen Standard gebe. Klar ist aus seiner Sicht dagegen, dass es bei nachgewiesenen Absprachen härtere Strafen als das Gefängnis geben kann.

ADHOC: Wie streng wird das Anti-Korruptionsgesetz wirklich?
DANNECKER: Bei einem Beamten machen Sie sich schon strafbar, wenn Sie ihm einen Vorteil anbieten. Im Entwurf zum Anti-Korruptionsgesetz für das Gesundheitswesen ist die Strafbarkeit eingeschränkt und das ist auch sinnvoll. Hier bedarf es immer einer konkreten Unrechtsvereinbarung. Das ist eine höhere Hürde für die Beweislast.

ADHOC: Der Staatsanwalt muss für eine Anklage also immer erst den geheimen Vertrag finden?
DANNECKER: Das Gericht kann auch aufgrund von Indizien zu der Überzeugung kommen, dass eine Unrechtsvereinbarung vorliegt. Wenn alle Rezepte aus einer Praxis in einer weit entfernten Apotheke landen und nicht in der im selben Haus, wird ein Richter schon genau nachfragen. Abgesehen davon finden die Ermittler bei einer Durchsuchung eigentlich immer irgendetwas, gerade im Zeitalter von E-Mails.

ADHOC: Werden demnächst regelmäßig Arztpraxen und Apotheken durchsucht?
DANNECKER: Davon ist nicht auszugehen. Das wird nur in den wirklich krassen Fällen geschehen. Es gibt in jedem Berufsstand einen bestimmten Prozentsatz, der über die Grenzen geht. Aber um das einmal klar zu sagen: Das Anti-Korruptionsgesetz wird die allermeisten Apotheker und Ärzte nicht betreffen.

ADHOC: Welche Rolle spielt das Berufsrecht für die Strafbarkeit?
DANNECKER: Der Gesetzgeber hat das bislang so ausgelegt: Strafbar kann nur sein, was nach dem Berufsrecht unzulässig ist. Allerdings ist die Einheit der Rechtsordnung streng genommen ein Postulat. Rechtsgebiete können durchaus unterschiedlich gestaltet sein, wenn es dafür gute Gründe gibt. Ein berufsmäßiger Dieb macht sich strafbar, muss auf seine Beute aber trotzdem Steuern bezahlen. Umgekehrt ist nicht automatisch alles strafbar, was in einer Berufsordnung von Apothekern oder Ärzten untersagt ist.

ADHOC: Was droht, wenn es doch strafbar ist?
DANNECKER: Die meisten denken beim Strafrecht nur an Freiheits- oder Geldstrafen, die im Gesetz geregelt werden. Viel härter trifft aber meistens der sogenannte Verfall: Der gesamte Umsatz, der aus einer Tat folgt, fällt dem Staat zu. Dabei gilt das Bruttoprinzip, auch wenn der Verurteilte nur eine Gewinnspanne von 20 Prozent hatte. Das wird oft als ungerecht empfunden, ist aber vom Bundesgerichtshof (BGH) schon in mehreren Fällen bestätigt worden.

ADHOC: Nennen Sie doch mal ein Beispiel.
DANNECKER: In einer Spielhalle hatte der Betreiber einen Geldwechselautomaten aufgestellt, damit die Kunden kleine Scheine hatten. Er hatte daran zwar keinen Gewinn, hätte aber trotzdem für das Bankgeschäft eine Genehmigung benötigt. So aber verfiel der gesamte Umsatz und das Geld aus dem Automaten wurde eingezogen. Weil der Betreiber ordentlich Buch geführt hatte, ging der Schaden in die Millionen.

ADHOC: Bei einer Apotheke würden entsprechend die betroffenen Umsätze verfallen?
DANNECKER: Wenn es eine unzulässige Absprache gibt zwischen Arzt und Apotheker, ist das genau so. Dann würden alle Umsätze, die etwa aus einer belegten Zuweisung entstanden sind, dem Staat zufallen. Pharmahersteller kann das genauso treffen, selbst wenn nur einzelne Außendienstmitarbeiter ohne Wissen des Vorstands das Unrecht begangen haben. Deshalb darf man die Kriminalisierung, die in diesem Tatbestand steckt, nicht zu leicht nehmen. Sie ist im Grunde richtig, aber wir benötigen sehr klare Regeln.

ADHOC: Klarer als im bisherigen Entwurf?
DANNECKER: Der Gesetzgeber verabschiedet ein bundeseinheitliches Strafrecht, verweist dabei aber auf die berufsrechtlichen Vorschriften. Und diese fallen je nach Bundesland und Berufskammer unterschiedlich aus. Man könnte hier sicherlich auf eine Vereinheitlichung hinwirken, zumindest bei den kritischen Punkten. Aber es wäre aus meiner Sicht besser, wenn der Gesetzgeber die wesentlichen Dinge selbst regeln würde, indem konkrete Verbote im Strafrecht aufgenommen werden.

ADHOC: Weil sonst die Kammern das Strafrecht schreiben?
DANNECKER: Oder umgekehrt. Die Kammern könnten bisherige Verbotstatbestände aus der Berufsordnung streichen, um eine Kriminalisierung zu vermeiden. Sie würden das sicher nicht leichtfertig tun, aber wenn ein Druck in diese Richtung entstehen würde, wäre das allein schon sehr unglücklich. Hinzu kommt, dass die Kammern nicht demokratisch legitimiert sind: Ich habe weder die Bundesärztekammer gewählt noch eine Landesapothekerkammer. Die Regeln sind zwar verbindlich für die Angehörigen der Heilberufe, aber es ist schon fraglich, warum sich beispielsweise ein Hersteller an Berufsrecht halten soll.

ADHOC: Apotheker sorgen sich derzeit wegen ihrer Einkaufsverhandlungen. Können OTC-Rabatte wirklich strafbar sein?
DANNECKER: Der Regierungsentwurf ist gegenüber dem Referentenentwurf erfreulicherweise an zentralen Stellen verbessert worden. Auch für Apotheken war es wichtig, dass bestimmte Bezugsentscheidungen jetzt ausgeklammert werden. Jeder Apotheker darf mit Herstellern die branchenüblichen Mengenrabatte vereinbaren.

ADHOC: Was ist mit nachträglichen Abverkaufsprämien?
DANNECKER: Rabatte sind sogar kartellrechtswidrig, wenn sie nicht genau definiert sind. Berufsrechtlich sind solche Konditionen meines Wissens nicht per se verboten, also auch nicht strafbar, sofern die konkrete Beratung der Patienten in der Folge nicht auf das betreffende Produkt zugeschnitten wird. Das spricht im Übrigen für eine Einbeziehung des Berufsrechts: Die Kammern sind viel näher am Berufsstand und können oft am besten einschätzen, was geht und was nicht. Das herauszuarbeiten, wird die wichtige Aufgabe nach Inkrafttreten des Gesetzes sein.

ADHOC: Auf welcher Seite stehen die Kammern?
DANNECKER: Es sollte keine Feindschaft zwischen Staatsanwaltschaft und Berufskammern geben. Vielmehr müssen Handlungsanleitungen entwickelt werden. Wir haben es nicht mit Menschen zu tun, die Straftaten begehen oder immer nur mehr Geld verdienen wollen, sondern es herrscht eine große Unsicherheit, was künftig erlaubt ist und was nicht.

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