Musterprozess

Retax-Regen für Krankenkassen

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Berlin -

Nach dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) war die Retaxwelle zunächst ausgeblieben. In diesem Jahr trifft es die Apotheker umso härter. Denn die Kassen treiben die seit 2009 offen gebliebenen Beträge ein. Viele Kollegen fürchten, dass noch Ansprüche angemeldet werden. Je nachdem, was individuell vereinbart wurde, können Forderungen rückwirkend bis 2009 geltend gemacht werden.

Als das Verfahren zu Nullretaxationen vor fünf Jahren begann, einigten sich der Deutsche Apothekerverband (DAV) und die beteiligten Ersatzkassen auf eine Musterstreitvereinbarung. Demnach wurde den Apotheken für die Dauer des Verfahrens die Hälfte des Taxbetrags erlassen und die Rechnung um maximal 25 Euro pro Packung gekürzt. Hätten die Apotheker vor dem BSG Recht bekommen, hätten sie den vollen Betrag zurückerhalten.

Da das BSG aber anders entschied und auch die Verfassungsbeschwerde ohne Erfolg blieb, konnten die am Musterprozess beteiligten Kassen die offenen Summen nach Abschluss des Verfahrens eintreiben. Die meisten haben das bereits getan: Die DAK Gesundheit, die Kaufmännische Krankenkasse (KKH), die HKK und die Hanseatische Krankenkasse (HEK) haben die offenen Beträge schon eingefordert.

Die KKH hat die offenen Forderungen einem Sprecher zufolge im Juli geltend gemacht. „In der Regel haben wir die Summe auf einen Schlag eingefordert, bei wenigen besonders hohen Summen konnte die Zahlung auf mehrere Monate verteilt werden“, so der Sprecher. Da den betroffenen Apothekern die Summe bekannt gewesen sei, gehe man davon aus, dass entsprechende Rücklagen gebildet worden seien.

Die HEK setzte die Summen verteilt auf zwei Monate ab – „aufgrund der Menge“, erklärte eine Sprecherin. Bei einzelnen Apotheken wurden die offenen Beträge allerdings auf einen Schlag eingetrieben. Wie viel Geld die Kassen auf diese Weise in den vergangenen Monaten kassiert haben, ist unklar. Sie machen dazu keine Angaben.

Die Techniker Krankenkasse (TK) retaxiert erst jetzt. Im November sollen die Rechenzentren angewiesen werden, die Rechnungen um die jeweilige Summe zu kürzen, sodass die Apotheken im Dezember auf das Geld verzichten müssen. Die Kasse mit den meisten Versicherten treibt die Beträge auf einen Schlag ein.

Auch andere Krankenkassen könnten mit dem BSG-Urteil im Rücken noch nachträglich auf Null retaxieren – allerdings nur Rechnungen, die noch nicht verjährt sind. Die Frist liegt je nach Arzneiliefervertrag zwischen zwölf und bis zu 24 Monaten.

Anders sieht es aus, wenn sich Apotheker mit einzelnen Kassen darauf verständigt hatten, bilateral eine Art Musterstreitvereinbarung abzuschließen. In diesem Fall könnten die Kassen beispielweise angeboten haben, ebenfalls nur die Hälfte beziehungsweise maximal 25 Euro zu retaxieren und den Ausgang des Prozesses abzuwarten. Wie viele solcher Fälle es gibt, ist nicht bekannt.

Hat ein Apotheker in diesem Zusammenhang einen Verzicht auf die Verjährungsfrist nach dem Rahmenvertrag unterzeichnet, greift die im Sozialgesetzbuch (SGB IV) festgelegte Verjährung von vier Jahren nach dem Jahr, in dem die Ansprüche fällig wurden. In diesem Fall könnten auch andere Kassen die offenen Beträge seit 2009 retaxieren.

Allerdings ist das nur möglich, wenn der Apotheker sich damit einverstanden erklärt hat. Anderenfalls gelten die zwischen Kassen und Apothekern ausgehandelten Verträge und die dort vereinbarten Verjährungsfristen. Wenn Kassen ältere Beträge einfordern, sollten Apotheker daher widersprechen.

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