Tausende Menschen müssen versorgt werden

AoG: Wie läuft der Hilfseinsatz vor Ort?

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Berlin -

Am Samstag startete ein Team der Apotheker ohne Grenzen (AoG), um in der Türkei den Opfern des Erdbebens zu helfen. Mit dabei ist Petra Nolte, Pharmazeutin und studierte Fachberaterin zur Traumabewältigung. Für eine Woche wird sie vor Ort provisorische Camps mit aufbauen und alle benötigten Materialien zum Einsatzort bringen.

Die Folgen des Erdbebens in Gaziantep und Umgebung forderten mittlerweile mehr als 35.000 Opfer. Dabei sind auch die Schäden in der südostanatolischen Hauptstadt immens. Noch immer dauern die Bergungen von Menschen an, die Hoffnung auf Überlebende schwindet jedoch stündlich. Die teils eisigen Temperaturen erschweren den Helfenden die Arbeit. Tausende Menschen wurden obdachlos und müssen medizinisch versorgt werden. In der Katastrophen-Region stehen jedoch nicht ausreichend Arzneimittel zur Verfügung.

Apotheker ohne Grenzen bauen Camps auf

Genau an diesem Punkt setzt die Hilfe von AoG an. In Zusammenarbeit mit mehreren anderen Hilfsorganisationen, darunter beispielsweise die Organisation Navis, werden einzelne Teams in die besonders betroffene Region geschickt, um vor Ort ein Lager zu errichten. Mehrere Zelte werden aufgebaut, in denen Ärzt:innen all diejenigen Menschen behandeln können, die medizinische Hilfe benötigen. Die Pharmazeut:innen organisieren die Vorhaltung der Medikamente. Auf einem separaten Weg werden hierzu sogenannte Emergency Health Kits angeliefert. Schwierig sei aber dabei auch oftmals die bürokratische Lage: „AoG wurden zunächst durch die türkische Bürokratie ausgebremst, diese verzögerte den Beginn der Hilfsaktion, deswegen konnten wir erst am Samstag starten. Die benötigten Materialien müssen wir zunächst durch den Zoll bekommen, bevor sie zum Einsatzort transportiert werden können“, berichtet Nolte.

Medikamente für 10.000 Menschen

Von Lieferengpässen seien die in Holland lagernden Packs nicht betroffen: „Zum Glück sind alle Arzneimittel für solche Katastrophenfälle sofort abrufbar“, so die Apothekerin, die für diesen Einsatz spontan Urlaub nehmen konnte. „In den Packs befinden sich neben etwa 70 dringend benötigten Medikamenten auch OP-Materialien oder ein Sterilisator.“

Mithilfe der Packs können theoretisch bis zu 10.000 Menschen für einen Zeitraum von drei Monaten medizinisch versorgt werden. Die enthaltenen Mittel basieren auch auf den Erfahrungswerten aller bisherigen Einsätze: „Nach jedem Einsatz in einem Katastrophengebiet speisen die Organisationen Daten zu dringend benötigten Medikamenten ein, so wird die Zusammensetzung der Packs immer wieder optimiert“, erklärt Nolte. Grundlage der Auswahl ist die „WHO List of Essential Medicines“. Vor allem aber sind Schmerzmittel, Antibiotika und Desinfektionsmittel sowie Infusionen zur Akutversorgung enthalten.

Wenn es die örtlichen Bedingungen zulassen, können auch Kühlmöglichkeiten geschaffen werden, die mit Notstromaggregaten betrieben werden: „Momentan ist die Witterung vor Ort schwierig. Es ist vor allem nachts eher zu kalt für einige Medikamente. Wir müssen aufpassen, dass uns nichts einfriert. Aber wir werden auch Kühlmöglichkeiten beispielsweise für Insuline schaffen“, so die AoG-Mitarbeiterin.

Maximal zwei Wochen im Einsatz

Nolte ist bereits „Erdbeben-erfahren“. So half sie schon in Haiti und Nepal den Opfern und organisierte mit AoG die medizinische Versorgung vor Ort. Die Mitarbeiter:innen selbst werden vor ihrem Einsatz jeweils mit den wichtigsten Informationen gebrieft und erfahren meist erst kurz vor der Abfahrt, wo es genau hingeht. Auch zum Einsatz in der Türkei ist der genaue Ort noch nicht bekannt: „Wir fahren erstmal nach Gaziantep. Nach Ankunft wird entschieden, wo wir das Camp aufbauen.“ Das erste Team wird für zwei Wochen vor Ort bleiben: „Ein längerer Zeitraum ist unter so widrigen Umständen gar nicht machbar. Es wird sehr kalt sein, und vieles ist zerstört. Die Mitarbeiter:innen werden ein hohes Arbeitspensum haben und sehr wenig zur Ruhe kommen. Alle Helfenden sind zudem spontan aufgebrochen und lassen dementsprechend ihre Jobs und Familien hinter sich“, erklärt Nolte.

Rüstzeug für die Psyche

Innerhalb des Camps wird es mehrere Zelte geben. Ein Behandlungszelt, ein Zelt mit benötigter Technik, um beispielsweise Trinkwasser aufbereiten zu können, und eine Kochstation, um den Helfenden eine warme Mahlzeit zuzubereiten. Auch die psychische Belastung wird für alle Beteiligten enorm sein: „Da es mein dritter Erdbeben-Einsatz sein wird, weiß ich ungefähr, was mich vor Ort erwartet. Zudem haben wir durch AoG ein Betreuungssystem an der Seite, welches uns psychologisch unterstützt. Mein Zusatzstudiengang für den Fachberater der Psychotraumatologie gibt mir ein gutes Rüstzeug für den Umgang mit der Situation. So kann ich auch anderen Teammitgliedern gut helfen“, so Nolte.

Spendenaufruf

Um vor Ort bestmöglich helfen zu können, bittet die Nothilfe von AoG um Spenden:

Apotheker ohne Grenzen Deutschland e.V.
Deutsche Apotheker- und Ärztebank
IBAN: DE 88 3006 0601 0005 0775 91 | BIC: DAAEDEDDXXX | BLZ: 300 606 01

AoG kauft mit Spendengeldern bedarfsgerecht die Medikamente ein, die genau jetzt im Erdbebengebiet benötigt werden und die auch in der internationalen Nothilfe und der Zusammenarbeit mit anderen Organisationen und Ärzten vor Ort sofort angewendet werden. „Deshalb freuen wir uns über jede Spende, die wir zielgerichtet einsetzen für die Opfer des Erdbebens und bitten ausdrücklich keine Arzneimittel zu spenden.“

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