Kommentar

Das Ende der Preisbindung

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Berlin -

Eine kleine Anleitung für Rx-Boni: Man bestelle grundsätzlich Groß- oder Bündelpackungen. Den Patienten gebe man dann die ungebündelten Einzelpackungen oder verblisterte Wochendosen. Fertig. Denn während ausländische Versandapotheken vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) noch für Boni kämpfen, gibt es ein anderes Einfallstor, das schon heute Sonderpreise für verschreibungspflichtige Arzneimittel erlaubt.

Eine Ausnahmeregelung in der Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) macht Boni für deutsche Apotheken möglich: Wird eine Teilmenge abgegeben, ist die Apotheke von der Preisbindung befreit. Gedacht ist diese Regelung für Fälle, in denen Patienten nicht die gesamte Packung erhalten, sondern nur einen Teil des Arzneimittels.

Aber immer mehr Apotheken, die die Preisbindung umgehen wollen, bedienen sich dieses Kniffs – der zuletzt sogar vom Bundesgerichtshof (BGH) abgesegnet wurde. In diesem Fall hatten Blisterapotheken Rabatte im Einkauf bekommen. Doch auch Apotheken, die ihren Kundinnen Sonderpreise für privat zu zahlende Spiralen anbieten wollen, nutzen die Ausnahmeregelung.

Zwar geben die Apotheken faktisch eine Teilmenge ab – entweder weil die Menge für einen bestimmten Zeitraum verblistert oder nur eine Spirale eingesetzt wird. Tatsächlich können Apotheken aber nur deshalb eine „Teilmenge“ einer Spiralenpackung abgeben, weil sie zuvor statt einer Einzel- eine Bündelpackung eingekauft haben. Und die wird ihnen vom Hersteller angeboten – zusammen mit dem Hinweis, dass bei der Abgabe einer Packung die Preisbindung fällt. Patienten, für die verblistert wird, erhalten im Endeffekt auch die ganze Packung, nur eben in einzelnen Rationen.

Die Entscheidung des BGH sorgte daher in der Branche für Aufregung. Denn theoretisch könnte über die Ausnahmeregelung die Preisbindung insgesamt ad absurdum geführt werden. Hersteller müssten ihre Packungen lediglich bündeln, schon wäre ein einzelne Packung eine Teilmengenabgabe, die nicht mehr den Preisvorschriften unterliegt.

Und noch weiter gedacht, könnten Apotheker einzelne Blister abgeben und dafür freie Preise veranschlagen. Sie bräuchten dafür nur einen Arzt, der die entsprechende Teilmenge verordnet, und Krankenkassen, die das Spiel mitmachen – etwa gelockt durch günstige Preise und Selektivverträge.

Das scheint zu einfach, um wahr zu sein. Aber schon heute könnte es über diese Methode Rx-Boni geben, denn gerichtlich untersucht wurde der Fall der Spiralen noch nicht. Die eigentliche sinnvolle Ausnahmeregelung kann somit zum Bumerang für die Apotheken werden.

Trotzdem duldet die Aufsicht die Umgehung der Festpreise – zumindest noch. Dort steht man vor einem Dilemma: Einerseits ist der Erhalt der Preiskonditionen ein wichtiges Ziel, andererseits steht zu viel auf dem Spiel. Denn bislang nutzen nur wenige Apotheken diese Form der Umgehung. Ginge ein entsprechendes Gerichtsverfahren verloren, wäre die Methode offiziell bestätigt.

Parallel wird die Preisbindung von den Versendern aus dem Ausland angegriffen. DocMorris hat mit seinen Boni an Parkinson-Patienten eine andere Flanke eröffnet: Der EuGH soll klären, ob ausländische Versandapotheken an das deutsche Preisrecht gebunden sind. Das OLG Düsseldorf macht das Spiel mit und meint, der EuGH könnte seine bisherige Linie zumindest relativieren.

Letztlich muss irgendwann der Punkt kommen, an dem Kammern und Arzneimittelaufsicht einschreiten, im besten Fall unterstützt durch eine gesetzliche Klarstellung der AMPreisV. Denn wie der EuGH schon 2009 in seiner Entscheidung zum Fremd- und Mehrbesitzverbot feststellte: Arzneimittel haben einen ganz besonderen Charakter, der sie substanziell von anderen Waren unterscheidet. Hoffentlich erinnern sich die Richter daran, wenn sie nun über Rx-Boni entscheiden sollen.

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