Abwasserrichtline

Versorgungschaos: Metformin vor dem Aus?

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Berlin -

Die Kommunale Abwasserrichtlinie (KARL) sieht eine vierte Reinigungsstufe für Klärwerke vor. Das Ziel: Mikroschadstoffe wie beispielsweise Medikamentenreste herausfiltern. Die Kosten in Höhe von rund einer Milliarde Euro pro Jahr sollen zum Großteil die Hersteller zahlen; darunter auch Generikaanbieter, die ohnehin schon unter hohem Preisdruck stehen. Am Beispiel Metformin zeigt sich, wie KARL die Versorgung gefährden könnte. Denn die Wirkstoffproduktion wäre infolge der hohen Kostensteigerungen um das 4,5-Fache unwirtschaftlich. „Wenn das wirklich so kommt und sich nichts ändert, werden wir Metformin vom Markt nehmen müssen“, sagt Zentiva-Geschäftsführer Josip Mestrovic.

KARL könnte für die Metformin-Produktion das wirtschaftliche Aus bedeuten. Und das, obwohl Metformin auf der WHO-Liste der essenziellen Arzneimittel steht und weltweit als unverzichtbar gilt. Ein Aus hätte weitreichende Folgen. Fast drei Millionen Diabetiker:innen müssten auf deutlich teurere Alternativen umsteigen, warnt Pro Generika. Auf die Kassen könnten Mehrkosten in Höhe von bis zu 1,5 Milliarden Euro pro Jahr zukommen.

Zentiva produziert in Indien insgesamt fünf Millionen Packungen Metformin pro Jahr. Damit deckt der Hersteller hierzulande fast 40 Prozent des Bedarfs. Steigt der Generikakonzern aus, müssten andere einspringen. Doch weil mit KARL die Kosten für alle Hersteller steigen, könnten ein flächendeckender Marktrückzug und Versorgungsengpass die Folgen sein. Denn die Kostenumlage richtet sich nach Volumen und Umwelttoxizität der Wirkstoffe.

Dabei erhalten die Hersteller für eine Tablette Metformin aktuell etwa 2 Cent – abzüglich Rabatte bleiben weniger als ein Cent pro Tablette übrig. Weil die Arzneimittelpreise gesetzlich fixiert sind, kommt eine Preiserhöhung nicht in Frage.

„Metformin ist ein essenzielles Medikament, das eine prominente Position in den Leitlinien zur Behandlung des Typ-2-Diabetes hat“, gibt Professor Dr. Baptist Gallwitz, Sprecher der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) zu bedenken. „Es kann nicht einfach durch andere Medikamentenklassen ersetzt werden.“ Fällt Metformin als Therapieoption weg, müssten Diabetiker:innen auf Alternativen wie Sulfonylharnstoffe, Gliflozine oder Insulin umgestellt werden. Für die Patient:innen bedeute das teilweise mehr Nebenwirkungen – und einen höheren Aufwand. Für die Kassen bedeutet das eine Kostenexplosion von 350 Millionen auf rund 1,8 Milliarden Euro.

„Das Beispiel Metformin zeigt, wie verheerend die Auswirkungen der Kommunalen Abwasserrichtlinie auf die Versorgung sein werden. Das bekommen vor allem die Patient:innen zu spüren, die ihr Medikament wechseln müssen. Das wiederum führt bei der Gesetzlichen Krankenversicherung zum Kollaps. Die Kommunale Abwasserrichtlinie muss überprüft und es müssen neue Wege zur Finanzierung gefunden werden, die nicht zulasten der Versorgungssicherheit gehen“, warnt Bork Bretthauer, Geschäftsführer von Pro Generika.

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