Dosierungsfehler bei Säuglingen

Otriven: Apotheker fordert Rückruf

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Berlin -

Die Arzneimittelkommission der deutschen Apotheker (AMK) warnt derzeit vor potenziellen Medikationsfehlern bei Otriven Nasentropfen (Xylometazolin) für Säuglinge. In der aktuellen Meldung werden Apotheken aufgefordert, die jungen Eltern auf diese Gefahr hinzuweisen und den ordnungsgemäßen Gebrauch zu demonstrieren. Unmöglich, findet Gunnar Müller. Der Apotheker aus Detmold fordert ein Verbot des Produkts in seiner derzeitigen Aufmachung.

Müller findet, dass es in der Apotheke schlichtweg unmöglich ist, die korrekte Anwendung zu erklären. „Das Medikament verfügt über keine geeignete Dosierpipette, mit der eine ordnungsgemäße Dosierung (ein Tropfen) sicher vorgenommen und eine Überdosierung sicher vermieden werden kann. Die Pipette verfügt insbesondere über keine Gradierung.“ Er hat sich daher an das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) gewendet und fordert die Behörde auf, das Ruhen der Zulassung für die Nasentropfen anzuordnen.

Der Apotheker ist wütend: „Wenn die AMK über das Risiko der Überdosierung informiert, ist das eine Sache, aber sie soll bitte nicht die Apotheken zur Demonstration des ordnungsgemäßen Gebrauch auffordern, denn dies ist schlichtweg nicht möglich!“ Bei der aufgeschraubten Kunststoffpipette ist keine Skalierung vorhanden – je nachdem wieviel Druck aufgebaut wird, kommt es schnell zur Überdosierung. Zudem verfügt das Arzneimittel nicht über einen Normdosentropfer – jeder Tropfen ist unterschiedlich groß. Wie viele Tropfen aus dem Plastikrohr letztendlich in der Nase landen, lässt sich nicht nachvollziehen. „Das ist so nicht akzeptabel. Irgendwann ist auch mal Schluss, da muss die AMK dann auch tatsächlich mal handeln.“

In seinem Schreiben an das BfArM heißt es weiter: „Es ist deshalb auch völlig unverständlich, dass Apotheken von Fachkreisen aufgefordert werden, angemessen zur richtigen Anwendung zu informieren und die richtige Applikation zu demonstrieren.“ Andere Tropfen mit Xylometazolin in der niedrigen Dosierung sind nicht mehr am Markt. Mehrere Eltern berichteten darüber, dass die zuverlässige Verabreichung der empfohlenen Menge nur schwer umzusetzen sei – je jünger das Kind sei, desto größer gestalteten sich die Schwierigkeiten. Müller verweist auf alternative Packmittel: „Für eine dosiergenaue Anwendung gibt es sicherlich andere Systeme.“ In der Umstellung des Primärpackmittels sieht der Apotheker eine mögliche Lösung: Monturen von Augentropfen könnten als Vorbild dienen.

Müller ist der Ansicht, dass diese Gefahr schon länger bei den zuständigen Behörden bekannt gewesen sein müsste, denn bereits im vergangenen Jahr wurden die Produktinformationen diesbezüglich angepasst. „Das Ganze hätte viel früher auffallen können. Seit über einem Jahr gibt es den Hinweis, dass die Tropfen ohne ärztliche Verschreibung nicht mehr bei Säuglingen unter einem Jahr angewendet werden dürfen.“

Anfang 2018 hatte GlaxoSmithKline (GSK) die Altersgrenzen für Otriven angehoben: Den Anfang machte das Nasenspray in der 0,1-prozentigen Dosierung, das seitdem nicht mehr ab sechs, sondern erst ab zwölf Jahren eingesetzt werden soll. Die Tropfen für Säuglinge erhielten den Hinweis, dass die Anwendung bei unter einem Jahr nur unter ärztlicher Aufsicht erfolgen sollte. Laut GSK stellt diese Ergänzung keine Änderung der Zulassung dar – die Anwendung bei unter Einjährigen ohne ärztliche Aufsicht sei somit kein Off-Label-Use.

Auch wenn Xylometazolin und andere α-Sympathomimetika lokal verabreicht werden und wirken, können selten auch systemische Auswirkungen das zentrale Nervensystem und das Herzkreislaufsystem betreffen. Es gibt Berichte zu Nebenwirkungen wie Herzklopfen, Hypertonie (1 bis 10 Patienten von 10.000) und schwerwiegenden wie Arrhythmien, Halluzinationen bis hin zum Atemstillstand (1 Patient von 10.000).

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