Physikalische vs. mikrobiologische Stabilität

Faktencheck: Haltbarkeit der Impfstoffe

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Berlin -

Nach vier Wochen dezentraler Impfung kommt erneut die Frage nach der Haltbarkeit auf. Die Ärzt:innen einzeln den Impfstoff in ihren Praxen unter normalen Umgebungsbedingungen aus. Von Reinraumbedingungen keine Spur. Doch gelten die bekannten sechs Stunden Lagerungszeit nach Anbruch dann überhaupt? In den Fachinformationen findet sich der immer gleiche Tenor. Eine Übersicht zum Download gibt es hier

Nicht zum ersten Mal kommt es zu Diskussionen bei der Haltbarkeit der Impfstoffe. Bereits Anfang des Jahres wurde das Thema ausgiebig in den Impfzentren diskutiert. Damals ging es ausschließlich um den Impfstoff von Biontech, da noch kein anderes Vakzin zugelassen war. Einige Landkreise setzten von Anfang an auf Apotheker:innen und PTA, um aseptische Techniken sicher anzuwenden. Darüber hinaus entschieden sich einige Zentren zum Aufbau von Werkbänken, um eine aseptische Herstellung zu gewährleisten. Andere Standorte vernachlässigten die Frage nach den Umgebungsbedingungen – und stellten auf Schreibtischen in gut belüfteten Räumen her.

Neue Daten zur Stabilität

Fünf Monate nach der Zulassung des ersten Corona-Impfstoffes liegen neue Daten zur Stabilität vor. So kann der mRNA-Impfstoff von Biontech beispielsweise ungeöffnet bei Kühlschranktemperatur bis zu fünf Tage gelagert werden. Sobald die erste Impfdosis entnommen wurde, verkürzt sich die Haltbarkeit. Für die Impfstoffe von Biontech, Moderna, Janssen und AstraZeneca gelten daher Haltbarkeiten von sechs Stunden nach der ersten Entnahme. Für Biontech wird ein Temperaturbereich von 2 bis 30 °C angegeben, für Moderna, Janssen und AstraZeneca ein Temperaturbereich von 2 bis 25 °C. Diese Zeitangaben beziehen sich allerdings auf die physikalisch-chemische Stabilität der Vakzine.

Aus mikrobiologischer Sicht raten alle Hersteller zum direkten Verbrauch der Impfstoffe. So heißt es in allen vier Fachinformationen: „Aus mikrobiologischer Sicht sollte der Impfstoff nach dem ersten Öffnen umgehend verwendet werden. Wenn der Impfstoff nicht umgehend verwendet wird, ist der Anwender für die Lagerungszeiten und -bedingungen während des Gebrauchs verantwortlich.“ Allein Janssen erweitert die Angaben zur Haltbarkeit aus mikrobiologischer Sicht um folgenden Satz: „Aus mikrobiologischer Sicht sollte der Impfstoff nach dem ersten Öffnen der Mehrdosendurchstechflasche sofort angewendet werden; das Produkt kann jedoch nach dem ersten Anbruch der Mehrdosendurchstechflasche für maximal 6 Stunden bei 2 bis 8 °C oder bis zu 3 Stunden bei Raumtemperatur (maximal 25 °C) gelagert werden. Über diese Zeiträume hinaus liegt die Gebrauchslagerung in der Verantwortung des Anwenders.“

Rechtliche Grundlage

Impfstoffe sind unkonservierte Arzneimittel zur intramuskulären Anwendung und gehören demnach zu den Parenteralia. Da eine nachträgliche Sterilisation im Primärgefäß nicht möglich ist, muss die Aliquotierung unter aseptischen Bedingungen erfolgen. In der pharmazeutischen Praxis werden hierfür Reinräume genutzt. In der Arztpraxis bleibt nur die Möglichkeit der aseptischen Auseinzelung mit möglichst wenig Konnektierungsschritten und keimarmen Umgebungsbedingungen. Rein formal handelt es sich bei der Überführung der Impfstoffe in ihre anwendungsfähige Form um eine Herstellung, die ohne Herstellerlaubnis erfolgen darf (§4 AMG, §13 AMG). Auch die Ärzt:innen müssen sich bei der Herstellung auf die allgemein anerkannten pharmazeutischen Regeln beziehen (§55 AMG).

 

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