„PhiP leiden sehr unter der aktuellen Situation“

PhiP und 40-Stunden-Woche: Unvorstellbar

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Berlin -

In ihrem Podcast „Tablettentalk“ besprechen die Apothekerinnen Tabea und Marie das neuste aus der Apotheken- und Pharmawelt. Vor kurzem haben sie das Praktische Jahr (PJ) hinter sich gebracht – und berichten, welche Erfahrungen und Erlebnisse sie aus dieser Zeit mitnehmen konnten. Eines ist für beide klar: Das Pharmaziestudium braucht ein Update.

Dass Studierende der Pharmazie nach dem PJ nicht mehr in die Apotheke wollen, beobachten die Podcasterinnen auch in ihrem Umfeld. „Apotheken haben ja generell gerade zu kämpfen. Das Problem ist, dass die Pharmazeuten im Praktikum (PhiP) sehr unter der aktuellen Situation leiden, weil beispielsweise der Unterricht ausfällt und man einfach nur als billige Arbeitskraft wahrgenommen wird, die trotzdem voll einsatzfähig sein muss“, stellt Tabea klar.

40-Stunden-Woche: Unvorstellbar

Zu Beginn des Praktikums sollte es nach dem Verständnis der beiden Pharmazeutinnen so sein, dass die Studierenden viel bei Beratungsgesprächen zuhören und unterstützt werden. Das sei jedoch in vielen Fällen nicht gegeben. Tabea, die mit der Motivation, in die Forschung zu gehen, studierte, berichtet: „Bei mir war es leider so, dass wir in meiner Praktikumsapotheke Personalmangel hatten und ich dadurch relativ schnell alleine vorne am HV stand.“

Die 40-Stunden-Woche im Praktischen Jahr komme aufgrund der hohen Arbeitsbelastung in dieser Form nicht mehr für sie in Frage: „Du bist ja auch die ganze Zeit unter Menschen. Das ist sozial einfach anstrengend.“ Dennoch habe sie den Apothekenalltag als vielfältig und erfüllend empfunden. Viele positive Erfahrungen, etwa mit dankbaren Kund:innen oder ausführlichen Beratungsgesprächen, hätten den Alltag bereichert. „Wenn man mal Zeit für so etwas hat, dann macht das auch Spaß. Und das sind die schönen Momente. Da könnte ich mir den Beruf dann wieder in Teilzeit vorstellen.“

Marie war nach dem Studium zunächst neutral in puncto Apotheke eingestellt. „Ich habe lange nach einer passenden Apotheke gesucht und mir viele angeschaut. Es war schwierig, etwas zu finden, das meinen Anforderungen an Arbeitszeiten, Bezahlung und Betreuung gerecht wird.“ Am Ende ist die junge Pharmazeutin wieder in dem Betrieb gelandet, in dem sie ihre Famulatur gemacht hat. „Es war aber nicht leicht – ich musste Überzeugungsarbeit leisten, was die Bezahlung angeht. Ich habe ein abgeschlossenes Hochschulstudium, und ich habe es einfach nicht eingesehen, für weniger als Mindestlohn zu arbeiten.“

Auch sie betont: „Die Apotheke, in der ich dann angefangen habe, hat sich viel Zeit genommen, und es war dort nicht so hektisch wie in anderen Apotheken. Trotzdem war mir schnell klar, dass ich mir keine 40 Stunden vorstellen kann. Aber ich habe die Arbeit mehr schätzen gelernt, als ich vorher dachte.“

Grundlagen für den Apothekenalltag fehlen

Einigkeit herrscht bei beiden darüber, dass das Studium besser auf die Praxis vorbereiten müsste. „Ich fände es viel sinnvoller, wenn man schon während des Studiums regelmäßig in der Apotheke arbeiten könnte“, betont Marie. Ein- bis zweimal pro Woche – ähnlich wie bei einem dualen Studium oder einer Ausbildung. „Dadurch hätte man viel früher ein Verständnis für die Praxis.“

Tabea ergänzt: „Man lernt im Studium so viel Theorie, aber viele praktische Grundlagen fehlen.“ Zu hören bekämen die Pharmaziestudierenden vor allem, dass sie viel lernen könnten und sehr belastbar seien. „Aber man kann nach dem Studium nicht behaupten, man sei Apotheker, und dann lernt man nicht einmal das Basiswissen im Studium.“ Zwar würden apothekenrelevante Inhalte wie die Antibiotikaversorgung oder die Wirkmechanismen relevanter Wirkstoffe wie Pentoxyverin oder Dextromethorphan im Kammerunterricht behandelt werden. „Aber den hat ja auch nicht jeder zu Beginn des PJ.“

Marie will die wissenschaftlichen Hintergründe aus ihrem Studium zwar nicht missen, „aber mir fehlt eine Basisvorlesung zum Beispiel zum Thema Hustensäfte: Gegenüberstellungen, Wirkweisen, auch zum Thema Fußpilz. Das kommt täglich im Apothekenalltag vor und wird in der Uni nie besprochen.“

Zeit, dass sich was dreht

Darüber hinaus wurde der Wunsch nach mehr Spezialisierung im Studium laut: „Vielleicht könnte man das Studium so aufteilen, dass man sich im späteren Verlauf stärker auf Apothekenpraxis oder Forschung konzentrieren kann.“ Apropos Forschung: Tabea ist der Ansicht, dass anstatt Latein besser die Wissenschaftssprache Englisch gelehrt werden sollte. „Tatsache ist, dass wir wissen, was Walrat auf Latein heißt, wir aber kein Englisch im Studium haben. Ich kenne wirklich viele Auszubildende, die kein gutes Englisch sprechen, dabei ist das im Apothekenalltag wichtig.“

Ein zentrales Problem der Apotheken sei nach wie vor der Personalmangel. „Wenn man die PhiP dann aber so ausbildet – also nicht ausbildet – braucht man sich auch nicht mehr wundern, wenn keiner mehr in die Apotheke will.“ In vielen anderen Ländern sei die Wahrnehmung und Wertschätzung von Apothekerinnen und Apothekern eine andere. „Wir lernen so viel, wir können so viel und im Endeffekt werden wir von allen nur als Verkäufer gesehen.“

Die Krise der deutschen Apothekenlandschaft haben die Pharmazeutinnen am eigenen Leib zu spüren bekommen: „Wir werden jetzt fertig, Apotheken sterben gerade aus und wir werden Apothekerinnen. Es braucht viel mehr als die Reform unserer Ausbildung – aber die auch.“ Marie ergänzt abschließend: „Das Studium passt nicht mit dem zusammen, was Tag für Tag in Apotheken passiert. Es hat spannende Aspekte, ist aber nicht primär auf den Apothekenalltag ausgelegt. Und das ist ein Paradoxon, dass sich durch das gesamte Studium zieht: ‚Wo wollt ihr eigentlich damit hin?‘“

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