Schließung

Apotheker verschenkt Rezepturgeräte – an sein altes Gymnasium

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Berlin -

Mit 57 Jahren ist Schluss, zumindest mit der eigenen Apotheke in der Fußgängerzone von Lüdenscheid.  Dr. Joachim Schulz hat zum 1. Juni nach 20 Jahren die Reichsadler-Apotheke verlassen und mit ihm gehen alle seine Angestellten. Die Apotheke wird mangels Nachfolger dem Einzelhandel weichen. Das Labor und die Rezeptur wurden bereits geräumt – Erlenmeyerkolben & Co. gingen an sein altes Gymnasium. Mit der Spende konnte der Apotheker Lehrkräften und Schülern ein Lächeln auf die Lippen zaubern.

„Zwei meiner langjährigen Mitarbeiter gehen in Rente. Sie waren Vollzeitkräfte und zwar gute“, erzählt Schulz auf die Frage hin, weshalb er seine langjährig bestehende Apotheke denn schließe. Es sei schwer, gleich zwei solcher Abgänge durch gutes Personal auszugleichen. Anders als in anderen Teilen Deutschlands machte ihm besonders die freie Apothekerstelle zu schaffen. „Hier finden Sie Apotheker noch schwieriger als PTA.“ Aber der nicht auszugleichende Fachmangel wäre nur ein Grund für die Schließung. Auch der Standort sei nicht mehr so rentabel, wie er einmal war.

Eine Familientradition findet so ihr Ende: Sein Vater Dr. Günther Schulz hatte die Reichsadler-Apotheke in den 60er-Jahren übernommen. Damals florierte die Einkaufsstraße noch. „Das tat sie auch noch vor wenigen Jahren“, berichtet Schulz, „doch die Laufkundschaft wird immer weniger. Die Stadt hat die Laufwege für die Passanten umstrukturiert, sodass wir das in der Offizin merken. Auch die Wege zu den Ärzten sind nun länger.“ Besonders in den letzten Wochen bekam er das zu spüren: „Während Corona wurde es besonders deutlich, dass wir nicht die nächstliegende Apotheke zu den Praxen sind. Die Kunden wollten insbesondere im März alle ihre Erledigungen so schnell wie möglich machen und unnötige Wege vermeiden – somit waren wir für viele nicht mehr die erste Anlaufstelle.“

Dennoch bei all den Umstellungen im Zuge der Pandemie war Schulz mit seinem Team „live und in Farbe“ mit dabei. Gerechnet hatte er im letzten Jahr, als er sich für den Verkauf entschied, damit nicht. „Corona hat ja keiner kommen sehen und dann standen auch wir aufeinmal hinter Plexiglas. Die letzten Wochen vor der Schließung waren nochmal ganz besonders. Da kamen alle Laborgefäße nochmal gebührend zum Einsatz.“ Schulz berichtet von der spontan umgesetzten Desinfektionsmittelherstellung. Als vergällter Alkohol kaum noch zu beziehen war redete er mit einem befreundeten Brennereibesitzer in der Umgebung und konnte durch die gesetzlichen Lockerungen mit Trinkethanol weiter herstellen.

Nachdem Desinfektionsmittel langsam wieder lieferbar waren, stellte er die Produktion ein – die Laborgefäße wurden nicht mehr benötigt. Verkaufen wollte er die Gefäße und Geräte nicht. Für den Glasmüll seien Erlenmeyerkolben, Becherglas & Co. definitiv zu schade gewesen. Nach einem kurzen Brainstorming mit seinem Team entschied sich der Apotheker für eine Spende – und zwar an sein altes Gymnasium. Früher Schüler, so sei er heute mit einigen Lehrkräften befreundet und rief kurzerhand an und fragte nach. „Die Schule sagte nicht nein und so packten wir gemeinsam die Kartons und fuhren drei Ladungen Laborausrüstung in die Schule.“

Der Apotheker freut sich darüber, dass er seiner ehemaligen Schule eine Freude machen konnte. „Hier werden die Gefäße nochmal richtig gebraucht.“ Der Fachbereich Chemie des Staberger Gymnasiums kann mit den neu erworbenen Gerätschaften zahlreiche neue Versuche durchführen. Neben normalen Reagenzgläsern waren auch exotischere Gerätschaften dabei: Liebig- oder Rückflusskühlern, sowie Wasserabscheider oder Chromatographierohre waren in den letzten Jahren kaum benutzt worden und somit in einem guten Zustand.

Für Schulz bedeutet das Ende seiner Apotheke aber nicht das Ende von Apotheke in seinem Leben. Der 57-Jährige möchte ohne eigene Offizin weiterhin beratend tätig sein. „Damals nach meinem Studium habe ich vertretungsweise in Apotheken ausgeholfen, immer dann, wenn der Chef im Urlaub war. Das möchte ich wieder tun.“ Der promovierte Apotheker will hauptberuflich Urlaubs- und Krankheitsvertretung für Kollegen machen: „Das ist spannend und kann viel Spaß machen. Man arbeitet immer wieder mit neuen Leuten zusammen. Und da wo es einem gefallen hat, da bewirbt man sich auch gerne wieder.“ Für seine übrigen Mitarbeiter hat Schulz schnell einen neuen Arbeitsplatz gefunden. In der Fußgängerzone sei nun, nach über zwei Jahren der erfolglosen Nachfolgersuche, ein Platz für den Einzelhandel frei. „Von den sieben Interessenten haben fünf abgesagt, nachdem sie wussten, wo Lüdenscheid liegt.“ Die restlichen zwei Interessenten sagten auch ab – nun sei es an der Zeit den Platz in der Innenstadt anders zu beleben, so Schulz.

 

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