Cannabisrezepturen: Kassen retaxieren wild drauf los Alexandra Negt, 23.01.2020 10:50 Uhr
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Apothekerin Mandy Miersch ärgert sich über die aktuelle Retaxation zu einer Cannabis-Rezeptur: Anstatt die angegebenen 2 Gramm rechnete die Krankenkasse 0,2 Gramm ab.
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Auch Apotheker Matthias Hoffmeister kennt das Problem mit den Retaxationen: Er veröffentlichte ein Schreiben der AOK Bayern auf Facebook. Foto: Dreisessel-Apotheke
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Hier einige Tipps zum Umgang mit Rezepten über Cannabisblüten. Screenshot/Deutscher Hanfverband
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Retax-Fallen lauern überall. BtM-Rezepte bieten zusätzliche Angriffspunkte für Apotheken. Bei der Belieferung ist einiges zu beachten. Foto: APOTHEKE ADHOC
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Falle 1: Gültigkeit – Betäubungsmittelrezepte (BtM) müssen innerhalb acht Tagen, inklusive Ausstellungsdatum in der Apotheke vorgelegt und beliefert werden. Foto: Marcus Witte
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Falle 2: Höchstmengen – Ärzte dürfen maximal 30 Tagen zwei der unter § 2 Abs. 1 BtMVV, Buchstabe a gelisteten Arzneimittel bis zur aufgeführten Höchstmenge verordnen. Wird die Menge überschritten, muss ein „A“ aufgebracht werden. Foto: APOTHEKE ADHOC
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Für Fentanyl beträgt die Höchstmenge 500 mg. Foto: APOTHEKE ADHOC
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Nach § 2 Abs. 1 BtMVV beträgt beispielsweise die Höchstmenge innerhalb 30 Tagen für getrocknete Cannabis-Blüten 100.000 mg und für den Extrakt 1000 mg. Foto: AGES
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Für Methylphenidat sind 2400 mg als Höchstmenge für 30 Tage festgelegt. Foto: APOTHEKE ADHOC
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Falle 3: Formalitäten – Werden Pflaster verordnet ist die Beladungsmenge anzugeben, sofern keine herstellerspezifische Verordnung vorgenommen wurde. Foto: APOTHEKE ADHOC
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Neben den allgemein gültigen Formalien wie Angaben zum Versicherten und dem Kostenträger muss das BtM eindeutig verordnet werden. Dabei sind die Menge des Arzneimittels in Gramm, Milliliter oder Stückzahl der abgeteilten Form anzugeben. Foto: APOTHEKE ADHOC
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Die Angaben N1, N2, N3 oder 1 OP sind nicht ausreichend. Foto: APOTHEKE ADHOC
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Neben dem „A“ sind weitere Kennzeichen notwendig. Der Buchstabe „S“ muss bei der Verschreibung von Substitutionsmitteln aufgebracht werden, „SZ“ bei Take-Home-Rezepten für die Dauer von zwei Tagen. Foto: APOTHEKE ADHOC
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Falle 4: Rabattverträge – Muss ausgetauscht werden, müssen die Arzneimittel in puncto Wirkstoff, Wirkstärke, Packungsgröße, gleiche oder austauschbare Darreichungsform sowie Indikation und entsprechende Zulassung übereinstimmen. Foto: APOTHEKE ADHOC
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Bei Pflastern müssen die Beladungsmenge und die Freisetzungsrate identisch sein. Stimmen die Mengen nicht überein und der Rabattvertrag nicht erfüllt: Sonder-PZN, Faktor 6, Begründung, Datum und Unterschrift sind auf dem Rezept anzugeben. Foto: APOTHEKE ADHOC
Berlin - Christoph Matenaer kann die aktuelle Retaxation seiner Cannabis-Verordnung nicht nachvollziehen: Vergangenes Jahr konnte er einen Patienten aufgrund von Lieferschwierigkeiten nicht mit der Sorte Penelope versorgen. Er dokumentierte fortlaufend alle wichtigen Punkte – und wird nun dennoch zur Kasse gebeten. Der Grund: Das BtM-Rezept wurde nicht fristgerecht beliefert. Mandy Miersch kann ebenfalls ein Lied von Cannabis-Retax singen. Der Grund bei ihr: Das Abrechenzentrum sieht die von ihr taxierte Menge an Wirkstoff als zu hoch an, dabei ist diese auf dem eingereichten Rezept – schwarz auf gelb – vermerkt. Sie griff zu einer ungewöhnlichen Gegenmaßnahme.
Matenaer leitet die Kronen-Apotheke in Bocholt und rechnete schon bei der erstmaligen Verordnung der Blüte Penelope mit Problemen. Ihm war bewusst, dass er das BtM-Rezept nicht binnen sieben Tagen beliefern konnte. „Ich bin im Kontrahierungszwang, das bedeutet, ich muss unabhängig von der aktuellen Lieferfähigkeit bestellen.“ Dieser Vorgehensweise ist gesetzlich festgehalten: In der Apothekenbetriebsordnung ist von der vorbehaltslosen Bereithaltungs- und Abgabepflicht bezüglich aller in Deutschland zugelassenen Arzneimittel die Rede.
„Da BtM-Rezepte immer erst nach der Belieferung bedruckt werden, blieb die Verordnung zunächst mit Vermerk bei uns in der Apotheke liegen. Natürlich länger als sieben Tage – die Sorte Penelope war ein Dreivierteljahr nicht lieferbar.“ Vorrausschauend informierte der Apotheker sich regelmäßig über die Aktualität der Therapie beim verschreibenden Arzt. Weitere Rezepte folgten. Auch diese konnten vorerst nicht beliefert werden. Der Apotheker dokumentierte dies und darüber hinaus auch seine Rücksprache mit dem Arzt. „Das Rezept lag bei uns fristgerecht vor, ich habe fristgerecht bestellt, ich habe formell alles richtig gemacht. Die Retaxierung, die dann folgte, ist nicht rechtens.“
Mittlerweile liegen Matenaer fünf Retaxationen vor – alle aufgrund angeblich abgelaufener Rezepte. „Insgesamt handelt es sich um einen Betrag von rund 2000 Euro, es wurde jeweils auf 0 retaxiert. Auf dem Geld bleibe ich vorerst sitzen.“ Beträge in dieser Größenordnung stellen insbesondere für kleine Apotheken eine Herausforderung dar – das Geld fehlt zunächst. „Wenn die benötigte Cannabissorte nicht lieferbar ist, bleibt mir nichts anderes übrig als abzuwarten.“ Bei allen folgenden Verordnungen verfuhr der Apotheker auf gleiche Weise – der Arzt war stets im Bilde. Eine Umstellung auf eine andere Sorte wäre zwar möglich gewesen, war aus ärztlicher Sicht aber nicht erwünscht. „Penelope gehört zu den ausgeglichenen Sorten, das heißt der Anteil an THC und CBD ist ähnlich. Diese Sorte wurde gut vom Patienten vertragen“, erklärt Matenaer.
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