Pandemieplan der Bundesregierung

Kucks Abrechnung in der MyLife

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Berlin -

Die MyLife befasst sich als Apothekenmagazin klassischerweise mit Gesundheitsthemen: Therapien, Prävention, Ernährung und so weiter. Aber regelmäßig sind auch politische Stücke im Heft der Kooperation Noweda/Burda enthalten, mal zur Bedrohung des Apothekenmarktes durch Amazon, mal zur Rolle der Krankenkassen. Diesen Part übernimmt in der Regel der ehemalige Noweda-Vorstand Wolfgang Kuck. In der aktuellen Ausgabe geht er mit der Corona-Politik der Bundesregierung hart ins Gericht. Seine These: Deutschland hätte auf die Pandemie besser vorbereitet sein können.

Natürlich freut sich auch Kuck senior, Vater des aktuellen Noweda-Chefs Dr. Michael Kuck, über „Klatschkonzerte“ für Ärzte und Pflegepersonal und andere Solidaritätsbekundungen. Genauso wie er sich über sinnlose Hamsterkäufe ärgert. Und auch er macht sich Gedanken, ob jetzt der richtige Zeitpunkt für Kritik ist. „Aber irgendwann wird man auch über die Qualität der Maßnahmen reden müssen. Über den Vorwurf der Experten: ‚zu spät, zu zaghaft‘. Oder vielleicht den der Ökonomen: ‚zu hart, zu lange‘.“

Kuck fragt sich, ob Deutschland hätte besser gerüstet sein können und verweist auf das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe. Von den Experten gebe es seit Jahren eine Risikoanalyse mit dem Titel: „Pandemie durch Virus Modi-Sars“, im Dezember 2012 wurde sie der Bundesregierung übergeben. Das Bundesamt habe die Entstehung einer Pandemie und ihre Folgen beeindruckend genau vorausgesagt: Ein aus Asien über Reisende eingeschlepptes modifiziertes Sars-Virus mit einer immer schneller sich ausbreitenden Ansteckungskette. „Genauso hat das Corona-Virus seinen Weg zu uns gefunden. Sollte auch der weiter vorausgesagte Ablauf der Pandemie eintreffen, stehen Gesellschaft, Wirtschaft und Politik schwierigere Zeiten bevor, als wir uns das aktuell vorstellen können“, mutmaßt Kuck.

Deutschland war aus seiner Sicht trotz dieser Risikoanalyse eher schlecht auf so eine Katastrophe vorbreitet. Kliniken und Arztpraxen hätten nur die üblichen Vorräte an Atemschutzmasken, persönlichen Schutzausrüstungen und Desinfektionsmitteln im Depot gehabt. Die Lager der Lieferkette vom Hersteller über den Großhandel bis zu den Apotheken seien schnell leer gewesen. Und während Nachschub nicht oder nur schleppend gekommen sei, hätten im Internet Spekulanten die Produkte zu Wucherpreisen angeboten. Obwohl auch diese Entwicklungen vorausgesagt worden seien, habe die Politik weder Schutzkleidung noch Desinfektionsmittel vorausschauend eingelagert.

Kucks erster Schluss aus der Corona-Pandemie: „Allzu lange hat die Politik den ökonomischen Faktoren, der Sparwut im Gesundheitswesen, die höchste Priorität eingeräumt. Alle roten Lampen im gesundheitspolitischen Cockpit, die Gefahren für die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung anzeigten, wurden zugedeckt.“ Die Verlagerung der Produktion wichtiger Grundstoffe und Arzneimittel nach China und Indien räche sich jetzt – in zum Teil bedrohlichen Versorgungsengpässen bei Medikamenten in Kliniken und Apotheken.

Ende 2019 kamen aus Wuhan die ersten Meldungen vom Ausbruch der Corona-Epidemie. In der chinesischen Provinz produzieren viele Unternehmen Wirkstoffe. „Eine unverzeihliche Abhängigkeit und damit ein Risikofaktor ohnegleichen für die Arzneimittelversorgung“, so Kuck. Und China beliefere wiederum die indischen Pharmaindustrie mit Wirkstoffen. Indien habe in der Folge den Export wichtiger Präparate bereits untersagt. Jetzt werde selbst in politischen Kreisen hierzulande darüber diskutiert, ob und wie man die Produktion nach Europa zurückholen kann. „Das macht Hoffnung. Aber die Herstellung dieser Wirkstoffe hierzulande ist teurer als es die Importe aus Asien sind. Es müsste also Schluss sein mit Ausschreibungen und Rabattverträgen der Krankenkassen“, fordert Kuck.

Kuck geht auch auf das Apothekensterben ein, aus seiner Sicht auch ein Ergebnis politischen Versagens. 2000 Apotheken weniger bedeuteten auch zweitausend ortsnahe Anlaufpunkte für Patienten und Angehörige weniger. „Gerade in einer solchen Extrem-Situation wird deutlich, wie unverzichtbar die Apotheken in der Akutversorgung der Bevölkerung sind“, so Kuck. Ob zur kurzfristigen Herstellung von Desinfektionsmitteln oder für die flächendeckende Bereitstellung von „Notfalldepots“. Das könne man auf die unsägliche Diskussion über zu viele Betten in den deutschen Krankenhäusern übertragen.

Trotz der vorliegenden Risikoanalyse gab es Kuck zufolge keinen angemessenen Masterplan. „Vorbereitet waren wir nicht.“ Erst im März hätten die Kanzlerin Angela Merkel und Gesundheitsminister Spahn es geschafft, mit den Ministerpräsidenten der Länder „eine halbwegs einheitliche Linie“ zu vereinbaren. „Bis dahin hatten überlastete Gesundheitsämter, verunsicherte Kommunalpolitiker und überforderte Schulleiter das Sagen“, kritisiert Kuck, der sich abschließend wenig optimistisch zeigt: „Lernen wir etwas daraus? Oder heißt es wieder, wenn die Pandemie erst vorbei ist, ‚aus den Augen, aus dem Sinn‘? Es sollte uns nicht wundern.“

 

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