Zwei Vertriebskanäle

Diese Hersteller sind schon bei dm

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Berlin -

Der Einstieg der Drogeriekette dm ins Apothekengeschäft hängt auch davon ab, ob sich die Industrie darauf einlässt. Wie vor 25 Jahren, als mit DocMorris der erste Versender auftauchte, stehen die Hersteller vor einer Grundsatzentscheidung: Spielt man mit – auch auf die Gefahr hin, künftig einem mächtigen Großabnehmer gegenüber zu stehen? Oder kann und muss die Branche den Frontalangriff irgendwie verhindern? Tatsache ist, dass viele Hersteller bereits seit Jahren Geschäfte mit dem Konzern machen.

Im Frühjahr 2024 hatte dm bei den ersten Unternehmen vorgefühlt, wie sie zum Start der „dm-Apotheke“ stehen. Bereits Ende April soll es einen Termin bei L’Oréal gegeben haben. Im Sommer folgten weitere große Hersteller, die mehrere relevante Produkte im Sortiment haben, darunter dem Vernehmen nach Bayer. Seit Herbst finden Sondierungsgespräche auch mit kleineren Anbietern statt. Zuletzt wurden die Verhandlungen konkreter, auch wenn bislang nicht alle angesprochenen Firmen unterschrieben haben.

Zunächst will dm mit einem ausgewählten Sortiment starten: Gemeinsam mit einer Unternehmensberatung wurden 2500 OTC-Medikamente und 1500 Kosmetikartikel identifiziert, die zum Start ins Sortiment aufgenommen werden sollen. Weil es sich um die umsatzstärksten Marken handelt, wird trotzdem schon ein dreistelliger Millionenumsatz angepeilt.

Zwei Vertriebswege

Vor allem Hersteller mit dualen Vertriebskonzepten dürften sich schwer tun, dem Konzern rundheraus die kalte Schulter zu zeigen. Das betrifft zahlreiche führende Unternehmen.

Klassiker in der Drogerie

  • Queisser: Auch Doppelherz ist eine klassische Drogeriemarke; Doppelherz System wurde vor einigen Jahren als apothekenexklusive Linie aufgelegt; zum Sortiment gehören mittlerweile auch OTC-Produkte. Den Claim „Kraft der zwei Herzen“ könnte man auch in „Kraft der zwei Vertriebswege“ umdeuten.
  • Merz: Vor mehr als 50 Jahren waren die „Spezial-Dragees“ ein Novum; heute ist daraus ein ganzes Sortiment geworden, das – genauso wie die Fußpflege Burgit, vor allem im Mass Market zu Hause ist. Zur Sparte Merz Lifecare gehört außerdem Tetesept; das Unternehmen ist in den vergangenen Jahren vor allem mit Kopien bekannter Apothekenmarken aufgefallen. Gerade wurde Windstar Medical und damit die Marke SOS übernommen.
  • Klosterfrau: Der Melissengeist aus Köln gehört wohl zu den Klassikern im Drogeriemarkt, mittlerweile sind zahlreiche frei verkäufliche Klosterfrau-Produkte hinzugekommen. Auch Taxofit füllt die Regale bei dm. OTC-Marken wie Soledum oder Bronchicum werden von der Tochterfirma Cassella-med vertrieben. Und während Neo-Angin nur in der Sichtwahl zu finden ist, stehen die Anginetten als Schwesterprodukt im Drogeriemarkt.
  • Perrigo: Schon als Deutsche Chefaro und später Omega fuhr das Unternehmen zweigleisig: Granufink, Lactacyd, XLS Medical und Wartner gab es in der Apotheke, die Abtei-Reihe in der Drogerie. Seitdem sind weitere Marken hinzugekommen, die entweder nur in der Apotheke (Pencivir, EllaOne) oder in beiden Vertriebskanälen (Yokebe, Compeed) angeboten werden.

Kosmetik/Hygiene

  • L’Oréal: Der Konzern hinter Apothekenmarken wie Vichy, La Roche-Posay, CeraVe & Co. gehört mit anderen Produktreihen zu den größten Lieferanten von dm.
  • Beiersdorf: In der Apotheke für Eucerin und Hansaplast bekannt, ist der Konzern unter anderem mit Nivea im Mass Market vertreten.
  • Weleda: Die Naturkosmetik wird in beiden Vertriebskanälen angeboten; dm setzt das Markenkonzept konsequent um.
  • Dr. Wolff: Der Hersteller aus Bielefeld ist mit Haarpflegeprodukten wie Alpecin, Plantur und Alcina in der Drogerie und in Friseurgeschäften groß geworden. Mundpflegeprodukte wie Biorepair/Bioniq und Karex werden in Mass Market und Apotheke vertrieben. Linola und Vagisan sind ursprünglich in der Offizin zu Hause, teilweise aber mittlerweile auch bei dm erhältlich.
  • CP Gaba: Mit Mundhygiene ist der US-Konzern auch in der Freiwahl vertreten; für Marken wie Meridol und Elmex ist die Drogerie aber der deutlich größere Vertriebskanal.
  • Dr. Theiss: Das Unternehmen wurde von einem Apotheker gegründet und ist mit seiner Olivenöl-Serie in der Apotheke groß geworden. Marken wie Allgäuer Latschenkiefer und Lacalut kann man aber auch in der Drogerie kaufen.
  • Apotheker Walter Bouhon: Lange war Frei Öl eine der führenden Marken in der Offizin, doch 2017 gab der Hersteller – trotz des Apothekers im Namen und in der Firmenhistorie – die Apothekenexklusivität auf.

Nahrungsergänzung/Tee

  • Hermes: Dem Hersteller aus München gelingt es, seine Marke Biolectra exklusiv in der Apotheke zu halten. Mit Tees der Marke Bad Heilbrunner ist die Gruppe, die auch zu den führenden Lohnherstellern von Brausetabletten gehört, im Mass Market vertreten.
  • Uriach: Weder Sidroga noch Emser haben sich bislang in den Mass Market verirrt – wohl auch weil hier die Schwestermarke Emcur zu Hause ist. Die Linie Sidrosan wurde nach Protesten der Apotheken und mangels Erfolg wieder eingestellt.
  • H&S: Mittbewerber H&S ist der dritte Teeanbieter aus der Apotheke, der auch im Mass Market aktiv ist. Goldmännchen heißt hier die Linie.
  • Hartmann: Hartmann ist mit seinen Wundprodukten in der Apotheke, aber auch in Kliniken und Sanitätshäusern vertreten. Produkte der Marke Kneipp werden im Drogeriemarkt angeboten.
  • Almased: Der gleichnamige Hersteller ist mit seinem Abnehmmittel Anfang der 2000er-Jahre in der Apotheke groß geworden. Heute sind die Dosen in der Drogerie zu finden.

OTC/FMCG

  • Reckitt: Für Konsumgüterkonzerne wie Reckitt sind Gesundheitsprodukte eine nahe liegende Ergänzung. Dobendan, Gaviscon und Nurofen sind apothekenpflichtig, das Schwesterprodukt Dobensana wird im Drogeriemarkt angeboten. Sagrotan und Durex sind in beiden Kanälen zu finden; darüber hinaus reicht die Palette von der Enthaarungscreme bis zum Waschmittel.
  • Kenvue: Johnson & Johnson hat seine Gesundheits- und Pflegesparte ausgegründet. In der Apotheke sind Dolormin, Imodium, Nicorette und Regaine zu Hause, seit kurzem auch die Kosmetikmarke Aveeno. Dagegen werden Listerine, Carefree, Neutrogena, o.b. und Penaten im Mass Market angeboten.
  • Procter & Gamble: Mit Wick ist P&G in der Apotheke präsent, wobei die Hustenbonbons nicht mehr dazu gehören. Auch die ehemaligen Merck-Marken Femibion, Kytta, Bion3 und Vigantolvit gibt es nur in der Apotheke. Ungleich größere ist das Konsumgütersortiment mit Marken wie Oral-b, Blend-a-dent und Persona, aber auch Pampers, Braun, Always, Gilette, Ariel, Meister Proper und vielen mehr.

OTC/Start-up

  • Bayer: Selbst Bayer konnte der Versuchung nicht widerstehen und hat mit Natsana ein Start-up übernommen, das mit Marken wie „Nature Love“ nicht nur im Drogerie-, sondern auch im Supermarkt zu finden ist. Marken wie Priorin sind seit Jahren immer wieder bei dm zu finden, auch nachdem der Konzern wegen der schwierigen Beschaffung von Apothekenmarken eigentlich einen Schlussstrich im Graumarkt gezogen hatte.
  • Dr. Willmar Schwabe: Ähnlich wie Hartmann mit Kneipp war Schwabe mit der Marke Spitzner mit Wellnessprodukten im Mass Market vertreten, doch die Tochterfirma wurde verkauft. Jüngster Neuzugang ist Braineffect; eine Investition „über den Tellerrand des klassischen Gesundheitsmarktes hinaus“, wie es dazu hieß.
  • Dr. Kade: Mit Kadefungin und Posterisan und Faktu ist Dr. Kade fest in der Apotheke verwurzelt. Doch als der Berliner Hersteller 2013 überraschend den Zuschlag für das OTC-Portfolio von Takeda/Nycomed übernahm, kamen neben Riopan und Faktu auch Marken aus dem Mass Market wie Sanostol, Buer Lecithin und Buer Vitamaxx dazu. Nach dem Kauf einiger kleinerer Marken von Hexal kamen 2019 der Kosmetikhersteller Sirius (Siriderma) sowie später die österreichische Marke Panaceo und der Schlafdrink Sleep Ink dazu.
  • Dermapharm: Auch der Generikahersteller Dermapharm ist mit zwei Zukäufen in den Mass Market gekommen: 2011 wurde der Reformwarenanbieter Anton Hübner übernommen, 2017 folgte der Stichheiler „Bite away“.
  • Togal: Togal gehört mittlerweile zu Kyberg, genauso wie die Marke Efasit. Die Fußpflegeprodukte sind auch im Drogeriemarkt zu finden.

Graumarkt

  • Und dann gibt es noch Apothekenmarkten, die regelmäßig bei dm zu finden sind – angeblich, weil sie im Graumarkt gehandelt werden. Dazu zählen Prospan (Engelhard), Vitasprint und Centrum (Haleon), aber auch Priorin (Bayer).
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