DRV geht Vertretungsapothekerin an

Vorwurf der Scheinselbstständigkeit

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Berlin -

Ausgeschriebene Stellen in Apotheken können oft monatelang nicht besetzt werden. Gerade in personellen Engpasssituationen greifen viele Inhaber:innen daher auf Vertretungsapotheker:innen zurück. Doch damit droht mitunter neuer Ärger – wenn man an eine überkritische Prüferin der Deutschen Rentenversicherung (DRV) gerät. Eine Inhaberin und ihre Vertretungsapothekerin sollten seitenweise Fragen beantworten, um den Verdacht der Scheinselbstständigkeit aus der Welt zu schaffen.

Beide Pharmazeut:innen wollen lieber anonym bleiben, um nicht noch mehr Ärger mit der DRV zu bekommen. Den Vorwurf der DRV halten beide für völlig aus der Luft gegriffen. Denn die Vertreterin ist seit Jahren in rund 50 verschiedenen Apotheken unterwegs und hatte noch die Probleme mit einer vermeintlichen Scheinselbstständigkeit.

Das änderte sich nach einer Betriebsprüfung bei einer ihrer Kund:innen. Um ihre Selbstständigkeit zu belegen, sollte sie einen achtseitigen Fragenkatalog ausfüllen. Der beginnt mit Angaben zum Arbeitsplatz, einer ausführlichen Beschreibung der Arbeiten und einer Unterscheidung zu den Aufgaben der anderen Beschäftigten. Ob sie zur Ausübung der Tätigkeit eine Gesellschaft gegründet oder ein Gewerbe angemeldet habe, wollte die DRV wissen.

Da es sich um einen allgemeinen Fragebogen ohne Branchenbezug handelt, sind auch Angaben zu eigenen Geschäftsräumen oder einem eigenen Kundenstamm notwendig. Ebenso zur Angabe der Betriebsnummer von der Agentur für Arbeit. Die Prüferin wollte zudem eine Kopie des Vertrags zwischen der Inhaberin und der Vertretungsapothekerin sehen.

Als ein vermeintlicher Hinweis auf die angebliche Scheinselbstständigkeit wurden im Gespräch mit der Prüferin die vorgegebenen Arbeitszeiten genannt. Um diese Vereinbarung geht es auch im Fragebogen. Hier heißt es unter anderem: „Mussten Sie Arbeitszeitnachweise (z. B. Stundenzettel, Gleitzeitkarte, Stempelnachweis) führen?“

Die DRV will ferner wissen, welche Weisungen die Inhaberin an die freie Pharmazeutin gestellt hat und wie oft die Arbeit kontrolliert wurde oder ob letztere „berichtspflichtig“ war. Die Teilnahme an Dienstbesprechungen oder Aufnahme in Dienstpläne sind offenbar ebenfalls Indizien.

Dienstkleidung mit oder ohne Namensschild?

Ein ganzer Block befasst sich mit den anderen – festangestellten – Mitarbeiter:innen in der Apotheke: gemeinsames Arbeiten, Weisungsbefugnis, unterschiedliches Auftreten gegenüber Kund:innen. Und ob die Apothekerin Dienstkleidung mit oder ohne Namensschild tragen musste, will die DRV auch wissen. Ebenso, ob es eine Vertretung für die Vertretung im Krankheitsfall gibt und wer das ist.

Dass Vertretungsapotheker:innen eigenes Kapital einsetzen oder unternehmerisches Risiko tragen, dürfte in der Praxis nicht vorkommen. Dann schon eher, dass die Übernahme bestimmter Aufträge abgelehnt wird. Zentraler dürfte für die DRV die Frage sein, ob die Vertretungsapothekerin weitere Auftraggeber hat. Hier wurde eine Aufstellung mit Angabe der Auftraggeber und Zeiträume sowie Belege angefordert.

Detaillierte Angaben wünscht sich die Rentenversicherung auch zur Vergütung: Honorar, Fixum, Provision, Zahlung pro Auftrag oder pro Stunde? Und ob Anspruch auf bezahlten Urlaub oder Fortzahlung bei Arbeitsunfähigkeit bestand. Unter die erfragten sonstigen Bezüge fallen Reise- und Übernachtungsspesen, Erstattung von Auslagen für die Benutzung des eigenen PKW und die Erstattung von Telefonkosten, Versicherungsbeiträgen oder Arbeitsmitteln.

Abschließend soll die Apothekerin angeben, ob sie Steuern auf die Einnahmen aus dieser Tätigkeit zahlt und welche. So vorhanden, hätte die DRV gern auch eine Kopie der sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung einer Krankenkasse oder Rentenversicherungsträgers für die fragliche Tätigkeit.

Unverständnis für „Zirkus“ der DRV

Die Apothekerinnen haben ihre Fragebögen ausgefüllt und warten nun auf Antwort. Im schlimmsten Fall müssen Sozialversicherungsbeiträge nachgezahlt werden – inklusive Verzugsgebühren. Die Inhaberin versteht diesen „Zirkus“ nicht: „Die Dame von der DRV hätte doch nur bei der Apothekerkammer anrufen müssen.“

Die Vertretungsapothekerin ist sich sicher, dass in ihrem Fall eindeutig von einer Selbstständigkeit auszugehen ist. Ganz ruhig schläft sie trotzdem nicht. Denn sie kennt den Fall einer Kollegin, die dasselbe Problem hat und nach einer Nachforderung der Rentenversicherung jetzt einen Anwalt einschalten musste.

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