Herstellerrabatte

Apotheker in der Abschlagsfalle

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Berlin -

Im Dauerstreit um die Generikaabschläge geraten die Apotheken mal wieder zwischen die Fronten. Weil die Krankenkassen eigenmächtig die Rechnungen kürzen, belasten mehrere Rechenzentren jetzt die Apotheken. Diese sollen sich das Geld von den Herstellern wiederholen. Doch die betroffenen Unternehmen sehen zum Teil nicht ein, warum sie die aus ihrer Sicht ungerechtfertigten Rabatte zahlen sollen.

Gestritten wird um die Generikaabschläge der Jahre 2006 bis 2010. Der GKV-Spitzenverband hatte 2009 eine systematische Prüfung durchgeführt und anschließend eine Liste mit Produkten veröffentlicht, auf die aus Sicht der Kassen der Generikaabschlag anfällt. Diese Hersteller sehen ihre Arzneimittel dagegen als Solitär – also abschlagsbefreit – an. Gibt es bei umstrittenen Produkten keine Einigung mit den Herstellern, retaxieren die Kassen die Abrechnungen der Apotheken.

Die Rechenzentren versuchen dann zunächst, die Hersteller zum Einlenken zu bewegen – gern auch durch öffentlichen Druck. Spätestens, wenn die Apotheken belastet werden, lenken die meisten Firmen ein. Das ist aber nicht in jedem Fall so.

Ein prominentes Beispiel ist der Hersteller Dr. Beckmann Pharma. Seit Jahren streitet das Hamburger Unternehmen mit den Kassen um sein Notfallmedikament Anapen (Epinephrin). Dr. Beckmann ist vollkommen überzeugt, dass es sich dabei nicht um eine Generikum handelt. Der Hamburger Mittelständler hat nach eigenen Angaben sogar schon einen Prozess gegen die AOK geführt – und gewonnen.

Trotzdem wurden aktuell wieder Abschläge eingefordert und – weil Dr. Beckmann nicht zahlt – an die Apotheken weitergereicht. Die Rechenzentren informieren die Apotheken und helfen mit entsprechenden Aufstellungen. Zum Teil werden sogar Musterschreiben an die Apotheken verschickt, damit diese ihre Ansprüche geltend machen können.

Aus Sicht von Dr. Beckmann machen es sich die Rechenzentren damit zu leicht: „Die Abrechnungsstellen hätten die Kürzungen nicht einfach so hinnehmen sollen“, sagte ein Sprecher des Unternehmens.

Der Hersteller würde den Apothekern nach eigenem Bekunden gern Ärger ersparen. Man könne jedoch nicht für Abschläge bezahlen, die nicht begründet seien. Dr. Beckmann befürchtet, das Geld von den Kassen nie mehr zurückfordern zu können, wenn die Abschläge erst einmal gezahlt sind. Es geht Hochrechnungen zufolge insgesamt um knapp eine halbe Million Euro.

Auch andere mittelständische Hersteller sind betroffen: Dolorgiet streitet mit den Kassen um die Abschläge für den Blutdrucksenker Nivadil (Nilvadipin) und das Schlafmittel Staurodorm (Flurazepam) – und nach Schätzungen ebenfalls sechsstellige Beträge. Apotheken klagen außerdem über Kürzungen zu Produkten der Hersteller Riemser und Serag Wiessner.

Für kleinere Unternehmen können die Nachforderungen der Kassen schnell existenzbedrohend werden. Doch das Gleiche gilt für Apotheken: Bislang ging es für den Einzelnen fast immer um kleinere Beträge. Doch sollte es irgendwann einen Generika-Streit über ein starkes Produkt geben, wären die Apotheken schnell in der Klemme. Viele fordern deshalb schon Beträge von 50 Cent bei den Herstellern ein, um die Praxis nicht einreißen zu lassen.

Seit dem AMNOG gilt für alle Medikamente vorübergehend derselbe Abschlag, das Thema ist also derzeit nicht virulent. Wenn der erhöhte Zwangsrabatt für Originale wieder sinkt, könnte es aber erneut Probleme geben.

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