Arzttermine

Callcenter für Kassen-Patienten

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Berlin/ -

Seit Montag hilft ein Callcenter Kassen-Patienten bei der Suche nach einem Facharzttermin. Die Nachfrage ist da. Aber schon am ersten Tag zeigt sich: Der Teufel steckt im Detail.

35 Kilometer bis zum Augenarzt? Das ist der älteren Dame viel zu weit. Dann würde sie lieber zum Hautarzt, sagt die Frau aus der Wetterau. Nicht alle Patienten, die am ersten Tag bei der Facharztvermittlung anrufen, haben das System verstanden. Die Mitarbeiter der Terminservicestelle müssen am Montag viel erklären. „Sie brauchen eine besondere Überweisung mit einem Code“, sagen sie geduldig stets aufs Neue und: „Sie können sich den Arzt leider nicht aussuchen.“

Schneller zum Facharzt via Callcenter: Kassen-Patienten, die eine ärztliche Überweisung haben, können sich an eine zentrale Telefonnummer der jeweiligen regionalen Kassenärztlichen Vereinigung (KV) wenden. Die dortigen Mitarbeiter helfen bei der Suche nach einem Facharzttermin. Sie müssen den Patienten innerhalb einer Woche einen Termin vermitteln, der maximal vier Wochen nach dem Anruf liegt. Klappt das nicht, bekommt man ersatzweise einen Termin im Krankenhaus.

Klingt gut, denken sich viele Patienten, die davon gehört haben – endlich kommen nicht nur privat Versicherte schnell dran. Aber die Sache hat ein paar Haken: Man benötigt (außer für Augen- und Frauenarzt) eine „dringliche“ Überweisung. Die Praxis darf je nach Fachrichtung bis zu einer Stunde weit weg sein. Geht es um einen Bagatellfall oder eine Routineuntersuchung, ist die Servicestelle nicht zuständig.

Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) hatte die Kassenärzte verpflichtet, diesen Service anzubieten – sie tun das aber nur widerwillig. Terminprobleme gebe es nur in wenigen Fachgebieten, schimpfte der Chef der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen, Frank Dastych. In dringenden Fällen rufe ohnehin der Hausarzt beim Fachkollegen an. Das Ganze sei „Unsinn“ und teuer noch dazu.

In Baden-Württemberg lief der Terminservice am Montag schleppend an. Vier Mitarbeiter der KV nahmen die Wünsche von zehn gesetzlich Versicherten an. In fünf Fällen sei ein Termin in den kommenden vier Wochen vermittelt worden. „Durch die Tatsache, dass die Patienten sich nur an uns wenden können, wenn sie eine Überweisung haben, war klar, dass die ersten erst einmal zum Hausarzt gehen müssen“, erläuterte ein Sprecher. Die Kosten der Servicestelle bezifferte er für 2016 auf 500.000 Euro.

Doch Gesetz ist Gesetz und so nahmen am Montag laut Kassenärztlicher Bundesvereinigung (KBV) 17 Callcenter den Betrieb auf. Die Öffnungszeiten sind sehr unterschiedlich. In Hessen wurden um 9.00 Uhr im zehnten Stock des KV-Gebäudes die Leitungen freigeschaltet. Sie sind täglich bis 16.00 Uhr geöffnet (freitags bis 14.00 Uhr). Schon in der ersten Stunde kamen knapp 50 Telefonate rein. Darunter viele Patienten ohne dringliche Überweisung, aber auch erste Fälle, die vermittelt wurden.

Zum Beispiel eine Frau aus der Nähe von Hanau, die zum Orthopäden will. Vermittlerin Nicole Franken notiert Name, Wohnort, Telefonnummer und Überweisungscode und verspricht einen Rückruf. Dann sucht sie in der Liste freier Termine nach dem nächstgelegenen Spezialisten, ruft die Frau zurück und meldet sie bei der Praxis an. Der Arzt ist 20 Kilometer weg und der Termin an diesem Freitag.

Die KV hatte im Vorfeld alle Fachärzte angeschrieben und sie gebeten, Termine für die Kunden des Telefonservices freizuhalten. Sie geht davon aus, dass rund 30 Prozent aller Überweisungen als dringend eingestuft werden könnten. Dann müsste die Frankfurter Servicestelle an die 25.000 Termine pro Monat vermitteln.

Auch am Montag melden Praxen freie Termine. Die Mitarbeiter pflegen diese in eine Datenbank ein. 20.000 freie Facharzttermine stehen aktuell in Hessen zur Verfügung. In Baden-Württemberg sind es grob geschätzt rund 10.000. Die Ärzte können sich freiwillig an dem Service beteiligen. Nicht alle Fachrichtungen sind gleich gut vertreten. Als ein Patient einen Radiologen sucht, spuckt das System in Hessen erstmal nichts aus. Die Mitarbeiterin telefoniert Praxen durch und kann dem Mann dann doch einen Termin anbieten. Vieles muss sich noch einspielen, aber die Nachfrage ist da.

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