Streit um Preisbindung

Rx-Boni: BGH-Urteil im Juli

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Karlsruhe -

Nach der mündlichen Verhandlung zur Preisbindung für verschreibungspflichtige Arzneimittel hat der Bundesgerichtshof (BGH) einen Verkündungstermin festgesetzt: Am 17. Juli soll das für die Branche hochrelevante Urteil bekannt gemacht werden.

Der 1. Zivilsenat hatte gestern im Saal des Eingangsgebäudes am BGH in Karlsruhe über einen Streit zwischen dem Bayerischen Apothekerverband (BAV) und der DocMorris-Schwesterfirma Tanimis verhandelt. Es ging um Boni aus dem Jahr 2012, doch das Verfahren bot die Chance, die Sache vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) neu aufrollen zu lassen.

Denn das Oberlandesgericht München (OLG) hatte im vergangenen Jahr auf 64 Seiten akribisch zusammengetragen, warum die Rx-Preisbindung dem Schutz der Gesundheit dient und nicht gegen Europarecht verstößt. Zum Verfahren gab es laut den Prozessbeteiligten vier hohe Stapel an Akten, vor allem aber auch eine Stellungnahme der Bundesregierung aus dem Jahr 2021.

Doch der Senat hält das Berufungsurteil offenbar für unzureichend, jedenfalls fehlten „harte Fakten“, um die gesetzliche Einschränkung zu rechtfertigen. Die entscheidende Frage sei, ob genügend stichhaltige Argumente und Beweise vorgetragen seien, um die alte Preisbindung nach § 78 Arzneimittelgesetz (AMG) ebenso wie die neue nach § 129 Sozialgesetzbuch (SGB V) zu rechtfertigen. Beides müsse erfüllt sein, um die Werbeaktion zu verbieten; im Grunde gehe es aber nur um die alte Regelung, da die neue darauf aufgesetzt worden sei, so der Vorsitzende Richter überraschend. Auch über § 7 Heilmittelwerbegesetz (HWG) komme man nicht weiter, weil Bar- oder Mengenrabatte erlaubt sind, solange sie nicht gegen die Preisvorschriften verstoßen. Genau das sei aber die strittige Frage.

Keine harten Fakten

Zur Rechtfertigung müsse substantiiert dargelegt werden, warum die Regelung geeignet und angemessen sei, um die Gesundheit und die flächendeckende Versorgung zu sichern. Das OLG habe zwar ein „sehr ausführliches und eingehendes Urteil“ vorgelegt. „Hier wurde alles zusammengekratzt“, so Koch. Aber genügt das auch inhaltlich? Der EuGH habe schon 2016 klar gemacht, dass er nur Nachweise mit statistischen Daten oder anderen Mitteln, die in ihrer Aussagekraft vergleichbar seien, anerkenne. „Es müssen also harte Fakten auf den Tisch. Eine bloße Stichhaltigkeitsprüfung reicht nicht, die Beweise selbst müssen stichhaltig sein.“

Daran habe man Zweifel, so der Vorsitzende Richter in der gestrigen mündlichen Verhandlung. Ein Zusammenhang mit dem Apothekensterben sei möglicherweise nicht belegt. Und auch die Apothekendichte hat aus Sicht des Senats offenbar wenig Aussagekraft, da der Versandhandel ja auch dazu beitragen könne, die Versorgung in der Fläche zu sichern. Die Stellungnahme der Bundesregierung aus dem Jahr 2021 beschränke sich auf drei Absätze, aus denen man nicht wirklich etwas herausziehen könne. „Es gibt Bedenken, dass man das Berufungsurteil aufrecht erhalten kann.“

Das Verfahren, wie vom Anwalt des BAV gefordert, an die Vorinstanz zur erneuten Verhandlung zurückzuweisen, will der BGH nicht: „Was soll da noch kommen? Aus unserer Sicht ist alles thematisiert worden, es wurde nichts zurückgehalten. Die Frage ist also, hält die Argumentation den Maßstäben stand oder nicht.“

Auch inhaltlich hat der Senat offenbar große Zweifel: „Wir wissen doch gar nicht, ob überhaupt eine Gefahr besteht.“ Selbst das OLG habe zu Protokoll gegeben, dass die Versorgung zu keinem Zeitpunkt gefährdet gewesen sei. Und auch wenn man unterstelle, dass der Versandhandel die flächendeckende Versorgung gefährde und das E-Rezept eine weitere machtvolle Eintrittsmöglichkeit darstelle, sei der Nachweis immer noch nicht erbracht, dass die Preisbindung für eine wirksame Bekämpfung dieser Gefahr geeignet sei.

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