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Faule Eier im Apotheker-Osternest

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Berlin -

Ostern lieber keine Kinder zeugen! Mit diesem provokanten Facebook-Post sorgte Hebamme Christine Niersmann für Schlagzeilen. Ihre Mahnung hatte einen ernsten Hintergrund: In neun Monaten sei Weihnachten, und dann seien noch weniger Kolleginnen im Einsatz als sonst schon. Auch für die Apotheker lohnt sich der Blick nach vorn. Denn in ihrem Osternest liegen einige faule Eier.

Prognose 1: Weihnachten gibt es weniger Apotheken als Ostern

Erstmals seit 1990 gibt es in Deutschland wieder weniger als 20.000 Apotheken. Während Ende 2016 nach offiziellen Angaben noch 20.023 Betriebsstätten gezählt wurden, rutschte die Zahl im ersten Quartal weiter ab: Alleine in NRW, Niedersachsen und Bremen schlossen insgesamt 33 Apotheken. Damit ist bereits klar, dass die Zahl der Apotheken Ende März auf unter 20.000 gefallen ist. Das ist der niedrigste Stand seit der Wiedervereinigung, als es 19.898 Apotheken gab. Setzt sich die Zahl der Schließungen in diesem Tempo fort, zeichnet sich für dieses Jahr ein Negativrekord ab.

Prognose 2: Apotheken werden weiter inländerdiskriminiert

Das Rx-Versandverbot hat wohl auch der letzte Hardliner unter den Apothekervertretern abgehakt. Weil aber immer noch ein Plan B gesucht wird, schwören die Kammern und Verbände ihre Mitglieder auf das kollegiale Stillhalten ein. Die Preisbindung gelte nach wie vor uneingeschränkt, heißt es in einer Erklärung aus Westfalen-Lippe. „Jeden Versuch, sie auszuhöhlen oder gar abzuschaffen, lehnen wir klar ab. Die zuständigen Behörden fordern wir dazu auf, bei Verstößen gegen die Arzneimittelpreisverordnung konsequent einzugreifen.“

Und tatsächlich sah sich die Kammer in Niedersachsen als zuständige Aufsicht schon gezwungen, gegen die Bonus-Bons des Kollegen Dirk Düvel vorzugehen. Der Wir-leben-Apotheker aus Lüneburg hatte sein Konzept Anfang März noch gegen die Klage einer Konkurrentin erfolgreich verteidigt. Doch das Verwaltungsgericht gab nun der Kammer recht und kassierte die 50 Cent, die Düvel seinen Kunden für deren Besuch auch auf Rx-Medikamente spendierte.

Prognose 3: Apotheker müssen um Kernkompetenzen kämpfen

Nicht nur als Kaufleute sind die Apotheker permanenter Gängelei ausgesetzt, sondern auch als Heilberufler. Jedenfalls untersagten erst die Aufsicht und dann die Richter einem Apotheker aus Kiel, Rezepturen für den Praxisbedarf herzustellen. Die Fertigung in der Apotheke müsse auf Einzelfälle beschränkt bleiben. Weil der Kollege in großem Stil Ärzte in ganz Deutschland versorgte, sah man die Privilegierung des üblichen Apothekenbetriebs als missbraucht. Der Apotheker will kämpfen, weil er den therapeutischen Bedarf sieht.

Prognose 4: ABDA lobt Digitalisierung und meint das Gegenteil

Die ABDA als Berufsvertretung der Apotheker wandelt längst in anderen Sphären. Weil die Europakritik ein Eigentor war, wird nun für ein starkes Europa geworben. Gemeint ist die Stärke, sich aus Apothekenthemen heraus halten zu können. Und auch die Forderung nach Digitalisierung klingt gut in den politischen Kernpositionen zur Bundestagswahl. Ohne Rx-Versand und E-Rezept, versteht sich. Ansonsten geht es um neue Aufgaben und um mehr Geld. Gut gebrüllt, Löwe!

Prognose 5: Angela Merkel bekennt sich als Fan der Apotheken vor Ort

Okay, irgendwie ahnt man schon, dass die Bundeskanzlerin die Apotheken mag. Aber so richtig griffig waren ihre Aussagen beim Landesparteitag in Mecklenburg-Vorpommern noch nicht: „Es mag sein, dass der Versandhandel billiger ist. Aber die örtliche Apotheke hat andere Formen und andere Möglichkeiten der persönlichen Ansprache.“ Heißt was? „Wir müssen akzeptieren, dass es Dinge gibt, die nicht nach dem Wettbewerbsprinzip entschieden werden können.“ Sondern? „Dafür werde ich mich bei der EU einsetzen.“ Waaaaass? Das geht doch konkreter. Immerhin ist Bundestagswahl.

Prognose 6: DocMorris/Zur Rose bleibt in der Verlustzone

Gewinn spielt keine Rolle! Diese Parole hatte CEO Walter Oberhänsli bereits im vergangenen Jahr ausgerufen. Und tatsächlich: 13 Millionen Franken fehlen zum Verlassen der Verlustzone. Alles kein Problem: Die Kriegskasse ist nach Kapitalerhöhung und Kurssprung gut gefüllt, da darf auch mal gepokert werden. Und hatte nicht Merkel darauf hingewiesen, dass die Digitalisierung von der Politik ermöglicht werden müsse. Oder war das nur ein Missverständnis?

Prognose 7: Stada startet Sparprogramm

Bereits erfolgreich gezockt hat die Stada. Das Management hat dem nachgebesserten Preis von 5,3 Milliarden Euro seinen Segen erteilt, nun können die Hedgefonds Bain Capital und Cinven die Aktien der Kleinaktionäre einsammeln. Der Belegschaft stehen massive Einschnitte ins Haus. Für Grippostad & Co. hat sich der Konzern mit Dr. Ralph Grobecker einen Profi geholt, der bereits bei Merck erfolgreich die OTC-Sparte umbaute.

Prognose 8: Amazon findet Prime-Partner

Amazon ist als Versandhändler fast dreimal so groß wie der gesamte deutsche OTC-Markt – darf aber selbst im Arzneimittelbereich nicht mitspielen. Da liegt es nahe, mögliche Partnerschaften mit Apotheken auszuloten. Die ersten externen Anbieter sind beim Expresslieferdienst Prime Now jedenfalls schon dabei: In Berlin liefern die Bio-Supermarktkette Basic und das Lebensmittelgeschäft Kochhaus innerhalb von zwei Stunden zu den Prime-Kunden nach Hause. Bei 44 Millionen Stammkunden werden sich wohl schnell auch Pharmazeuten finden, die für ein Plus an Umsatz (und Hektik) einen stattlichen Teil ihrer Marge abgeben. Plattform-Kapitalismus.

Prognose 9: Personal bleibt weiter Mangelware

20.000 Euro Vermittlungsgebühr für einen Approbierten, 7000 Euro für eine PTA. Wenn Heiko Majewski von der Personalberatung Apocenna seine Preise nennt, winken viele Kollegen entgeistert ab. Doch der Headhunter ist sich sicher, dass die Inhaber sich umstellen müssen. Der Personalmangel hat die Branche im Griff, im Wettbewerb um die besten Köpfe müssten auch die Apotheker ihren Angestellten etwas bieten. Ein Apotheker aus Süddeutschland legt die Hälfte des Tarifs obendrauf – und findet trotzdem niemanden. Auch der aktuelle PTA-Nachwuchs denkt über eine Karriere außerhalb der Apotheke nach.

Prognose 10: Hilfsmittel werden nicht besser

Das Heil- und Hilfsmittelgesetz ist in Kraft getreten. Patienten haben Anspruch auf bessere Qualität. Heißt: Die Kassen dürfen bei Ausschreibungen nicht nur nach dem Preis schielen, außerdem müssen sie Wahlmöglichkeiten anbieten. Und die Leistungserbringer müssen die Patienten beraten und dies auch dokumentieren. Allerdings: Dass die Kassen ihre Verhaltensmuster ablegen können, darf bezweifelt werden.

Prognose 11: Ginkgo kommt nach Hause

Na endlich! Fast zehn Jahre lang hat Dr. Willmar Schwabe gegen die Ginkgo-Exzesse im Drogeriemarkt gekämpft. Die wenigen Erfolge hatten bislang eher rechtstheoretischen Charakter. Doch vor dem OLG Hamm hat der Tebonin-Hersteller nun einen wichtigen Sieg errungen: Ginkgo wirkt pharmakologisch, darf also nicht ohne Zulassung vertrieben werden, urteilten die Richter. Klosterfrau musste sein Produkt tatsächlich aus dem Drogerieregal nehmen, will die Entscheidung aber in Karlsruhe überprüfen lassen. Wenigstens ein kleines Geschenk zu Ostern. Schöne Feiertage!

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